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Wie Sachsens Silber deutsche Geldpolitik mitprägte

Schmetterlingstaler von König August II. der Starke aus dem Jahr 1708, wohl Münzstätte Dresden oder Leipzig, Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Schmetterlingstaler von König August II. der Starke aus dem Jahr 1708, wohl Münzstätte Dresden oder Leipzig, Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Buch über sächsische Zahlungsmittel skizziert Vorreiterrolle des Landes seit dem Mittelalter

Sachsen spielte in der deutschen Geldpolitik seit dem Mittelalter oft eine Vorreiterrolle. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch das Silber aus dem Erzgebirge, aber auch durch besondere Handwerkskunst, die sächsische Münzen auch außerhalb der Landesgrenzen begehrt machten, und die kurfürstliche Finanzpolitik, der Währungsstabilität als Staatsräson galt. Dass es dann ausgerechnet die Preußen waren, die diese geldpolitische Grundsätze auch in Sachsen aushöhlten, trug sicher zu den bis heute andauernden Animositäten zwischen Dresden und Berlin bei. Wie es dazu kam, schildert der nun erschienene und reich bebilderte Band „Sachsens Silber, Gold und Geld“.

Volksmund verspottete entwertete Münzen als „Ephraimiten“

„Es gibt zwar unzählige Plagen, von denen Königreiche und Gemeinwesen heimgesucht werden, doch die schlimmsten sind nach meiner Meinung folgende vier: Krieg, Pest, Hungersnot und Münzentwertung.“

Nikolaus Kopernikus, Astronom, Arzt, Domherr des Fürstbistums Ermland und Finanzberater im Jahr 1526

Als 1756 die preußische Armee in Sachsen einmarschierte, verheerte sie nicht nur das Land, sondern brachte auch die Plage der Münzentwertung mit. Denn um seinen Krieg zu finanzieren, entwertete König Friedrich II. von Preußen systematisch die ausgegebenen Münzen. Das konnte er umso leichter bewerkstelligen, da der Preußenkönig mit der Besetzung Sachsens dessen Silber und Münzstätten in die Hand bekommen hatte. Zuhauf wurden mit sächsischen Stempeln Millionen von scheinbar „sächsischen“ Münzen produziert – und zwar von einem Konsortium des jüdischen Finanzgenies Veitel Ephraim. Das führte dazu, dass die massenhaft und minderwertig geschlagenen Dritteltaler mit sächsischem Gepräge als „Ephraimiten“ bezeichnet wurden und der Volksmund spottete: „Von außen schön, von innen schlimm, von außen Friedrich, von innen Ephraim“. Zunächst war mit Friedrich der dargestellte Friedrich August II. von Sachsen-Polen gemeint, zunehmend aber auch Friedrich II. von Preußen.

Preußen führten kursächsisches Finanzsystem nahe an den Zusammenbruch

Die Münzverfälschungen brachten – zusammen mit den seit der Besetzung Kursachsens fälligen Kontributionszahlungen – „das kursächsische Finanzsystem nahezu vollständig zum Zusammenbruch“, schreibt Mirko Schöder in seiner Studie „Sachsens geldpolitischer Weg in die Gemeinschaftswährung des Deutschen Reiches“, der in einem von Johannes Beermann für die Deutsche Bundesbank herausgegebenen Band mit dem Titel „Sachsens Silber, Gold und Geld“ nachzulesen ist. Die Darstellung basiert vor allem auf der Sammlung der Bundesbank, die es sich seit der deutschen Teilung zur Aufgabe gemacht hatte, historische Münzen aus deutschen Gebieten zu sammeln, die ab 1945 hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Wo diese Bundesbank-Sammlung Lücken hatte und hat, haben die Autoren aber auch die Bestände des Münzkabinetts im Dresdner Schloss herangezogen.

Notgeld der Stadt Annaberg aus dem Jahr 1923 mit einem Bildnis des berühmten Sohnes des Stadt, rechenmeister Adam Ries. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Notgeld der Stadt Annaberg aus dem Jahr 1923 mit einem Bildnis des berühmten Sohnes des Stadt, rechenmeister Adam Ries. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Notgeld als Spiegel regionaler Kultur

Opulent bebildert, wird in dem Band vor Augen geführt, wie sich das Geld in Sachsen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert entwickelte, als letztmals eigene sächsische Zahlungsmittel entstanden. Die Anfänge der Münzprägung in der Markgrafschaft Meißen werden ebenso erhellt wie Sachsens geldpolitischer Weg in die Gemeinschaftswährung des Deutschen Reiches. Den Schlusspunkt setzt ein Abschnitt zu sächsischem Notgeld „als Spiegel regionaler Kultur“.

Golddukat mit einem Bildnis von Kurfürst Friedrich August II. aus dem Jahr 1756. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Golddukat mit einem Bildnis von Kurfürst Friedrich August II. aus dem Jahr 1756. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Gold allein reicht nicht für nachhaltigen Wohlstand

Das Buch ist, da ist dem Herausgeber Johannes Beermann absolut zuzustimmen, nicht nur für Numismatiker und Geldhistoriker interessant. Denn die Aufsätze darin fassen einen wichtigen Teil der sächsischen Landesgeschichte zusammen und zeigen, dass Sachsen über Jahrhunderte hinweg Vorreiter auf dem Gebiet der stabilen Währung war. Zwar führt der Besitz von Edelmetall nicht notwendigerweise zu Reichtum eines Landes, wie die Staatsbankrotte Spaniens zeigen, das sich sein Silber aus den Minen Süd- und Mittelamerikas holte. Aber gepaart mit einer klugen und nachhaltigen Finanzpolitik mögen Gold und Silber sehr wohl zu Wohlstand über Jahrhunderte hinweg führen – in dieser Hinsicht konnte sich die Politik Sachsens die größte Zeit absolut sehen lassen. Man war oft wegweisend unter den deutschen Ländern. Sächsische Münzen prägten jahrhundertelang das deutsche Geldwesen aufgrund ihres stabilen Werts und ihrer künstlerischen Schönheit.

Gilt aus erste Banknote in deutschen Landen: Sächsisches Kassenbillett über 10 Reichstaler aus dem Jahr 1772. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Gilt aus erste Banknote in deutschen Landen: Sächsisches Kassenbillett über 10 Reichstaler aus dem Jahr 1772. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Vorreiter auch beim Papiergeld

Auch führt Sachsen als erstes deutsches Fürstentum Papiergeld ein und nahm insofern auch hier wieder eine Vorreiterrolle ein. Einen Reformstau ließ man so gut wie nie zu: Als Münzen mal an Qualität eingebüßt hatten, erließ man 1474 eine neue Münzordnung und prägte aus dem erst kurz zuvor in Schneeberg entdeckten Silbervorkommen sogenannte Spitzgroschen, so genannt wegen der spitzen Dreipass-Ornamente auf der Rückseite.

Spitz-Groschen deckten Bedarf an solidem Kleingeld

Mit der Einführung der Spitzgroschen und später der Zinsgroschen schufen die sächsischen Herrscher eine neue und stabile Währung. Und sie legten damit „den Grundstein für die weitere monetäre Entwicklung Sachsens bis zur Talerwährung, indem sie zuerst den Bedarf an solidem Kleingeld im Land ausreichend deckten“, schreibt Jan-Erik Becker in seinem Beitrag über Sachsens Geld und das mittelalterliche Münzwesen. In seinem Aufsatz stehen nicht zuletzt Brakteaten im Fokus – eine seinerzeit neue Münzform in Gestalt einseitig geprägter Pfennige aus dünnem Silberblech. Die entstanden um 1120 im östlichen Mitteldeutschland zwischen Saale und Elbe und verbreiteten sich dann binnen weniger Jahrzehnte über weite Teile des Heiligen Römischen Reiches und darüber hinaus.

Dieser Brakteat entstand zwischen 1130 und 1150 und verweist auf Markgraf Konrad von Meißen als Münzherren. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Dieser Brakteat entstand zwischen 1130 und 1150 und verweist auf Markgraf Konrad von Meißen als Münzherren. Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Auf Brakteaten verewigten sich gern die Münzherren

Auf der geprägten Seite dieser Brakteaten war oft der Münzherr dargestellt, gern in typischen Kleidungsstücken und den dazugehörigen Herrschaftszeichen. Die Markgrafen von Meißen und die askanischen Herzöge von Sachsen als die (damals) wichtigsten Vertreter der weltlichen Fürsten sind sowohl stehend in Ritterrüstung als auch sitzend mit Schwer, Schild, Lanze und Lehensfahne wiedergegeben. Ob Markgraf oder Herzog, Burgvogt oder Bischof, sie alle ließen sich gern in persona auf einer Münze verewigen, es galt wohl, schon einst einst Ostgotenkönig Theoderich (493-526) seinen obersten Finanzbeamten anwies, nämlich: „… montamque facis de nostris temporibus futura saecula commonere“, also: „Münzen lässt Du schlagen, damit sie künftigen Jahrhunderten von unseren Zeiten Nachricht geben“.

„Gusskönige“ aus Freiberger Silber gern für Großzahlungen verwendet

Aber nicht nur mit geprägten Münzen punkteten Sachsens Landesherren. Zahlreiche Urkunden belegen, dass im Hochmittelalter das in Freiberg geförderte Silber neben anderen anderen regionalen Silberarten wie dem Stendaler oder Altenburger Silber für verschiedene Großzahlungen in Form von Barren – sogenannte Gusskuchen oder Gusskönige – verwendet wurde. Allein für das Bistum Naumburg-Zeitz liegen für den Zeitraum zwischen 1284 und 1352 an die 30 urkundliche Nachweise für die Verwendung Freiberger Silbers bei unterschiedlichen Zahlungsvorgängen vor.

Beispiel für die handwerklich anspruchsvollen Prägungen aus Sachsen: Silber-Medaille zu acht Taler zum Bau des Aquädukts für die St.-Anna-Grube, 1690, Prägestätte Dresden, Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Beispiel für die handwerklich anspruchsvollen Prägungen aus Sachsen: Silber-Medaille zu acht Taler zum Bau des Aquädukts für die St.-Anna-Grube, 1690, Prägestätte Dresden, Quelle: Deutsche Bundesbank, Repro (hw) aus: „Sachsens Silber, Gold und Geld“

Münzstätte von Freiberg nach Dresden verlegt

„So oft man das Geld verschlechtert, ist die unaufhaltsame Schädigung des armen Mannes die verderbliche Folge“

Aus einer albertinischen Schrift im sächsischen Münzstreit

Der Band berichtet aber auch über den „sächsischen Münzstreit“, der 1530 bis 1533 währte und auch öffentlich in gedruckten Streitschriften ausgetragen wurde. Er beendete mehr oder minder die gemeinsame Prägung von Münzen der Ernestiner und Albertiner. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die kursächsische Münzpolitik oft im Gegensatz zur Münzpolitik des Reiches stand, die stark von den Interessen der Habsburger geprägt war. Der Reichsmünzordnung von Esslingen aus dem Jahr 1524 trat Sachsen nicht bei, weil Silber darin im Verhältnis zu Gold unterbewertet war. Man vertrat – auch im Gegensatz zu den Ernestinern – eine Politik des hochwertigen Silbergeldes. In einer Flugschrift ließ man die Mitwelt wissen: „So oft man das Geld verschlechtert, ist die unaufhaltsame Schädigung des armen Mannes die verderbliche Folge.“ Kurfürst August war auch so frei, den Verdruss der Freiberger Bürgerschaft in Kauf nehmend, die Münzstätte von Freiberg nach Dresden zu verlegen, denn die sei „von unserem wesentlichen Hoflager dermaßen entlegen, dass wir so oft nicht dort sind und Ergötzlichkeit am Münzwerk nicht so gut wie hier haben mögen.“ Der Kurfürst verstand die Übertragung der Münzstätte nicht zuletzt als ein wesentliches Element im Rahmen der Residenzbildung in Dresden, das denn auch bis ins Jahr 1886 Hauptmünzstätte Sachsens blieb.

Eisenbahn-Gesellschaft durfte eigenes Geld ausgeben

Auch während der industriellen Revolution schrieb Sachsen immer wieder Geldgeschichte, wie das Beispiel der 1835 gegründeten Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie zeigt. Die stand beim Bau der ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden vor enormen Finanzierungsprobleme. Also wurde die Gesellschaft von der sächsischen Regierung nicht nur die Ausgabe von Aktien und Anleihen gestattet, sondern auch von eigenem Papiergeld – „ein in der deutschen Geldgeschichte beinahe singuläres Ereignis“, konstatiert Frank Metasch in seinem ungemein informativen Beitrag über staatliches Papiergeld und private Notenbanken in Sachsen.

Umschlag von „Sachsens Silber, Gold und Geld“. Abb.: Hirmerverlag

Umschlag von „Sachsens Silber, Gold und Geld“. Abb.: Hirmerverlag

Kurzüberblick:

  • Buchtitel: „Sachsens Silber, Gold und Geld“. Sächsische Zahlungsmittel in der Sammlung der Deutschen Bundesbank“
  • Herausgeber: Johannes Beermann für die Deutsche Bundesbank
  • Verlag: Hirmer-Verlag
  • Umfang: 176 Seiten, 100 Abbildungen in Farbe
  • Preis: 24,90 Euro
  • Eine Leseprobe gibt es hier

Autor der Rezension: Christian Ruf

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Bücherkiste, zAufi

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[caption id="attachment_175986" align="aligncenter" width="499"]Christian Ruf. Foto: hw Christian Ruf. Foto: hw[/caption]

Über Christian Ruf:

Christian Ruf wurde 1963 in München geboren und hat Geschichte sowie Politologie in München und Bonn studiert. Bereits vor dem Mauerfall reiste er mehrmals in die DDR, nach Polen und in die Sowjetunion. Nach der Wende zog er nach Sachsen um. Heute ist er als freier Journalist mit den Schwerpunkten Kultur und Geschichte in Dresden tätig, wenn er nicht gerade in anderen Ecken der Welt unterwegs ist.