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IfW-Ökonom: Deutsche Industrie zu abhängig von China

VW-Fabrik im chinesischen Foshan. Seit fast vier Dekaden investiert die deutsche Autoindustrie bereits im Reich der Mitte und hat vom dortigen Engagement auch stark profitiert - wenngleich die Umsätze in jüngster Zeit schwächeln. Foto: Volkswagen AG, Pressefoto

VW-Fabrik im chinesischen Foshan. Seit fast vier Dekaden investiert die deutsche Autoindustrie bereits im Reich der Mitte und hat vom dortigen Engagement auch stark profitiert – wenngleich die Umsätze in jüngster Zeit schwächeln. Foto: Volkswagen AG, Pressefoto

Bisher hat Deutschland von enger Verflechtung aber auch enorm profitiert

Wiesbaden/Kiel, 21. Februar 2022. China ist und bleibt auch in der Corona-Zeit der wichtigste Handelspartner für Deutschland. Zugleich warnen Forscher aus Kiel aber die deutsche Wirtschaft davor, sich zu sehr von diesem Wachstumsmarkt abhängig zum machen.

Wohlwollen der KP-Führung kann schnell kippen

„Deutsche Firmen befinden sich auf dem Weg zu einer gefährlichen Abhängigkeit vom Wohlwollen der chinesischen Führung“, argumentierte Handelsforscher Rolf J. Langhammer vom „Kiel Institut für Weltwirtschaft“ (IfW). „Sie dienen dem geopolitischen Machtanspruch Chinas, wenn sie ihr Know-how in das Land transferieren, und können von heimischen Firmen verdrängt werden.“

Deutsche und US-Auslandsinvestitionen in China im Vergleich. Grafik: IfW Kiel

Deutsche und US-Auslandsinvestitionen in China im Vergleich. Grafik: IfW Kiel

US-Investoren meiden China eher

Im Aufsatz „Zurückhaltung von US-Investoren in China, ehrgeizige Investitionen deutscher Unternehmen: Was steckt dahinter?“ verweist Langhammer auf erhebliche Unterschiede beim China-Engagement durch US-amerikanische und deutsche Investoren: 2019 investierte die deutsche Wirtschaft rund 89 Milliarden Euro in China. Damit stieg der Anteil der deutschen Auslandsinvestitionen in China an allem deutschen Auslandsinvestitionen binnen zwei Dekaden von einem auf sieben Prozent. Alleine die deutsche Autoindustrie investierte in jüngster Zeit 26 Milliarden Euro und damit 24 Prozent aller ihrer ausländischen Geldanlagen in China. „Demgegenüber meiden die USA als weltgrößter Auslandsinvestor bislang diese Wachstumsregion, sie setzen stattdessen auf Investitionen in Europa“, hieß es vom IFW. 2020 seien nur rund zwei Prozent aller US-Auslandsinvestitionen nach China geflossen.

Schwieriger Marktzugang war für US-Dienstleister lange schwer

Diese Unterschiede haben sich nicht erst seit gestern aufgebaut. Die US-Amerikaner sind nicht erst seit Donald Trump viel misstrauischer gegenüber chinesischer Wirtschaftsspionage als die Deutschen. Zudem gelten die USA vor allem im Dienstleistungssektor als stark – gerade dort aber hatten die Chinesen lange Zeit besondere Marktzugangshindernisse für westliche Unternehmen aufgebaut.

China ist (auch) Deutschlands wichtigster Auftragsfertiger

Anders dagegen lief es für die industrielastige Bundesrepublik: Über Jahre hinweg hat vor allem die deutsche Industrie stark von der engen Verflechtung mit China profitiert. Ohne vergleichsweise billige Zulieferungen aus China wären viele Produkte aus Deutschland längst zu teuer. Das gilt noch mehr für die komplette Auftragsfertigung „deutscher“ Konsumgüter in China.

Autoindustrie stieg ab 1984 in China ein – und gewann zunächst einen riesigen Absatzmarkt

Umgekehrt hat vor allem die deutsche Autoindustrie seit Jahren auch vom florierenden Absatzmarkt China profitiert: Während sich andere westliche Auto-Konzerne wie etwa Renault stark auf ihre Stammmärkte daheim verließen und damit auch stark von Konjunkturzyklen in diesen Teilmärkten abhingen, glichen Volkswagen und Co. solche Schwankungen durch immer neue Rekordumsätze im Reich der Mitte aus. Möglich war dies nicht zuletzt, weil die deutschen Autobauer recht früh – nämlich schon Mitte der 1980er Jahre – in diesen Markt einstiegen und dort auch massiv in eigene Fabriken beziehungsweise Joint-Ventures mit chinesischen Firmen investierten. Denn vor allem Letzteres hatte die kommunistische Regierung in Peking immer wieder zu einer Kernbedingung für den Markzugang westlicher Unternehmen gemacht. Dahinter steht natürlich der Wunsch der Chinesen, Wertschöpfung und Jobs im eigenen Land aufzubauen und an westliches Know-how zu gelangen.

Bei Elektromobilität liegt China längst mit vorn

Inzwischen hat sich das Bild in einigen Branchen auch schon zu Gunsten der Chinesen gewandelt: Bei Elektrofahrzeugen – vor allem Elektrobussen und Elektrofahrrädern – hat China einen deutlichen Vorsprung vor den Deutschen. Aber auch im klassischen Pkw-Segment hat der einstige Primus Deutschland mittlerweile Probleme, seine Autos bei chinesischen Käufern an den Mann oder die Frau zu bringen. Die Corona-Krise war dafür nur ein Auslöser: Schon länger laboriert die deutsche Autoindustrie an einer Transformation hin zu mehr Elektromobilität, zu neuen Geschäftsmodellen und softwaregetriebenen Innovationen. Und während die chinesischen Fahrzeughersteller Jahr für Jahr technologische Rückstände aufholen, tun sich viele deutsche Autohersteller immer noch schwer damit, auf die spezifischen Erwartungen chinesischer Konsumenten an ein Auto genügend einzugehen.

Der deutsche Außenhandel (Summe aus Importen und Exporten) mit ausgewählten Ländern. Grafik: Destatis

Der deutsche Außenhandel (Summe aus Importen und Exporten) mit ausgewählten Ländern. Grafik: Destatis

Außenhandel um 15 % gestiegen

In der Gesamtschau bleibt das Reich der Mitte aber der wichtigste Handelspartner für Deutschland – zum sechsten Mal in Folge, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden errechnet hat. 2021 haben beide Staaten demnach Waren im Wert von umgerechnet 245,4 Milliarden Euro miteinander gehandelt. Das waren 15,1 Prozent mehr als im ersten Corona-Jahr 2020. Dabei blieb die deutsche Handelsbilanz mit den Chinesen negativ: Deutschland importierte 2021 insgesamt Waren für 141,7 Milliarden Euro aus dem kommunistischen Reich der Mitte, das waren 20,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Zugleich blieb China zugleich mit großem Abstand der wichtigste Lieferant für die Bundesrepublik. „Der Wert der aus China importierten Waren fast doppelt so hoch wie der Wert der Importe aus den Vereinigten Staaten“, heißt es in der Destatis-Auswertung. Und: Der einstige Exportweltmeister Deutschland importiert längst viel mehr aus China als dorthin exportiert wird. „Insgesamt überstieg der Wert der aus China importierten Waren den Wert der dorthin exportierten Waren um 38,1 Milliarden Euro.“

China forciert Autarkiekurs

In den kommenden Jahren wird sich diese Bilanz wohl auch kaum noch umdrehen: China macht seit Jahren technologisch Boden gut. Viele Industriebranchen steigern dort stetig die Qualität, Quantität und das Niveau. Zudem orientieren die Wirtschaftslenker der KP wie auch die Manager vieler chinesischer Großunternehmen die Volkswirtschaft vor allem seit den Handelskriegen von US-Präsident Donald Trump (Republikaner) noch stärker als früher auf Autonomie und Unabhängigkeit von westlichen Investitionen und Technologiezuflüssen. Und dies betrifft eben nicht nur die Fahrzeugbranche, sondern auch die chinesische Elektronikindustrie. Exempel wie die Sonderfehde von Trump gegen den chinesischen Konzern „Huawei“, das sich angeschickt hatte, auch im Westen zum Smartphone- und 5G-Champion aufzusteigen, haben das den Chinesen noch einmal deutlich gezeigt. Seitdem päppeln sie massiv ihre Mikroelektronik-Industrie auf, kaufen die Weltmärkte für Chips und Chipfabrik-Ausrüstungen leer – und verstärken damit noch die Chiplieferkrise der deutschen Autoindustrie.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IfW Kiel, Destatis, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt