Neue Dauerausstellung „Vorfahrt“ im Verkehrsmuseum fokussiert sich auf gesellschaftlichen Wandel durch das Auto
Dresden, 9. Juli 2015. Es muss wohl ein gleichermaßen faszinierender wie erschreckender Anblick für die Zeitgenossen Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein, als die ersten Automobile über die Straßen zu knattern begann: Laut, prächtig, schneller als jede Kutsche – Boten einer neuen Zeit, in der dem menschlichen Erfindungsgeist nichts mehr unerreichbar schien. Am Himmel tauchten die ersten Zeppeline auf, die deutsche Wirtschaft boomte wieder nach dem großen Gründerkrach. Allerdings waren es zuerst nur die Superreichen, die sich ein Automobil leisten konnten. Erst zwei Kriege später sollte das Auto zum Statussymbol (fast) aller Deutschen werden.
Schau hat Zeug zum Publikumsmagneten
Dieses Statussymbol das forderte „Vorfahrt“ ein – und so hat auch das Verkehrsmuseum Dresden seine neue Dauerausstellung genannt, die am 11. Juli 2015 offiziell eröffnet wird. Eine Million Euro hat das Museum in die Schau gesteckt, die nicht nur einfach motorisierte Gefährte aneinanderreiht, sondern vor allem „erzählt, wie diese die Gesellschaft verändert und das Leben beeinflusst haben“, wie es Museumsdirektor Joachim Breuninger formuliert. Und der konzeptionelle Aufwand hat sich gelohnt: Vom Informations- und Schauwert her hat die neue Dauerausstellung das Zeug, ein neuer Publikumsmagnet zu werden.
Von Daimlers Motorkutsche bis zu Honeckers Panzer-Citroen
Der Oiger hatte vorab Gelegenheit, schon mal einen Blick in die neue Ausstellung zu werfen. Sie ist dem Straßenverkehr mit allen Facetten der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der individuellen Mobilität gewidmet. Mit einem genialen Trick ist es Museumsdirektor Joachim Breuninger gelungen, die zur Umsetzung seines Konzeptes notwendigen zusätzlichen 1000 Quadratmetern Aufstellfläche zu schaffen. Die beachtliche Schar sehenswerter Automobilraritäten, von Daimlers Motorkutsche über das „Kommisbrot“ von Hanomag bis zu Honeckers Panzerlimousine, ist mehrheitlich auf einer Hochstraße in der zweiten Ebene plaziert. Dabei steht das 105 Jahre alte Baker Electric aus dem fernen Ottawa repräsentativ für die Generation der E-Mobile, die einst stärker auf den Straßen vertreten waren als die „Benziner“ und, das ist bemerkenswert, technisch mit den aktuellen Entwicklungen fast auf Augenhöhe standen.
Elektroautos mit 1/3 Marktanteil – vor über 100 Jahren
Übrigens zeigt der Blick zurück in die automobile Geschichte eben auch, wie weit Deutschland schon einmal mit der heute wieder vielpropagierten Wende hin zur Elektromobilität war: „Um 1900 besaßen Elektromobile einen Marktanteil von rund einem Drittel“, schätzt das Verkehrsmuseum ein. „Erst nach 1910 setzte sich der Verbrennungsmotor als gebräuchlichste Antriebsform durch.“ Zum Vergleich: Derzeit sind auf deutschen Straßen knapp 20.000 Elektroautos unterwegs, das entspricht einem Anteil am Gesamtautobestand im Promillebereich. Vom Ziel der Bundesregierung, bis 2020 rund eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen, sind wir also noch weit entfernt.
Hörspielartige Inszenierungen
Aber zurück zur Ausstellung: Dem Besucher wird keineswegs eine bloße Autoschau angeboten, vielmehr sind auch Fahrräder und Kräder in all ihren Spielarten reichlich zu besichtigen. Dies zu Recht, schließlich dominierten diese, also nicht die Autos, bis weit in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts unser Straßenbild. Recht interessant dürfte es für den Besucher werden, die mit den Jahren 1886, 1932 und 1953 markierten, mit Hörspielcharakter präsentierten Straßenverkehrs-Situationen im Leben einer virtuellen Familie zu erleben.
Labor wirft Blick in die automobile Zukunft
Spätestens jedoch im Zukunftslabor beginnt der aktive Auftritt des Besuchers. Er wird mit der Frage konfrontiert, wie er sich den Straßenverkehr in 10, 20 oder mehr Jahren vorstellt. Er darf sich auch ein Auto der Zukunft nach seinen Vorstellungen entwickeln. Bei der Gestaltung dieses Zukunftslabors haben die Wissenschaftler der HTW Dresden direkt mitgewirkt.
Autor: Peter Weckbrodt
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