Forschung, Funk, Halbleiterindustrie, zAufi

Chip-Forschung zwischen Nanodrähten und Fingerschnipsen

Ein Mitarbeiter spannt eine Probe unter dem neuen Raster-Kraftmikroskop (AFM) ein. Foto: DCST

Ein Mitarbeiter spannt eine Probe unter dem neuen Raster-Kraftmikroskop (AFM) ein. Foto: DCST

Sachsen ist bei Mikroelektronik-Forschungsprojekten besonders stark vertreten

Dresden, 12. April 2022. Sachsen ist besonders stark in der bundesweiten Mikroelektronik-Forschung vertreten: Sie sind auf die eine oder andere Weise an jedem zweiten der insgesamt zwölf „Forschungslaboren Mikroelektronik Deutschland“ (Forlab) vertreten. Bei den konkreten Forschungsprojekten sind die Unis, Fraunhofer- und Helmholtzinstitute aus dem Freistaat sogar noch stärker präsent. Das hat sich während der Bilanz der Forlabs in Dresden deutlich gezeigt Zu den Fokusthemen der Sachsen gehören unter anderem Elektronik, die sich selbst rekonfigurieren kann, neue Materialien für Verbindungs- beziehungsweise Leistungshalbleiter, Optoelektronik und der Mobilfunk der 6. Generation.

So etwa sehen die rekonfigurierbaren Bauelemente - hier ein Inverter aus Nanodraht-Transistoren - unterm Mikróskop aus. An der Entwicklung dieser Technologie waren das CFAED, die TU-Tochter Namlab, das DCST, das HZDR und weitere Partner beteiligt. Abbildung: Namlab

So etwa sehen die rekonfigurierbaren Bauelemente – hier ein Inverter aus Nanodraht-Transistoren – unterm Mikroskop aus. An der Entwicklung dieser Technologie waren das CFAED, die TU-Tochter Namlab, das DCST, das HZDR und weitere Partner beteiligt. Abbildung: Namlab

Elektronik, die sich selbst neu verdrahtet

Im „Forlab DCST“ an der TU Dresden beispielsweise arbeiten Prof. Thomas Mikolajick und sein Team an Schaltungen aus Nanodrähten, die im laufenden Betriebs verändert werden können. „Damit werden vollkommen neue Anwendungen möglich, beispielsweise neuartige Sensoren oder neuromorphe Elektronik für die Künstliche Intelligenz“, heißt es vom DCST. Im Zuge der Sonder-Investitionszuschüsse der Forelab-Initiative konnten sich die Dresdner unter anderem eine Atomlagen-Abscheidungsanlage für titanbasierte Nanodrähte anschaffen. Sie haben nun eine nahezu komplette Prozesskette vom Entwurf über die Nanodraht-Herstellung bis hin zur Verschaltung aufgebaut.

Neue Materalien für die Optoelektronik

Am Forlab „Famos“ der BTU Cottbus-Senftenberg wiederum ist das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) Dresden beteiligt. Dort arbeiten an einer neuen Generation von Optoelektronik, bei der Materialien wie Germanium-Zinn (GeSn) und Silizium-Germanium-Zinn (SiGeSn), Oxide, zweidimensionale Materialien und Polymere in Siliziumsysteme integriert werden. Im „Mat4μ“ forscht die Bergakademie Freiberg an Dünnschichtdielektrika, nanokristallinen Halbleitern und anderen Materialien für eine bessere Opto- und Leistungselektronik.

Der Dresdner Professor Frank Ellinger baut zusammen mit Kollegen an der TUD die Testplattform "More" für ultraschnelle Chips auf. Auf dem Monitor ist ein stark vergrößerter Chip zu sehen, der bei sehr hohen Frequenzen von etwa 200 Gigahertz arbeitet. Entwicklet wurde er von Dr. Paolo Valerio Testa für die ultra-schnelle drahtlose Datenkommunikation. Foto: Kretzschmar für die TUD

Der Dresdner Professor Frank Ellinger. Foto: Kretzschmar für die TUD

Reggae: Komforttechnik im Auto mit Gesten steuern

Bei den konkreten Themen im Zuge der Initiative „Forschung für neue Mikroelektronik“ (Formikro) steuern die Sachsen unter anderem ihre Mobilfunk-Expertise bei Prof. Frank Ellinger von der TU Dresden zum Beispiel im Projekt „Reggae“ an einer neuen Generation radargestützter freier Gestenerkennung. Damit sollen Autofahrer in Zukunft mit einem „Fingerschnipsen“ Radio, Licht, Klimaanlage und andere Komfortgeräte in ihrem Fahrzeug steuern. „Damit wird man dann auch mit weniger Mechanik im Auto auskommen“, betonte Ellinger. Ein erster Demonstrator soll im September 2023 fertig sein. Gefertigt werden die Chips dafür in der FD-SOI-Technologie von Globalfoundries Dresden.

Dem 6G-Mobilfunk auf der Spur

Der Dresdner Professor wie auch Globalfoundries sind ebenfalls am Projekt „Massive Data 6G“ der TU Berlin beteiligt. Die Forscher wollen dort den laut eigenen Angaben weltweit ersten Transceiver für 6G-Mobilfunk mit Datenraten über 100 Gigabit je Sekunde bauen.

Noblenems: 3D-Material jenseits von Graphen

Mit an Bord ist die TU Dresden – übrigens zusammen mit Ínfineon – außerdem am Vorhaben „Noblenems“ der RWTH Aachen. Dort untersuchen die Wissenschaftler 2D-Materialien jenseits von Graphen. Im Blick haben sie dabei besonders eine kristalline Verbindung aus Platin und Selen. Anders als das rein kohlenstoffbasierte Graphen, das – je nach Sorte – bei Temperaturen um die 1000 Grad erzeugt werden muss, entsteht dieser zweidimensionale Werkstoff auch in vergleichsweise kühlen Prozessen. Ziel sind Membranen aus Platindiselenid, mit denen sich besonders genaue Sensoren für Smartphones, das Internet der Dinge und Geräte für „Augmentierte Realität“ (AR) herstellen lassen.

Sven Zimmermann von der TU Chemnitz erklärt, wie die Upfuse-Sensoren ihren Energiebedarf ernten sollen. Bildschirmfoto (hw) der Konferenz "Mikroelektronik-Forschung in Deutschland"

Sven Zimmermann von der TU Chemnitz erklärt, wie die Upfuse-Sensoren ihren Energiebedarf ernten sollen. Bildschirmfoto (hw) der Konferenz „Mikroelektronik-Forschung in Deutschland“

Upfuse-Sensoren ernten Energie beim Messen

Die TU Uni hat sich im Projekt „Upfuse“ auf Sensoren spezialisiert, die keine Batterien oder Stromkabel brauchen, sondern ihren Energiebedarf aus den Umweltgrößen gewinnen, die sie ohnehin messen: Schwingungen, Stöße, Temperaturdifferenzen et cetera. Einsatzfelder sehen die Initiatoren beispielsweise in der Logistik und ganz speziell in der Kühlketten-Überwachung.

„Ganesis“: Galliumnitrid-Leistungselektronik aus dem Kathodenzerstäuber

Für „Ganesis“ hat das Dresdner Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) die Leitung übernommen. Mit an Bord sind außerdem das Namlab der TU Dresden und die Guericke-Uni Magdeburg. Die Partner suchen hier neue und preisgünstige Wege, um Schichten aus Galliumnitrid für Leistungselektronik zu erzeugen. Dafür wollen die Kathodenzerstäubung (Sputter-Technik) einsetzen.

Schwarzer Phosphor für empfindliche Sensoren

In „SPES3“ wollen das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und die TU Dresden aus schwarzen Phosphor druckbare Gassensoren für die Lebensmittelüberwachung entwickeln. „Diese Material ist hochempfindlich und muss daher gekapselt werden“, erklärte Dr. Artur Erbe vom HZDR. Gerade durch diese Empfindlichkeit des schwarzen Phosphors können derartige Sensoren aber besonders genau und zudem preisgünstig Stickoxide und Kohlendioxid erkennen.

Beteiligt ist das HZDR auch am Projekt „SiGeSn-NanoFETs“ der RWTH Aachen. Das Vorhaben zielt auf Elektronik aus organometallischen Verbindungen.

6GKom: Elektronikbaukasten für den nächsten Mobilfunk-Standard

„6GKom“ schließlich ist ein Projekt des „Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration“ (IZM) aus Berlin, an dem auch die TU Dresden mitarbeitet. Die Forscher wollen hier eine Hardware-Basis für den zukünftigen Mobilfunkstandard 6G aufbauen. Am Ende des Projektes soll ein 140-Gigahertz-Modul stehen, das seine Signale auf einzelne Nutzer ausrichtet („Beamforming“) statt sie in alle Richtungen breit zu streuen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Tagung „Forschungslabore Mikroelektronik Deutschland“, forlab.tech

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt