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Gibt es eine Welt jenseits der Box?

Installation „Intelligente Kuscheltiere“ von Bastian Caspari und Levi Stein in der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Installation „Intelligente Kuscheltiere“ von Bastian Caspari und Levi Stein in der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner HTW-Designstudenten setzen sich künstlerisch mit Grenzen und Chancen von „Künstlicher Intelligenz“ auseinander

Dresden, 13. Juni 2022. Wo endet die Welt? Existiert eine letzte Grenze oder gibt es noch etwas dahinter? Die Menschen haben sich diese Fragen schon seit Äonen gestellt. Aber wenn sie die Künstliche Intelligenz (KI) in einem Staubsaugerroboter formuliert, für den die Welt aus Wohnzimmer, Küche und Flut besteht, gewinnt sie eine ganz neue philosophische Dimension. Diesen und ähnlichen Aspekten, die in den aktuellen Diskussionen um die Schlüsseltechnologie (KI) meist zu kurz kommen, haben Design-Studentinnen und -Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden zu Semesterarbeiten inspiriert, die kürzlich im Kunstraum „Geh8“ in Pieschen ausgestellt waren. Unter dem Motto „Outside the Bounding Box“ und angeleitet von den Professoren Florian A. Schmidt und Sebastian Schmieg nähern sie sich in interaktiven Installationen, Retro-Adventure-Videospielen, Texten und Videos aus eher künstlerischer Sicht der Frage, was „Künstliche Intelligenz“ kann, soll, muss – und was sie lieber nicht tun.

In der Ausstellung „Outside the Bounding Box“ in der "Geh8" widmen sich Designstudenten der HTW Dresden den Grenzen und Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz. Im Vordergrund eine "Artificial Jamsession" von Ella Zickerick und Bernadette Geiger. Foto: Heiko Weckbrodt

In der Ausstellung „Outside the Bounding Box“ in der „Geh8“ widmen sich Designstudenten der HTW Dresden den Grenzen und Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz. Im Vordergrund eine „Artificial Jamsession“ von Ella Zickerick und Bernadette Geiger. Foto: Heiko Weckbrodt

Gefangen in der „Bounding Box“

Das Thema leitet sich von einer weitverbreiteten Lerntechnik für Künstliche Intelligenzen ab: „Im Prozess des maschinellen Lernens wird die KI mit umfassenden Datensätzen trainiert, zum Beispiel mit Millionen von Bildern, um sich so ein Modell von der Welt machen zu können“, erklärt das Organisationsteam. „Sogenannte Bounding Boxes umrahmen dabei die von der Maschine erkannten und klassifizierten Objekte im Bild. Was außerhalb der Bounding Box liegt, existiert für die KI quasi nicht.“

Der angekettete Roboter gehört zur Arbeit "„How to tame your Robot“ von Lina Schwarzenberg in der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Der angekettete Roboter gehört zur Arbeit „„How to tame your Robot“ von Lina Schwarzenberg in der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Wovon träumen elektrische Diener, wenn wir nicht hingucken?

Die Studierenden nähern sich aus verschiedenen Blickwinkeln der Frage, was Künstlichen Intelligenzen eigentlich sind und wie sie unsere Gesellschaft verändern. In der Installation „How to tame your Robot“ beispielsweise hat Lina Schwarzenberg ihren Saugroboter angekettet. Der Gefangene steht für die Furcht der Menschen, was in den unscheinbaren Helferlein eigentlich genau vorgeht – und was sie womöglich tun, wenn wir sie allein in der Wohnung lassen.

Im Adventure „Exit Staubi“ gibt der Spieler Textbefehle für einen Haushaltsroboter mit eingebauter KI - ein Exponat der Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Im Adventure „Exit Staubi“ gibt der Spieler Textbefehle für einen Haushaltsroboter mit eingebauter KI – ein Exponat der Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Adventure-Spiel zeigt Weltblase aus der Sicht einer Haushalts-KI

Emily Krause und Lina Schwarzenberg versuchen sich derweil an einem Perspektivwechsel: Ihr Spiel „Exit Staubi“ ist im Stile der ersten textbasierten Heimcomputer-Adventures gehalten. Das interaktive Abenteuer soll Menschen animieren, die Welt aus der Perspektive der KI in einem Haushaltsroboter zu sehen, die immer und immer wieder versucht, die Grenzen ihrer winzigen Realitätsblase zu durchbrechen.

KIs entlarven Fälschungen ihrer Schwestern – doch wie lange noch?

Im Video „Wie aus dem Gesicht geschnitten“ wiederum setzen sich Jessica Lasch, Victoria Itter und Nico Rützel mit „Deep Fakes“ auseinander, also mit KI-Hilfe erzeugten gefälschten Videos, in denen Prominente scheinbar Dinge tun und sagen, die ihren Ruf vollkommen zerstören können. KIs kommen anderseits in der digitalen Forensik zum Einsatz, um eben solche Deep Fakes zu entlarven. Doch womöglich werden auch sie in naher Zukunft daran scheitern, die Machenschaften ihrer „Schwestern“ zu erkennen. Dabei ist die Technologie per se keineswegs von Natur aus „böse“: Sie ermöglicht nicht nur Lug, Trug und grenzwertige Sexphantasien, sondern auch ganz faszinierende Computerspiele und hat erhebliches schöpferisches Potenzial.

Der Künstliche Bruder beobachtet Dich

Auch in vielen Kinderzimmern sind KIs längst schon präsent. Sogenannte „Intelligente Kuscheltiere“ erlangen ihre interaktiven Fähigkeiten teils durch eingebaute Computerchips, teils durch drahtlose Verbindungen in Rechnerwolken, in denen KI-Algorithmen angemessene Reaktionen des Kuscheltiers im Spiel mit Kindern ringen. Nicht erst seit den Berichten über Siri-Boxen, die Unterhaltungen in Wohnzimmern unbemerkt mithören, lassen solche Spielzeuge an Orwellsche Dystopien denken: „Big Brother is watching you!“

In diesem schicken DDR-Sessel nimmt der #Clicktivist von Bernadette Geiger und Ella Zickerick Platz und manipuliert mit KI-Hilfe die öffentliche Meinung. Foto: Heiko Weckbrodt KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

In diesem schicken DDR-Sessel nimmt der #Clicktivist von Bernadette Geiger und Ella Zickerick Platz und manipuliert mit KI-Hilfe die öffentliche Meinung. Foto: Heiko Weckbrodt
KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Wieviel kann die Maschine sehen – und erkennen?

„Die Projekte machen auf ästhetische Weise erfahrbar, was sich außerhalb des für die Maschine Sichtbaren und Klassifizierbaren befindet“, meinen die Studierenden. „Unsere Designperspektive ermöglicht dabei einen besonderen Zugang, da wir gleichermaßen mit den Technologien zusammenarbeiten als auch von ihnen betroffen sind.“ Die Sammlung „Outside the Bounding Box“ sei gewissermaßen eine Einladung, „um gemeinsam über Gegenwart und Zukunftsszenarien mit KI nachzudenken, darüber zu diskutieren und sie aktiv mitzugestalten“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Besuch, HTW DD

Exponat aus der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Exponat aus der KI-Ausstellung „Outside the Bounding der HTW Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Hinweis: Die physische Ausstellung in der „Geh8“ ist inzwischen abgebaut. Einige Exponate sind aber in einer virtuellen Exposition auf Instagram unter dieser Adresse zu finden.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt