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Akkurecycling-Expertin aus Freiberg mit EIT-Preis ausgezeichnet

Die Kohlenstoffverbindung Graphit ist allgegenwärtig: in "Bleistiften", die längst kein Blei mehr enthalten, auf Akku-Elektroden, in Kernreaktoren und anderswo. Europa kann seinen Bedarf an diesem scheinbaren Bagatell-Rohstoff nicht selbst decken - ein Grund mehr neben den ökologischen Erwägungen, das Akku-Recycling zu verbessern. Grafik (KI-generiert): Dall-E

Die Kohlenstoffverbindung Graphit ist allgegenwärtig: in „Bleistiften“, die längst kein Blei mehr enthalten, auf Akku-Elektroden, in Kernreaktoren und anderswo. Europa kann seinen Bedarf an diesem scheinbaren Bagatell-Rohstoff nicht selbst decken – ein Grund mehr neben den ökologischen Erwägungen, das Akku-Recycling zu verbessern. Grafik (KI-generiert): Dall-E

Anna Vanderbruggen mahlt und verschäumt alte Energiespeicher, um ihnen das Graphit zu entlocken

Freiberg, 16. Oktober 2022. Europa wird als Nebeneffekt seiner geplanten Energie- und Verkehrswende immer mehr von Graphit-Importen abhängig. Bis 2040 wird sich der Bedarf allein an natürlichem Graphit laut „Syrah Resources“ auf über zehn Millionen Tonnen verzehnfachen – und den größten Teil davon beziehen die Europäer von auswärts. Ein Treiber dafür ist der Umstieg von Verbrennern auf Stromer, denn die Kohlenstoff-Kristalle machen – neben Lithium, Kobalt und weiteren Stoffen – etwa 15 bis 25 Prozent vom Gesamtgewicht heutiger Lithium-Ionen-Akkumulatoren für Elektroautos aus. Um diese steigende Importabhängigkeit zu mindern, das Wachstum der Müllberge zu begrenzen und die Umwelt zu entlasten, hat die Geologin Anna Vanderbruggen vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Graphit aus Alt-Akkus herausschäumen und zurückgewinnen lässt. Für ihre Doktorarbeit, in der sie diese Methode vorstellt, hat das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) die Forscherin nun mit einem „Change Award“ ausgezeichnet. Das hat das HIF-Mutterinstitut, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR, mitgeteilt.

Forscherin Anna Vanderbruggen (rechts) mit Vizepräsidentin Eva Kaili vom Europäischen Parlament bei der Preisverleihung des "EIT Change Awards" in Brüssel. Foto: EIT/Gregory de Leeuw, photographer for David Plas Photography

Forscherin Anna Vanderbruggen (rechts) mit Vizepräsidentin Eva Kaili vom Europäischen Parlament bei der Preisverleihung des „EIT Change Awards“ in Brüssel. Foto: EIT/Gregory de Leeuw, photographer for David Plas Photography

Bis zu 70 % der Akku-Materialien nun rückgewinnbar

„Mein Ansatz nutzt die in der Rohstoffindustrie bewährte Methode der Schaumflotation, um Graphit zu recyceln“, erklärt Anna Vanderbruggen. „Durch die Rückgewinnung des Graphits zusätzlich zu den 50 % der Metalle, die bereits jetzt zurückgewonnen werden, können die Recycler die ab 2030 gültige EU-Anforderung von 70 % Materialrecycling erfüllen.“ Das Ziel sei eine zirkuläre Batterielieferkette, die dazu beiträgt, den „ökologischen Fußabdruck“ der Batterieproduktion und die Abhängigkeit von Rohstoffimporten aus Ländern außerhalb der EU zu verringern.

Anna Vanderbruggen vom HIF Freiberg mit einem Akku und einer Probe aus zunächst grob zerkleinerten Altakku-Resten, aus denen sie das Graphit herausschäumen will. Foto: HZDR/HIF

Anna Vanderbruggen vom HIF Freiberg mit einem Akku und einer Probe aus zunächst grob zerkleinerten Altakku-Resten, aus denen sie das Graphit herausschäumen will. Foto: HZDR/HIF

Schaumflotation: Zerkleinern, mit Luftblasen hochholen und als Schaum abschöpfen

Konkret setzt Anna Vanderbruggen dabei auf die sogenannte Schaumflotation. Dieses Verfahren ist zwar schon seit über 100 Jahren im Bergbau im Einsatz, wurde bisher aber eben noch nicht für das Recycling von Akkus eingesetzt. Dafür mahlen spezielle Mühlen die Alt-Akkus zunächst zu feinem Staub und der dann in Wasser gelöst. In diese Suspension leiten die Anlagen dann Luft sowie sogenannte Kollektor-Tenside ein – eine Art seleketive Seife, die das Graphit im Staub wasserscheu macht und dazu bringt, sich an die Luftblasen zu heften und mit ihnen an die Oberfläche aufzusteigen. So sammelt sich Graphitschaum auf dem Wasser, der sich dann abschöpfen und aufbereiten lässt.

Videopräsentation von Anna
Vanderbrueggen (Quelle: EIT):

China dominiert Graphitmarkt

Graphit wird heute unter anderem aus Erdöl, Erdgas, Stein- oder Braunkohle gewonnen, ist insofern ein Material, das ohnehin in hohem Maße von fossilen Rohstoffen abhängig ist. Der aus sechseckigen Kohlenstoff-Molekülen bestehende Stoff wird aber auch in Bergwerken abgebaut. Hauptproduzent ist in diesem Sektor China, gefolgt von Brasilien, Madagaskar und Nordkorea. Laut der Deutschen Rohstoffagentur wurden 2019 weltweit 1,67 Millionen Tonnen natürlicher Graphit gefördert und 2018 – neue Zahlen lagen noch nicht vor – wurden 1,57 Millionen Tonnen synthetischer Graphit hergestellt.

Ifo sieht „dringenden Handlungsbedarf“

Bereits in der Vergangenheit hatten Wirtschaftsforscher und Analysten davor gewarnt, sich bei wichtigen Schlüssel-Materialien zu stark von Importen aus dem außereuropäischen Raum abhängig zu machen. Bei vielen Schlüsseltechnologien wie Batterietechnik, Robotik und Erneuerbaren Energien sei Deutschland von importierten Rohstoffen abhängig, oftmals von einzelnen Lieferländern wie China, warnte beispielsweise das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo aus München kürzlich in einer Studie. „Dringender Handlungsbedarf für krisensichere Lieferketten besteht bei neun kritischen Mineralien, das sind Kobalt, Bor, Silizium, Graphit, Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden und Titan“, erklärte Lisandra Flach, die das Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft leitet. Hier sind mehr Bezugs­quellen nötig, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen.“

Rohstoffagentur warnt vor wachsen Lieferketten-Risiken

Und die Deutsche Rohstoffagentur warnte in einer Risikoanalyse aus dem Jahr 2021: „Der Export von Anodenmaterialien aus China unterliegt zudem einer staatlichen Genehmigungspflicht, woraus sich potenzielle Versorgungs- und Lieferrisiken für europäische Zellhersteller ergeben.“ Alles gut Gründe für die deutsche und europäische Wirtschaft also, die Recyclingquoten zu erhöhen, um sich etwas unabhängiger von Importen zu machen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: HZDR, Deutsche Rohstoffagentur, Ifo, TUD, Oiger-Archiv, Wikipedia

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt