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Helmholtz Dresden arbeitet an Dreischritt-Therapie gegen Nebennieren-Krebs

Um die zielgenau deponierte Strahlendosis im Tumor messen zu können, hat Dr. Martin Ullrich am HZDR das bildgebende Verfahren SPECT für kleine Versuchstiere optimiert. Foto: Christoph Reichelt für das HZDR

Um die zielgenau deponierte Strahlendosis im Tumor messen zu können, hat Dr. Martin Ullrich am HZDR das bildgebende Verfahren SPECT für kleine Versuchstiere optimiert. Foto: Christoph Reichelt für das HZDR

Konzept: Molekulare Zielscheibe dran, Krebszelle zerstrahlen, Rückfall-Gen ausschalten

Dresden, 10. Februar 2023. Damit Onkologen künftig auch seltene Krebsarten wie das Phäochromozytom gezielter behandeln können, entwickelt das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) derzeit eine Kombinationstherapie. Die heftet zunächst gewissermaßen zusätzliche molekulare „Zielscheiben“ an die Tumore und ihre Metastasen an und schickt dann radioaktive „Lutetium-177“ auf den Weg, die dann die Krebszellen zerstrahlen. Auch die Rückfallquote nach solch einer Behandlung hoffen die Forscher durch zusätzliche Erbgut-Eingriffe letztlich deutlich senken zu können. Das geht aus einer HZDR-Mitteilung hervor.

Nur einer von 100.000 Menschen erkrankt an einem Phäochromozytom

In der Zellschale im Labor und an Versuchsmodellen funktioniert das neue Verfahren bereits und zielt dabei auf eine Krebserkrankung, die so selten ist, dass sich für die Pharmabranche teure Entwicklungsprojekte kaum lohnen. Denn von 100.000 Menschen erkrankt nur einer an einem Phäochromozytom, einem Tumor der Nebenniere. „Wir sehen hier die öffentlich geförderte Forschung in der Pflicht“, betont Prof. Jens Pietzsch vom HZDR-Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung.

Lutetium-177 zerstrahlt Krebszellen mit Elektronen

Konkret haben er und seine Kollegen folgendes ausgetüftelt: Sie geben krebskranken Mäusen das Epilepsie-Medikament Valproinsäure oder das Leukämie-Präparat Decitabin. Die erzeugen als Nebeneffekt spezielle Zielscheiben-Moleküle, sogenannte Somatostatin-Typ-2-Rezeptors. Auf die wiederum ist das Radionuklid „Lutetium-177-Dotatate“ geeicht. Dieser Beta-Strahler heftet sich an die Zielscheibe auf der Krebszelle und setzt dabei Elektronen sowie Gammastrahlen frei. Die Elektronen zerstören die Metastasen, die Gammastrahlung wiederum lässt sich zur Behandlungskontrolle mit „Einzelphoton-Emissionscomputertomographen“ (Spect) messen. Das Resultat bei den Tierversuchen: Die Strahlendosis, die auf den Tumor wirkte, hat sich verdoppelt.

Nun beginnt die Suche nach dem Rückfall-Gen

Im nächsten Schritt wollen die Forscher nun auch jene Gene identifizieren, die bei manchen Phäochromozytom-Patienten nach einer Strahlentherapie zu einem Rückfall führen. „Wir betreten Neuland“, betont Prof. Pietzsch. „Nun brauchen wir noch ein glückliches Händchen, um das richtige Gen herauszufischen.“ Er plant letztlich eine Drei-Schritt-Behandlung: Erst das Zielscheiben-Präparat geben, dann das Lutetium-177 – und letztlich ein Wirkstoff, der das Gen ausschaltet, der solche Tumore immer wieder wachsen lässt.

Wissenschaftliche Publikationen:

M. Ullrich, S. Richter, J. Liers, S. Drukewitz, M. Friedemann, J. Kotzerke, C. G. Ziegler, S. Nölting, K. Kopka, J. Pietzsch: „Epigenetic drugs in somatostatin type 2 receptor radionuclide theranostics and radiation transcriptomics in mouse pheochromocytoma models“. Theranostics, 2023 (DOI: 10.7150/thno.77918), hier im Netz zu finden: https://www.thno.org/v13p0278.htm

S. Nölting, M. Ullrich, J. Pietzsch, C. G. Ziegler, G. Eisenhofer, A. Grossman, K. Pacak: „Current Management of Pheochromocytoma/Paraganglioma: A Guide for the Practicing Clinician in the Era of Precision Medicine”. Cancers, 2019 (DOI: 10.3390/cancers11101505), hier im Netz zu finden: https://www.mdpi.com/2072-6694/11/10/1505

Quelle: HZDR

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt