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Sandstrahlen mit Licht

Das Fraunhofer IWS setzt statt der Sandkörner energiereiches Licht ein, um zu reinigen und aufzurauen – zum Beispiel die Oberfläche von Bremsscheiben. Foto: René Jungnickel für das Fraunhofer IWS

Das Fraunhofer IWS setzt statt der Sandkörner energiereiches Licht ein, um Bauteile zu reinigen und aufzurauen – zum Beispiel die Oberfläche von Bremsscheiben. Foto: René Jungnickel für das Fraunhofer IWS

Fraunhofer-Strahlinstitut IWS Dresden entwickelt umwelt- und arbeitsschutzfreundlichere Abschmirgel-Technik mit Lasern

Dresden, 22. September 2022. Um Bremsscheiben, Chipfabrik-Anlagen und viele Bauteile künftig schonender, mit weniger Ressourcen und besserem Arbeitsschutz aufrauen und reinigen zu können, hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden nun Laserstrahler entwickelt, die in vielen Sektoren die klassischen Sandstrahler ersetzen könnten. Ihre „Lightblast“-Technologie sei präziser, günstiger und umweltschonender, betonen die Forscher. Auch der Energiebedarf pro abgestrahltem Bauteil sei niedriger, schätzt Dr. Patrick Herwig ein, der am Institut die Gruppe Laserschneiden leitet. Erste Kunden kommen aus dem Automobilbau und der Halbleiterfertigung.

Preiswerte und präzisere Alternative

Die IWS-Experten sehen ein erhebliches ökologisches und ökonomisches Potenzial für ihre Lichtabstrahl-Methode: „Das ist wie Sandstrahlen mit Lichtgeschwindigkeit“, meint Patrick Herwig. „Wir ermöglichen es damit der Industrie, Anlagen und Bauteile schneller, umweltfreundlicher und sauberer als bisher zu bearbeiten. Außerdem ist unser Verfahren im Serieneinsatz preiswerter als das klassische Sandstrahlen, wenn man die gesamte Fertigungskette betrachtet. Wir sind uns sicher, dass sich Lasertechnik für die Unternehmen lohnt.“

Die laserbasierten Abstrahler sollen auch den Arbeitsschutz im Vergleich zu Sandstrahlern verbessern. Foto: René Jungnickel für das Fraunhofer IWS

Die laserbasierten Abstrahler sollen auch den Arbeitsschutz im Vergleich zu Sandstrahlern verbessern. Foto: René Jungnickel für das Fraunhofer IWS

Energiereiches Licht ersetzt Sandkörner

Das Marktpotenzial ist erheblich. Denn bisher sind klassische Sandstrahler in viel mehr Branchen im Einsatz, als der Laie gemeinhin annimmt: Sie beseitigen nicht nur ungeliebte Graffiti an Hauswänden oder geben historischen Gebäude alten Glanz zurück. Sie rauen beispielsweise auch Maschinenkomponenten vor der Beschichtung auf, reinigen Anlagen, bereiten Autoteile für die anschließende Lackierung vor und dergleichen mehr. Dabei schleudert ein Druckluftstrahl Sand mit hoher Geschwindigkeit auf die zu bearbeitende Oberfläche. Die scharfkantige Sandpartikel reißen Teile der Oberfläche mit sich, verlieren dabei auch etwas von ihren scharfen Kanten und vermischen sich mit dem entstehenden Staub. Das heißt: Nach jedem Einsatz müssen die Strahlfirmen den Sand chemisch reinigen – solange, bis die Körner zu rund zum Sandstrahlen geschliffen sind und der Sand als Sondermüll entsorgt werden muss. All dies belastet letztlich die Umwelt und verursacht zusätzliche Kosten.

„Mit einem Skalpell statt mit einer Keule“

Das Fraunhofer IWS dagegen setzt statt der Sandkörner energiereiches Licht ein, um zu reinigen und aufzurauen. Staub entsteht dabei nicht: Der Laserstrahl verdampft Teile der Oberfläche, der Dampf dehnt sich aus und reißt dabei die verschmutzten Schichten mit sich. Zudem arbeitet das System deutlich präziser als ein Sandstrahler – bis auf 30 Mikrometer (also Tausendstel Millimeter) genau. Zum Vergleich: Sandstrahler haben oft Strahldurchmesser von einigen Zentimetern. „Wir arbeiten hier gewissermaßen mit einem Skalpell statt mit einer Keule“, erklärt Patrick Herwig. Wie rau die Oberfläche am Ende wird, lasse sich mit der neuen Methode ebenfalls sehr fein justieren.

Software automatisiert den Abstrahlprozess

Entwickelt haben die IWS-Programmierer auch eine eigene Software, die die Laser mit Daten aus dem Computermodell des jeweiligen Bauteils oder Gerätes füttert. Dadurch lasse sich der Prozess auch leichter automatisieren, betont Herwig. Die komme der Qualität, der Prozesskontrolle und dem Arbeitsschutz zugute.

Entlastung für die Umwelt

Abgesehen vom Kosten- und Qualitätsvorteil erhält für viele Industrieanwender die ökologische Bilanz ihrer Fertigungsprozesse ein immer größeres Gewicht. So fallen nicht zuletzt viele Vor- und Nachbereitungsschritte weg: Das Lichtabstrahlen kommt ohne Chemikalien für die Reinigung aus. Die Laser-Strahlanlage bearbeitet nur die gewünschten Flächen, verbraucht dabei weder Sand noch Material zum Abkleben und spart somit Sondermüll sowie Klebebandabfall ein, heißt es vom IWS. Der Laserstrahl verdampft Teile der Oberfläche, der entstehende Dampf reißt die festen Bestandteile mit sich.

Lichtstrahl-Technik soll Bremsscheiben langlebiger machen – und Feinstaub vermeiden

Mehrere Industrieunternehmen wollen das Abstrahlen per Laser nun ausprobieren. Beispielsweise entwickelt das IWS mit dem Automobilzulieferer „C4 Laser Technology“ aus Freital das Verfahren weiter, um Härtungsschichten für Bremsscheiben per Laser zu strukturieren und die Endbearbeitung billiger und umweltverträglicher zu machen. „Jede Bremsscheibe ist anders“, sagt Technikchef René Bischoff von „C4 Laser Technology“. „Faktoren wie die chemische Materialzusammensetzung, Abkühlgeschwindigkeiten, der Zustand der Bearbeitungswerkzeuge oder die oberflächennahe Graphitstruktur sind nur ein paar wenige Parameter, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Beschichtungsprozess von Graugussoberflächen ausüben.“ Zusammen mit Fraunhofer sei es gelungen, viele Bearbeitungsschritte durch die Laser zu verbessern. Das soll die Bremsscheiben haltbarer machen und dafür sorgen, dass durch Abriebeffekte beim Bremsen künftig weniger Feinstaub im Straßenverkehr entsteht.

Auch Chipfabriken wollen das Lichtabstrahlen künftig einsetzen: Sie möchten mit der Lightblast-Technologie die Innenkammern von Produktionsanlagen aufrauen, um sie leichter regelmäßig reinigen zu können.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Fraunhofer-IWS, C4 Laser Technology

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt