
Professor Benjamin Friedrich betätigt sich als Zellmotor in der taumelnden Welt der Zellen – ein Mitmachbeispiel aus der Sonderschau „Physik des Lebens“ in Dresden Foto: Heiko Weckbrodt
Sonderschau im Technikmuseum Dresden-Striesen zeigt, was die taumelnde Welt der Zellen im Innern zusammenhält – und auseinanderreißt
Inhalt
Dresden, 4. Mai 2023. Normalerweise kennt man Selbstzerstörungsmechanismen eher vom Raumschiff „Enterprise“ – und wenn der Captain sie auslöst, bedeutet das nichts Gutes: Die Romulaner schießen mit Photonen-Torpedos oder die Borg wollen wieder mal die ganze Mannschaft assimilieren. Ganz fürchterlich aber läuft alles schief, wenn dieser Mechanismus beim Menschen versagt, denn der ist nämlich in all unseren Zellen eingebaut:
„Normalerweise durchläuft jede Zelle nach einer Zell-Teilung einen Qualitäts-Check“, erklärt Professor Benjamin Friedrich vom Dresdner Exzellenz-Zentrum „Physics of Life“ (kurz: Pol, deutsch: „Physik des Lebens“). „Wenn sie durchfällt, löst sie einen Selbstmord-Mechanismus aus und opfert sich zum Wohle des großen Ganzen. Krebs entsteht, wenn diese Mechanismen nicht mehr funktionieren.“ Wie das kommt, welche physikalischen Kräfte dabei wirken, was das Ganze mit Baustellen-Gerüsten zu tun hat und wie all das beim Kampf gegen Krebs helfen kann, erklären der Professor und seine Mitstreiter aus Medizin, Biologie, Mathematik, Computerwissenschaften und Chemie ab 6. Mai 2023 mit einer neuen Sonderausstellung „Physik des Lebens“ in den Technischen Sammlungen Dresden (TSD) neugierigen Besuchern.
Biophysik-Nerdkram einfach erklärt
Und diese neue Schau richtet sich an ein breites Publikum, nicht nur an Nerds. „Wir wollen damit Kinder ab sechs Jahren ebenso erreichen wie Erwachsene“, betont Museumsdirektor Roland Schwarz. „Und wie zeigen in unseren Schaufenster der Forschung eben auch nicht nur gesichertes Wissen, sondern auch, woran die Dresdner Institute gerade forschen und welche Methoden sich die Wissenschaftler hier ausdenken, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.“
Ein paar Phosphor-Energieriegel gefällig
Konkret in der fachübergreifenden „Physik des Lebens“ geht es eben nicht nur um die Biologie, die man und frau in der Schule gelernt hat, sondern eben auch all das, was der Lehrer offen gelassen hat: Wie genau bewegt der Mensch seinen Arm? Na gut, er hat Muskeln – aber wie setzen die sich in Bewegung? So viel sei schon mal gespoilert: Eine große Rolle spielt dabei ein nimmermüdes Heer aus Millionen von molekularen Schrittmotoren, die pausenlos Phosphor-Häppchen in sich hineinstopfen. Oder: Wie teilt sich denn nun eigentlich eine Zelle? Wie verteilt sie Erbgut-Infos, Mikro-Kraftwerke, Protein-Fabriken auf zwei Töchter, wie bringt sie die Kraft auf, sich entzwei zu teilen? Um auch hier schon etwas zu verraten: Hilfegerüste wie auf dem Bau helfen dabei.
Wie auf einem Schiff im hohen Seegang: Balance halten wie die Zellmotoren
All dies und mehr veranschaulichen die Pol-Forscher mit überfraugroßen Schaubildern, gestaltet von der indischen Künstlerin Priyanka Oberoi, mit Mikroskop-Zeitraffervideos, Mitmach-Spielen, Forscher-Porträts, aber auch Lego-Bausteinen, Würfelspielen und Gleichgewichts-Herausforderungen. Letztere sollen übrigens im wörtlichen „begreifbar“ machen, wie sich die erwähnten Schrittmotoren und molekularen Transport-Bahnen in unseren Zellen fühlen müssen: Denn sie bewegen sich wegen der unaufhörlichen Brownschen Teilchenbewegung in einer stetig schwanken Welt und balancieren dabei mit hoher Präzision die biologische Antriebsstoffe durch die Zelle. Entsprechend lautet hier beispielhaft die Herausforderung für die Besucher, auf einer kippelnden Halbkugel zu balancieren und dabei Murmeln einzulochen. Benjamin Friedrich hat sich darin übrigens schon als Experte bewiesen – und lächelt noch dabei. Den Job als Zellmotor hat er also schon mal sicher, wenn er keine Lust auf Physik mehr hat…
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Besuch TSD, Auskünfte Friedrich, Schwarz, Oiger-Archiv

Von der Zelle bis zum Nashorn: Die Physik des Lebens zu ergründen ist eine fachübergreifende Aufgabe für Physiker, Biologen, Informatiker, Chemiker und andere Wissenschaftler. Grafik: Physics of Life
Kurzinfos zur Ausstellung:
- Titel: „Physik des Lebens“
- Wo? Technische Sammlungen Dresden, Junghansstraße 1, im „Schaufenster Forschung“
- Wann? 6. Mai 2023 bis 5. Mai 2024
- Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 9 bis 17 Uhr, samstags, sonntags 10 bis 18 Uhr
Aus dem Begleitprogramm:
- 14. Mai 2023, 14 Uhr: Vortrag der Wissenschaftlerin Alison Kickuth „Was wir noch über Zellteilung lernen können“
- 30. Juni 2023: Wissenschaftsnacht
- 8. Juli 2023: Museumsnacht: Führungen und Schauexperimente live in der Ausstellung mit Wissenschaftlern des Exzellenzclusters „Physics of Life“
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