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Afrika will kein Spielball für China, EU und Russland sein

Der Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba (Äthiopien)Foto: Prof. Ulf Engel, Uni Leipzig

Der Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba (Äthiopien)
Foto: Prof. Ulf Engel, Uni Leipzig

Experte der Uni Leipzig: Afrikanische Union bemüht sich derzeit, strategische Partnerschaften weltweit neu auszurichten

Leipzig/Addis Abeba, 6. Juni 2023. Afrika spielt wieder eine wachsende wirtschaftliche und geostrategische Rolle für die EU, für Russland, aber auch für China und andere Akteure auf der globalen Weltbühne. Über die „Afrikanische Union“ (AU) wiederum versucht der Kontinent gleichzeitig, stärker nach außen hin mit einer Stimme zu sprechen und seine Interessen besser gegenüber diesen Begehrlichkeiten zu vertreten. Das hat Prof. Ulf Engel von der Universität Leipzig eingeschätzt. Anlass ist der 60. Gründungsjahrestag der AU-Vorgängerin, der „Organisation der Afrikanischen Einheit“ (OAU), die am 25. Mai 1963 im äthiopischen Addis Abeba gegründet wurde.

Prof. Dr. Ulf Engel, Professor für Politik in Afrika. Foto: Universität Leipzig

Prof. Dr. Ulf Engel, Professor für Politik in Afrika. Foto: Universität Leipzig

Seidenstraße & Co.: Kontinent ist Ziel wichtiger globaler Ordnungsprojekte geworden

„Der Kontinent ist aus verschiedenen Gründen zum Ziel wichtiger globaler Ordnungsprojekte geworden – von der ,Neuen Seidenstraße’ Chinas zum europäischen ,Global Gateway’-Projekt“, erklärte Engel. So habe China in den vergangenen knapp 20 Jahren erhebliche politische und wirtschaftliche Investitionen in Afrika getätigt, mit denen das Reich der Mitte viele afrikanische Staaten Afrikas sehr erfolgreich in chinesische Waren- und Wertschöpfungsketten eingebunden habe. „China hat wesentlich in Infrastrukturprojekte investiert, und damit auch Abhängigkeiten geschaffen. Dies betrifft unter anderem eine neue Verschuldungsspirale für zahlreiche afrikanische Staaten.“ Peking will sich damit einerseits langfristige Quellen für Kobalt, Gold, Platin und andere wichtige Rohstoffe sichern, andererseits stabile Handelsrouten für seine Im- und Exporte etablieren.

Russland hat seine afrikanische Abstinenz wieder aufgegeben

Russland wiederum habe nach Jahren der politischen Abstinenz auf dem afrikanischen Kontinent zunächst eklektisch und opportunistisch agiert, meint Engel. „In den letzten Jahren wurde jedoch deutlich in Konfliktschwerpunkte investiert, zum Beispiel in Libyen, Mali, Sudan und die Zentralafrikanische Republik, mit dem Ziel, die politischen Positionen des Westens zu unterminieren, eigenen geostrategischen Einfluss aufzubauen und von illegalen Ökonomien zu profitieren, zum Beispiel im Goldhandel.“

Ursprünglich als 3. Pol zu Ost- und Westblock gegründet

Mit der AU habe Afrika zwar eine Interessenvertretung, die auf den ersten Blick der EU ähnele, aber weit von deren Integrationsgrad entfernt sein, betont der Leipziger Experte für Politik in Afrika. Die Vorgängerin OAU sei von damals 32 Mitgliedern gegründet worden, die sich zwischen Ost- und Westblock besser behaupten und in den 1960er Jahren die Dekolonisierung weiterer Staaten auf dem Kontinent unterstützen wollten. Mit dem Fall der Sowjetunion und der bipolaren Welt-Einteilung begann sich auch die OAU neu zu orientieren und wurde 2002 zur Afrikanischen Union. Doch in dieser Organisation haben die mittlerweile 55 Mitgliedsstaaten weit weniger souveräne Aufgaben an die Union delegiert als dies die Europäer in der EU getan haben. „Während es in Europa etwa 310 vergemeinschaftete Politikfelder gibt, sind es in der AU vielleicht zwei Dutzend“, erklärt Professor Engel. „Die AU-Mitgliedstaaten berufen sich in vielen Fragen auf ihre nationale Souveränität und das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten.“

Stark von internationalen Finanziers abhängig

Dennoch versucht auch die AU, in der großen Weltpolitik mitzumischen. „Die Afrikanische Union ist derzeit bemüht, ihre ,strategischen Partnerschaften’ mit den Vereinten Nationen und der Europäischen Union, aber auch mit bilateralen Partnern wie China, Japan, Südkorea oder der Türkei neu zu bestimmen“, betont Engel. „Wenn es gelänge, diese Beziehungen strategisch im Sinne von fundamentalen AU-Interessen auszurichten, würden sich Möglichkeiten eröffnen, die Integration Afrikas in aktuelle Globalisierungsprozesse auch von Afrika aus stärker zu gestalten.“ Der Erfolg dieser Bemühungen werde aber nicht zuletzt davon abhängen, ob und wie sich die AU von ihrer finanziellen Abhängigkeit von internationalen Geldgebern lösen kann. Engel: „Gegenwärtig werden etwa 66 Prozent des AU-Haushaltes von internationalen Partnern bestritten.“

Quelle: Uni Leipzig, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt