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Nussknacker Wilhelm startet mit Formgedächtnis-Rakete

Kunsthandwerker Markus Füchtner (links) und Holger Kunze (Fraunhofer IWU) mit der innovativen Räucherrakete aus Seiffen. Foto: Fraunhofer-IWU

Kunsthandwerker Markus Füchtner (links) und Holger Kunze (Fraunhofer IWU) mit der innovativen Räucherrakete aus Seiffen. Foto: Fraunhofer-IWU

Erzgebirgs-Schnitzerei trifft in Sachsen auf Fraunhofer-Hightech

Dresden/Seiffen/Erdorbit, 12. Dezember 2022. Inspiriert von Raumfahrt-Technologien haben der erzgebirgische Kunsthandwerker Markus Füchtner und der Dresdner Fraunhofer-Ingenieur Holger Kunze einen neuartigen Hightech-Nußknacker entwickelt: Die hölzerne Soldat schaut aus einer Weltraumrakete heraus, wenn man unterm Anrieb eine Räucherkerze anzündet. Möglich machen dies Formgedächtnis-Metalle, die auf die Kerzenhitze reagieren und die Raketenspitze öffnen. Das geht aus einer Mitteilung der Dresdner Außenstelle des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) hervor.

1. Nussknacker im All

Ausgangspunkt für die gemeinsame Produktentwicklung von Kunsthandwerkern und Ingenieuren war der Nussknacker Wilhelm. Den hatte Markus Füchtner geschnitzt und nach seinem Ur-Ur-Ur-Großvater benannt. Dann schickte er seinen hölzernen Wilhelm auf Weltreise. Vermittelt durch den Raumfahrtexperten Tasillo Römisch aus Mittweida flog Wilhelm schließlich mit dem deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer in den Erdorbit zur Internationalen Raumstation ISS. Im Dezember 2021 wurde er so zum ersten Nußknacker im Weltall.

Auf der Suche nach neuen Werkstoffen für Kunsthandwerk

Derweil schmiedete das Seiffener Kreativzentrum „Denkstatt Erzgebirge“ um Wolfgang Braun Kontakte zu Holger Kunzes Forschungsgruppe für symbiotische Mechatronik am IWU Dresden. Dort tüftelten Andreas Erben, Kenny Pagel und Holger Kunze an neuen Materialien für die Volkskunst im Erzgebirge. Die Seiffener und die Dresdner taten sich schließlich zusammen und schufen für eine kleinere Ausgabe von Wilhelm die besagte Rakete aus Holz und Hochtechnologie.

Metall-Verbindung „merkt“ sich frühere Formen

Damit sich die Raketenspitze öffnet und dem Nussknacker den Blick nach draußen ermöglicht, setzten die Entwickler Legierungen ein, die sich an früheren Formen „erinnern“ können, die sie schon einmal eingenommen haben. Das kann zum Beispiel ein Draht sein, der sich unter Hitze wie eine Feder zusammenzieht und bei Kälte wieder begradigt. Bei der Nussknacker-Wilhelm-Rakete löst der warme Rauch der Räucherkerze diesen Morph-Prozess aus.

Raketen-Wilhelm ist nicht ganz billig

Ein Hingucker ist das neue erzgebirgische Mitbringsel auf jeden Fall – ganz billig ist es allerdings auch nicht: Je nach Farbversion kostet „Wilhelms Räucherrakete“ zwischen 235 und 285 Euro. Zudem ist sie derzeit in Praxis auch noch nicht lieferbar, wie dem Internetladen von Füchtners Familienbetrieb (Stand: 12.12.2022) zu entnehmen ist.

Formgedächtnis-Legierungen auch für Autos und Thrombosestrümpfe interessant

Raumfahrende Nussknacker sind übrigens nicht die einzigen Anwendungen für Formgedächtnislegierungen: In Autos können sie zum Beispiel je nach Motor- oder Außentemperatur Lüfterklappen öffnen oder schließen. „In der Medizintechnik könnten Thrombosestrümpfe so gestaltet werden, dass das Textil im Ausgangszustand dehnbar ist, um das Anziehen zu erleichtern und erst durch die Körperwärme seine Kompressionsform annimmt“, heißt es vom IWU. „Bei Sonnenrollos könnte allein die Sonneneinstrahlung das Verschatten steuern – ganz ohne elektrische Energie.“

Autor: hw

Quellen: Fraunhofer IWU und Füchtner Seiffen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt