Bildung, Halbleiterindustrie, Wirtschaftspolitik, zAufi

Sachsens zentrale Azubi-Schmiede für die Chipfabriken entsteht in Radeberg

GF-Mitarbeiter passieren Reinraum-Brücke. Foto: Globalfoundries Dresden

Die Chipfabriken in Sachsen brauchen mehr Fachkräfte. Hier im Bild sind Mitarbeiter von Globalfoundries auf einer Reinraum-Brücke zu sehen. Foto: Globalfoundries Dresden

Sem-Zentrum soll bis zu 1000 angehende Mikrotechnologen und Mechatroniker für wachsende Halbleiter-Branche fit machen

Radeberg/Dresden, 27. August 2024. Das schon längere Zeit geplante „Sächsische Ausbildungszentrum für Mikroelektronik“ (Sam) entsteht in Radeberg. Darauf hat sich heute das Kabinett in Dresden verständigt. Demnach soll nordöstlich der Landeshauptstadt ein neuer Ausbildungscampus mit einer Lehrlings-Reinraumfabrik, Schulungsräumen, Laboren und Werkstätten wachsen, der für bis zu 1000 angehende Mikrotechnologen und Mechatroniker ausgelegt ist. Damit reagieren der Freistaat und die freien Bildungsträger auf den wachsenden Fachkräfte-Bedarf in der sächsischen Chipindustrie, aber auch im technologie-orientierten Mittelstand vor allem im Großraum Dresden.

Zuschlag für Radeberg soll Boom stärker in die Region tragen

„Wir haben uns ganz bewusst für den Standort Radeberg entschieden“, erklärte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit Blick auf wiederholte Forderungen, der Chipboom in Dresden müsse auch in der Region und im Mittelstand für Impulse sorgen. „Damit sorgen wir dafür, dass die positiven Auswirkungen der Halbleiterentwicklung ganz direkt im Umland von Dresden ankommen. Handwerk und Mittelstand sind ein elementarer Bestandteil des Silicon Saxony. Wir sorgen dafür, dass sie weiter von den Investitionen der Weltkonzerne profitieren. Das Ausbildungscluster Mikroelektronik ist ein großer Baustein für den Fachkräftebedarf.“

Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Foto: Heiko Weckbrodt

Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Foto: Heiko Weckbrodt

Sem und Det: Elektronik-Superberufschule entsteht fast zeitgleich in Prohlis

Einen weiteren Baustein hatten Landesregierung und Landeshauptstadt bereits gestern gelegt: Sie vereinbarten, gemeinsam im Dresdner Stadtteil Prohlis eine 127,5 Millionen Euro teure Groß-Berufsschule für angehende Elektroniker zu bauen. Dieses „Berufliche Schulzentrum für Elektrotechnik“ (BSZ Det) soll die theoretische Ausbildung für bis zu 2200 angehende Mikrotechnologen, Mechatroniker, Fachinformatiker, Elektroniker, Elektroanlagenmonteure und informationstechnologie-Systemelektroniker übernehmen. Das Sem wiederum wird die praxisnahe Ausbildung der Mikrotechnologen und Mechatroniker übernehmen. Sem und Det sollen beide ab dem Schuljahresbeginn 2028/29 betriebsbereit sein.

Über Kosten und Finanzierung für das Sem machte das Kabinett heute keine genauen Angaben. Auf Oiger-Anfrage hatte Minister Dulig aber erst kürzlich die Investitionen aber auf über 120 Millionen Euro geschätzt. Einen Teil der Kosten sollen die privatwirtschaftlich organisierten Betreiber selbst stemmen, einen wesentlichen Teil über Umlagen die Chipfabriken, die ihre Lehrlinge nach Radeberg delegieren. Zudem könnten womöglich Gelder vom Land und vom Bund in das Projekt fließen. Zudem ist laut Wirtschaftsministerium geplant, „weitere bestehende Ausbildungseinrichtungen“ zu modernisieren und zu erweitern, darunter die Mechatronikerausbildung in Kesselsdorf.

„Radeberg profitiert einmal mehr von seiner Nähe zu Dresden“

Freuen kann sich insbesondere auch Radebergs parteiloser Oberbürgermeister Frank Höhme: Bei der Standort-Auwahl für das Sem hat er Dresden ausgestochen: „Radeberg profitiert einmal mehr von seiner direkten Nähe zu Dresden und kann unmittelbar an hochmoderner Technologieentwicklung teilhaben“, kommentierte er die Kabinetts-Entscheidung. „Ich habe dies sofort als Chance für Radeberg gesehen und mich für unsere Stadt als Standort für den Ausbildungscampus für Mikrotechnologie stark gemacht. Nun werden tatsächlich dringend benötigte Fachkräfte in der Mikrotechnologie künftig aus Radeberg kommen!“

Früher hat TSMC immer nur Fabriken in Asien - hier die Fab16 in China - betrieben. Inzwischen stehen auch Chipwerke in Japan, den USA und in Deutschland auf der Agenda. Abb.: TSMC

Früher hat TSMC immer nur Fabriken in Asien – hier die Fab16 in China – betrieben. Nun bauen die Tainwanesen gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP ihre erste Europa-Fab in Dresden. Diese und weirere Investitionen im „Silicon Saxony“ für wachsenden Fachkräfte-Bedarf. Abb.: TSMC

Sachsens Tech-Wirtschaft wächst bis 2030 auf 100.000 Menschen

Hintergrund der jüngsten Weichenstellungen sind der generell steigende Fachkräftebedarf in der sächsischen Halbleiterindustrie sowie die jüngsten Großinvestitionen von TSMC, Infineon, Jenoptik und weiteren Unternehmen in neue Fabriken im Dresden. Derzeit arbeiten laut dem Branchenverband „Silicon Saxony“ rund 81.000 Menschen in seinen Mitgliedsbetrieben zwischen Dresden, Freiberg und Chemnitz. Davon ist etwa die Hälfte in Chipfabriken und nahe verwandten Branchen tätig, die andere Hälfte in der Softwareindustrie und weiteren Technologie-Zweigen. Bis zum Ende der Dekade wächst dieser Bedarf auf über 100.000 Fachkräfte, schätzt der Verband.

Silicon-Saxony soll mit Wirtschaft die Talente-Akquise außerhalb Sachsens organisieren

Diesen wachsenden Fachkräftebedarf der Halbleiterindustrie, der Zulieferer und des regionalen Mittelstandes könne Sachsen aber nicht aus eigener demografischer Kraft decken, hat das Kabinett in Dresden bereits mehrfach betont. Daher angelt der Freistaat über Hochschul-Verbindungsbüros bereits in ausgewählten Zielländern nach akademischen Zuwanderern und internationalen Hightech-Azubis in spe. Außerdem solle „in enger Zusammenarbeit zwischen der Industrie, den Kammern, dem regionalen Mittelstand und den Bildungsdienstleistern ein neues Dach initiiert werden“, hieß es heute aus dem Wirtschaftsministerium. Dieser Verbund soll demnach „für eine gezielte Rekrutierung und bessere Außenvermarktung“ zuständig und im Verband „Silicon Saxony“ organisiert sein. Ziel sei es, „die Strahlkraft des sächsischen Mikroelektronikstandortes weiter erhöhen“.

„Sachsen hat in der Vergangenheit schon oft von Zuzug profitiert“

„Wir müssen gemeinsam alles unternehmen, um den Standort attraktiv zu machen, um Menschen von überall für Sachsen zu gewinnen“, betonte SPD-Wirtschaftsminister Dulig in diesem Zusammenhang. „Mit unserer Ansiedlungs- und Forschungspolitik locken wir Fachkräfte aus aller Welt an und wir wollen, dass die Menschen gern bei uns leben und hierbleiben. Sachsen hat in der Vergangenheit schon oft von Zuzug profitiert, nicht zuletzt die Chipindustrie. Nur durch eine Kultur der Offenheit, Toleranz und Vielfalt können wir unser starkes Ökosystem weiter ausbauen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWA, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt