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Ein Quell ätherischer Öle in der Adria

Donato Kučić (2. v. l.), der älteste Enkel von Andrija Linardić jr.), und Alessandra Fornasier (Enkelin von Andrija Linardić jr.) enthüllen die Gedenktafel, Jakov Kurtović, Sekretär der Gruppe Magriž (l.), hilft dabei. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

Donato Kučić (2. v. l.), der älteste Enkel von Andrija Linardić jr.), und Alessandra Fornasier (Enkelin von Andrija Linardić jr.) enthüllen die Gedenktafel für die Linardić-Destillerie auf der kroatischen Insel Cres. Jakov Kurtović, Sekretär der Gruppe Magriž (l.), hilft dabei. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

Eine neue Gedenktafel in Martinšćica auf der kroatischen Insel Cres erinnert an den Beginn einer ätherischen Wirtschaftsbeziehung nach Sachsen

Martinšćica, 10. September 2022. Das kleine Dorf Martinšćica (St. Martino di Cherso) auf der nördlichsten Adria-Insel Cres ist auf ganz besondere, gewissermaßen ätherische Weise mit Sachsen verknüpft. Auf der heute zu Kroatien gehörenden Insel entstand nämlich noch zu Zeiten der Habsburgermonarchie mit sächsische Anlagentechnik eine zeitweise wohl florierende Manufaktur für ätherische Öle. Mit einer jüngst eingeweihten Gedenktafel erinnert die Gemeinde an diese Geschichte und zwei Jubiläen, die beide mit dem früheren Dresdner, später dann Heidenauer Unternehmen Volkmar Hänig & Co. zu tun haben.

Kostenanschlag vom 1. Dezember 1902 der Firma Hänig für den ersten, 1903 in Betrieb genommenen Destillierapparat. Quelle: Archiv Ivo Saganic, Repro: M. Bäumel

Kostenanschlag vom 1. Dezember 1902 der Firma Hänig für den ersten, 1903 in Betrieb genommenen Destillierapparat. Quelle: Archiv Ivo Saganic, Repro: M. Bäumel

Volkmar Hänig lieferte Destillier-Apparat an Andrija Linardić

Im Dezember 1902, also vor etwa 120 Jahren, bot die Firma Volkmar Hänig mittels eines Kostenvoranschlags dem adriatischen Manufaktur-Unternehmen des Andrija Linardić senior den Bau und die Lieferung eines Destillier-Apparates an. Das war der Start der Verbindung Martinšćica – Dresden beziehungsweise Sachsen. Linardić sr. und danach dessen Sohn Andrija Linardić jr. produzierten ätherische Öle durch Destillierung verschiedener Pflanzen wie Salbei, Strohblume und weiterer, die in der Region massenhaft natürlich vorkamen. Bereits 1903 wurde dieser von Hänig gelieferte Kupfer-Dampfdestillationsapparat für ätherische Öle inklusive Pumpe in Betrieb genommen.

Innenansicht der Destillerie. Foto: Linardi-Familienarchiv Triest / Katalog

Innenansicht der Destillerie. Foto: Linardi-Familienarchiv Triest / Katalog

Heute ist die Destille eine Gaststätte

Im Jahre 1912 errichtete Andrija Linardić jr. – nach vorheriger Nutzung von Interims-Gebäuden für den Sitz der Destillerie – sein reguläres, größeres Destillerie-Gebäude direkt am Wasser und nahm es in Betrieb; das war vor 110 Jahren. Heutzutage befindet sich in diesem Haus die Gaststätte „Sidro”, natürlich jedem Einwohner, vor allem jedoch den sommerlichen Touristen ein Begriff.

Die Enthüllung der Gedenktafel für die Destillierfabrik von Linardić zog viele Zuschauer an. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

Die Enthüllung der Gedenktafel für die Destillierfabrik von Linardić zog viele Zuschauer an. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

An die beiden 2022er Jubiläen erinnert nun eine Gedenktafel am Restaurant „Sidro“, die am 30. August 2022 im Beisein überregionaler politischer Prominenz, einiger Nachkommen der Familie Linardić sowie einer großen Zahl von Einwohnern und Gästen des Ortes feierlich enthüllt wurde. Dazu wartete der Folkloreverein „Orlec“ mit authentischer Dudelsackmusik und Tänzen auf.

Rasch stellten sich erste Erfolge ein

Diese heutige Würdigung für eine lang zurückliegende Gründung hat auch damit zu tun, dass die unternehmerischen Aktivitäten von Andrija Linardić seinerzeit rasch Früchte trugen. Schon bald nach Produktionsbeginn stellte sich der Erfolg ein. Bereits im Jahre 1906 hatte ätherisches Öl, erzeugt im Unternehmen von Andrija Linardić, den Hauptpreis bei einer Ausstellung in London gewonnen. Das hatte ihm die Türen bei führenden Chemie- und Pharmaunternehmen wie Heine & Co. aus Leipzig, dem zeitweiligen Weltmarktführer der Riechstoffindustrie Schimmel & Co. in Miltitz und der heute noch aktiven Firma der Aroma- und Duftindustrie Curt Georgi geöffnet.

Weltweit erstes Strohblumen-Duftöl auf Cres hergestellt

Im Jahre 1908 hatte die Firma Heine & Co. gefragt, ob Linardić das ätherische Öl auch aus Strohblumen und nicht nur aus Salbei herstellen könnte. Mit Folgen. Linardić wurde der weltweit erste, der das ätherische Öl aus Strohblumen erzeugte. Und jahrelang wurde die gesamte Produktion exklusiv nach Leipzig geliefert.

Werbeinserat der Firma Hänig in Zeitungen. Quelle: Archiv Ivo Saganic, Repro: M. Bäumel

Werbeinserat der Firma Hänig in Zeitungen. Quelle: Archiv Ivo Saganic, Repro: M. Bäumel

Größere Anlagen in Heidenau nachbestellt

Schließlich hat die Destillerie so gut gearbeitet, dass die Firma Volkmar Hänig, seit einiger Zeit in Heidenau bei Dresden ansässig, im Jahre 1925 neue Anlagen – dreimal größere als die frühere – geliefert hat. Nicht unwichtig: Diese ätherischen Öle wurden nicht nur in weitere europäische Länder exportiert, sondern auch in die USA.

Jugoslawische Kommunisten verstaatlichten die Öl-Destillerie

Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die jugoslawische Regierung die Destillerie in Martinšćica verstaatlicht. Linardić und seine Familie sind nach Triest umgezogen. einige Familienmitglieder leben in Triest noch heute.

Bei der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel am Gebäude des Restaurants Sidro (v. l. n. r.): Dalibor Cvitković – Direktor des Tourismusverbandes von Lošinj Mario Mužić – Blasmusiker in des Folklorevereins Orlec aus Orlec Natalina Marelić Tumalium – Präsidentin des Stadtrates von Cres Toni Fučić – Tänzer und Mechaspieler des Folklorevereins Orlec Ana Mužić – Tänzerin des Folklorevereins Orlec Alessandra Fornasier – Enkelin von Andrija Linardić Ivo Saganić – Präsident des Vereins Magriž, Leiter des Andrija Linardić Museums Željka Stašić – Direktorin des Tourismusverbandes Cres Donato Kučić – Andrija Linardićs ältester Enkel Orietta Lussi – Ehefrau von Donato Kučić Tomislav Galić – Vorsitzender des Gemeindevorstandes von Martinšćica Eliana Zec Solina – Schöffin im Stadtrat Cres. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

Bei der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel am Gebäude des Restaurants Sidro (v. l. n. r.):, Dalibor Cvitković – Direktor des Tourismusverbandes von Lošinj, Mario Mužić – Blasmusiker in des Folklorevereins Orlec aus Orlec, Natalina Marelić Tumalium – Präsidentin des Stadtrates von Cres, Toni Fučić – Tänzer und Mechaspieler des Folklorevereins Orlec, Ana Mužić – Tänzerin des Folklorevereins Orlec, Alessandra Fornasier – Enkelin von Andrija Linardić, Ivo Saganić – Präsident des Vereins Magriž, Leiter des Andrija Linardić Museums, Željka Stašić – Direktorin des Tourismusverbandes Cres, Donato Kučić – Andrija Linardićs ältester Enkel, Orietta Lussi – Ehefrau von Donato Kučić, Tomislav Galić – Vorsitzender des Gemeindevorstandes von Martinšćica, Eliana Zec Solina – Schöffin im Stadtrat Cres. Foto: Magrit Dittmann-Soldičić

Film über die Familie Linardić produziert

Einwohner von Martinšćica und Mitglieder der Familie Linardić bewahren unter Leitung von Ivo Saganić, Präsident des Bürgervereins Magriž, das wertvolle Erbe, wollen es lebendig halten. In einem kleinen Kastel aus dem 17. Jahrhundert haben sie einen Museumsraum eingerichtet. Dort gibt es auch einen extra produzierten Film über die Familie Linardić, der auch in deutscher Sprache vorliegt. Die Geschichte dieses verdienstvollen, von der Kvarner Inselwelt nach Deutschland und ganz Europa ausstrahlenden Unternehmens, darunter auch dessen Beziehung zu Firma Volkmar Hänig, fand nun mit der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel einen vorläufigen Abschluss.

Autor: Mathias Bäumel

Quellen: Vor-Ort-Recherche, Archiv-Recherchen

Zum Weiterlesen:

Eine kurze Geschichte der Firma Volkmar Hänig

Salbei-Duft von der Adria für des Kaisers Soldaten

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt