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Physiker wollen mehr feste Stellen – warnen aber vor Überregulierung

Zecke unterm Mikroskop. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

DPG: „Wir wollen belastbare Entfristungsperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs“

Dresden/Bad Honnef, 20. März 2023. Mehr langfristige Stellen für Nachwuchswissenschaftler hat die „Deutsche Physikalische Gesellschaft“ aus Bad Honnef gefordert, zugleich aber vor einer Überregulierung gewarnt. Insbesondere die nun vom Bund vorgeschlagene dreijährige Maximaldauer für befristete Stellen sei zu kurz und werde den verschiedenen Wegen junger Forscher hin zur Professor und anderen Karriereentwürfen nicht gerecht, erklärte die DPG zum Auftakt ihrer diesjährigen Frühjahrtagungen in Dresden.

Kritik: Starre Drei-Jahres-Grenze wird unterschiedlichen Lebenswegen nicht gerecht

„Wir wollen belastbare Entfristungsperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs“, betonte DPG-Bildungsvorstand Prof. Klaus Mecke. Tatsächlich sei für viele junge Physiker die Zeit zwischen Promotion und einer angestrebten Professur oder anderen Daueranstellung sehr belastend, – mit Blick auf ihre Lebensplanung wie auch ihre Forschungsmöglichkeiten. Falls der Staat jedoch gesetzlich befristete Stellen auf höchstens drei Jahre limitiere, sei dies zum für viele Qualifikationswege hin zur Professur einfach eine zu kurze Zeit. Denn viele vielversprechende Talente wollen sich zunächst als Leiter einer drittmittel-finanzierten Nachwuchs-Forschergruppe profilieren, andere gehen den Weg über eine Juniorprofessur, wieder andere bemühen sich um eine klassische Habilitation. Letztlich könne daher ein zu eng gefasstes Gesetz sogar zu einer Abwanderung ins Ausland führen.

Der lange Weg vom „R1“ zum Professor

Hintergrund: Der Weg vom einfachen Studenten hin zu arrivierten Wissenschaftler ist weit und ist laut dem „European Framework for Research Careers“ in vier Phasen unterteilt: „R1“ umfasst die Zeit der Promotion, also bis zur akzeptierten Doktorarbeit, „R2“ die anschließende Zeit als sogenannter „Post-Doc“. In diesen Phasen sind auch nach Ansicht der DPG befristete Stellen unumgänglich, um zum Beispiel Doktorarbeiten und Forschungsprojekte mit befristet gewährten Zuschüssen aus der Industrie oder von anderen Geldgebern zu finanzieren. Daran schließt sich die R3-Phase an, in der fortgeschrittene Nachwuchswissenschaftlerinnen oder -wissenschaftler eine Professur (R4) hinarbeiten. Das Problem: Vor allem wissenschaftliche Nachwuchsforscher an Unis, die bereits den Doktortitel in der Tasche haben, aber noch keine Professur, hangelt sich gerade in Deutschland besonders oft gefühlte Ewigkeiten von einer befristeten Stelle zur nächsten – ein untragbarer Zustand auf Dauer, darin sind sich die meisten in Forschung und Politik einig.

Befristete stemmen in Deutschland Großteil von Forschung und Lehre an Deutschlands Unis

Aktuelle und belastbare Vergleichszahlen liegen zwar noch nicht vor. In früheren Erhebungen hieß es aber beispielsweise, „während in Deutschland rund 27 % des wissenschaftlichen Personals unbefristete Arbeitsverhältnisse hat, sind dies in Frankreich und Großbritannien mehr als 70 %“. Laut DPG-Angaben gibt es zum Beispiel auch in Italien weit mehr permanente als befristete Forscher-Stellen. In anderen Untersuchungen heißt es, dass die „Befristites“ in Deutschland einer der häufigsten Gründe für Nachwuchs-Akademiker ist, ihre Forschungskarriere aufzugeben. Andere Vergleichsstudien gehen davon aus, dass in Deutschland mehr als jede zweite Wissenschaftler-Stelle befristet ist – aber die Quoten beispielsweise in der Schweiz, in Finnland oder Norwegen noch höher liegen.

Auch Permanent-Stellen jenseits der Professur könnten Forschungskarrieren attraktiver machen

Die DPG schlägt nun vor, die „eine signifikante Erhöhung der Grundausstattung sowie der Projektpauschalen bei Drittmitteln“ vor, um den Anteil permanenter Wissenschaftlerstellen – auch jenseits der Professoren – zu erhöhen. Wünschenswert wären auch mehr unbefristete Drittmittel-Stellen. „Dies ist für die nachhaltige Sicherung eines attraktiven Wissenschaftsstandorts Deutschland erforderlich“, heißt es in der DPG-Stellungnahme.

Auch Kompetenzgerangel spielt eine Rolle

Da für die Uni-Grundausstattung die Länder zuständig sind, befürchten diese bei solchen Vorschlägen erhebliche Mehrkosten. Und das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Wirtschaftsministerium und andere Drittmittel-Geber auf Bundesebene wiederum verweisen darauf, dass der Bund nicht für die Basisfinanzierung der Unis zuständig sei. Auch würden sie mit unbefristeten Geldvergaben die eigenen finanziellen und forschungspolitischen Spielräume einengen. Es geht insofern im „Entfristungs-Streit“ nicht nur ums liebe Geld, sondern auch um Zuständigkeiten und politische Befindlichkeiten.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: DPG, Wiss. Dienst des Bundestages, Oiger-Archiv, Ester Höhle: Befristung an Universitäten. Eine Analyse von Ursachen im internationalen Vergleich

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt