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Autos künftig zerlegen statt verschrotten

Fraunhofer will auch ganze Karosseriebauteile wiederverwerten lassen. Eine KI soll all die Einzelteile eines ausrangierten Autos dafür zunächst taxieren.  Grafik: Fraunhofer-IWU

Fraunhofer will ganze Karosseriebauteile mit Roboterhilfe zerlegen und wiederverwerten lassen. Eine KI soll all die Einzelteile eines ausrangierten Autos dafür zunächst taxieren. Grafik: Fraunhofer-IWU

Fraunhofer Chemnitz arbeiten an KI-gestützten Demontage-Fabriken

Chemnitz, 2. Januar 2022. Wenn ein Elektroauto den Geist aufgibt, droht ihm normalerweise als wirtschaftlicher Totalschaden die Müllhalde, obwohl viele Einzelteile eigentlich noch funktionieren. Diese ökologisch unhaltbare Perspektive wollen sächsische Fraunhofer-Ingenieure nun im Zuge des Projektes „Effiziente und wirtschaftliche kreislauforientierte Demontage und Aufbereitung“ (Ekoda) ändern: Statt das Fahrzeug zu verschrotten, ins Ausland abzuschieben oder bestenfalls den Stahl wieder einzuschmelzen, soll es künftig in der automatischen Demontage landen. Das hat das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) aus Chemnitz angekündigt.

„Wir wollen das klassische Recycling ablösen“

„Entscheidend ist dabei eine sorgfältige, standardisierte und automatisierte Demontage der Einzelteile, die frühzeitig auf die mögliche Weiterverwendung der Komponenten zielt“, betont IWU-Experte Dr. Uwe Frieß. Und dabei steht ausdrücklich nicht die stoffliche Wiederverwertung als Stahl, Lithium oder Plaste im Fokus, sondern eine neue Verwertung als komplettes Teil. „Wir wollen das klassische Recycling ablösen und betrachten jede Komponente eines Automobils als wertvolle Ressource – und zwar ganz unabhängig von ihrem aktuellen Einsatz in einem Auto.“

Vision: Roboter holen alle funktionierenden Einzelteile aus dem Schrottauto

Die Vision der Forscher: Stromer wie auch Verbrenner kommen an ihrem „natürlichen“ oder abrupten „Lebensende“ in eine Verwertungs-Fabrik. Dort nehmen Roboter das Auto Stück für Stück auseinander, während eine Künstliche Intelligenz (KI) den Zustand und Restwert von Zahnrädern, Karosserie-Teilen, Akkus, Antriebswellen und anderen Komponenten einschätzt. Wenn eine Werkstatt in der Nachbarschaft eben solch ein Ersatzteil braucht, wird es fachgerecht aufbereitet. Auch soll die KI über Datenbanken abfragen, ob beispielsweise ein Elektroroller-Hersteller ein ganz ähnliches, nur kleineres Zahnrad oder eine Welle braucht. Dann fräsen und drehen andere Automaten das gefundene Ersatzteil entsprechend zurecht.

Die Module eines Batteriespeichersystems. Die Demontage und die Analyse von Parametern wie Leistung, Ladezustand und Funktionstüchtigkeit der Batterie durch das Bewertungssystem gehören zu den Kernaufgaben des Projekts Ekoda. Grafik: Fraunhofer IWU

Die Module eines Batteriespeichersystems. Die Demontage und die Analyse von Parametern wie Leistung, Ladezustand und Funktionstüchtigkeit der Batterie durch das Bewertungssystem gehören zu den Kernaufgaben des Projekts Ekoda. Grafik: Fraunhofer IWU

Zweites Leben für den Akku

Weiteres Beispiel: Selbst wenn der Haupt-Akku nicht mehr fürs Elektroauto taugt, kann er regeneriert werden. Und dann kann er noch ein „zweites Leben“ als stationärer Solarenergiespeicher im Eigenheim beziehungsweise als Akku im Roller oder Traktor führen.

Ganze Bauteile wiederverwerten, statt sie immer neu zu produzieren

Das Konzept soll der Autoindustrie helfen, eine echte Kreislaufwirtschaft aufzubauen, wertvolle Ressourcen und vor allem komplette Bauteile zurückzugewinnen, statt sie immer wieder neu zu produzieren. Auch kann das Verfahren Energie und Kraftstoff sparen, wenn dadurch beispielsweise weniger Schrott eingeschmolzen werden oder Altautos eben nicht mehr nach Afrika verkauft werden. Und die Abstimmung zwischen Demontage-Fabriken und Wiederverwertung könnte neue Geschäftsmodelle für die Zulieferindustrie eröffnen, die künftig den nachhaltigen Einsatz aller Komponenten organisieren könnten, meinen die IWU-Ingenieure.

Neben dem sächsischen IWU beteiligt sich auch das das bayrische „Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik“ (Umsicht) am Edoka-Projekt. Die Umsichtler entwickeln dafür „zirkuläre Geschäftsmodelle, die in vielen Branchen sinnvoll implementiert werden können“, heißt es in der Mitteilung.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: IWU

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt