
Die KI zeigt der Chirurgin auf dem Bildschirm, wo sie schneiden und veröden darf und wo nicht. Foto: Kirsten Lassig für das Uniklinikum Dresden
Dresdner Uniklinik setzt in wachsendem Maße „Künstliche Intelligenzen“ für die Unterstützung von Ärzten ein
Inhalt
- 1 Dresdner Uniklinik setzt in wachsendem Maße „Künstliche Intelligenzen“ für die Unterstützung von Ärzten ein
- 2 KI-Assi soll Ärzte unterstützen, nicht ersetzen
- 3 AML-Erkennung im Knochenmark
- 4 Hautkrebs im Fokus
- 5 Asgen-KI soll Pathologen helfen
- 6 Maßgeschneiderte Therapien für Bluter herausfischen
- 7 KI generiert augmentierte Realität für den Chirurgen
- 8 Weniger Millimeter entscheiden über Verlust von Kontinenz und Potenz
- 9 Casus-Experten wollen KI durchschaubar machen
Dresden, 2. Februar 2022. Onkologen und andere Mediziner in Dresden setzen immer öfter „Künstliche Intelligenzen“ (KI) ein, um gefährliche Tumore rascher zu erkennen. Auch bei Operationen unterstützen KI-Systeme in wachsendem Maße Chirurgen beispielsweise bei Eingriffen in den Bauchraum. Das geht aus einem Überblick des „Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden“ (NCT/UCC) hervor.
KI-Assi soll Ärzte unterstützen, nicht ersetzen
Kein neuronales Netz im Computer könne allerdings den erfahrenen Arzt ersetzen: „Trotz aller Fortschritte in der KI-Forschung liegt die Verantwortung für medizinische Entscheidungen heute wie in Zukunft bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt“, erklärte Prof. Martin Bornhäuser vom NCT-Direktorium. „Künstliche Intelligenz kann den Medizinerinnen und Medizinern lediglich wichtige Entscheidungshilfen liefern.“
Und gerade als rechnergestützte Assistentin spielt die KI ihre besonderen Stärken aus: Sie kann beispielsweise binnen Sekunden Tausende Mikroskopbilder sichten und darin verdächtige Muster finden, für die ein Mensch Tage brauchen würde.

Analyse eines Knochenmarkausstrichs unter dem Mikroskop. Künftig soll ein KI-basiertes Computersystem bei der Erstdiagnose einer akuten myeloischen Leukämie (AML) unterstützen. Foto: Thomas Albrecht für das Uniklinikum Dresden
AML-Erkennung im Knochenmark
So haben beispielsweise die TU Dresden, das NCT und das Uniklinikum Dresden gemeinsam eine KI entwickelt, die eine „Akute myeloische Leukämie“ (AML) und therapie-entscheidende Mutationen anhand von Knochenmark-Abstrichen erkennt. „Während die herkömmliche Analyse eines Knochenmarkausstrichs unter dem Mikroskop viel Fachwissen und mehrere Stunden Zeit braucht, kann der neu entwickelte Algorithmus in weniger als zehn Sekunden entartete Zellen ,enttarnen’ und die Erkrankung präzise erkennen“, berichtete das NCT. Demnächst wollen die Dresdner diese Diagnostikmethode weltweit als elektronische Dienstleistung anbieten.
Hautkrebs im Fokus
Auch beteiligt sich das Uniklinikum Dresden an der deutschlandweiten Entwicklung einer KI-Assistentin, die schwarzen Hautkrebs erkennt. In diesem „Skin Classification Project“ (SCP2) trainieren die beteiligten Krankenhäuser den Algorithmus anhand von über 12.000 Hautkrebs-Bildern.

Dr. Falk Zakrzewski von der Uni-Ausgründung Asgen zeigt Beispiele für die Krebsindiz-Analyse durch eine KI. Foto: Heiko Weckbrodt
Asgen-KI soll Pathologen helfen
Kurz vor der Marktreife befinde sich ein System für die Diagnostik bei Brust- und Magenkrebs, an dem das Dresdner Unternehmen „Asgen“ und das Institut für Pathologie des Uniklinikums Dresden arbeiten. Das System analysiert, ob ein Gen namens „HER2“ besonders aktiv ist. Basierend darauf kann der zuständige Pathologe dann eine zielgerichtete Antikörper-Therapie empfehlen.
Maßgeschneiderte Therapien für Bluter herausfischen
Auch beteiligen sich Dresdner Hämatologen an der Entwicklung der KI-basierten digitalen Plattform „KAIT“, „die therapierelevante Daten für verschiedene komplexe Bluterkrankungen bereitstellen und auswerten soll“, so das NCT. „In das System eingespeist werden klinische Leitlinien, Publikationen und Studien sowie Ergebnisse von mehreren Tausend strukturierten klinischen Fällen aus Registerdaten. Ausgehend von individuellen Patientendaten, die die behandelnde Ärztin oder der Arzt auf der Plattform eingibt, soll künftig ein intelligenter Algorithmus wichtige Informationen filtern und gewichten.“

Im „Operationssaal der Zukunft“ sammeln Wissenschaftler Erfahrungen mit roboter- und computergestützten Systemen für die Krebschirurgie. Foto: André Wirsig für das NCT/UCC
KI generiert augmentierte Realität für den Chirurgen
Die Dresdner Spezialisten sehen aber auch gute Karrierechancen für KIs in OP-Sälen: So entwickeln das NCT/UCC und das „Else-Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Digitale Gesundheit“ derzeit für robotergestützte Enddarm-Operationen ein System, das auf den Kamerabildern aus dem Bauchraum des Patienten wichtige Strukturen erkennt und in Echtzeit anzeigt. „In mehr als 25.000 Einzelbildern aus Operationen haben Expertinnen und Experten händisch die optimale Schnittlinie und zu schonende Nerven eingezeichnet“, heißt es in der Projektbeschreibung. „Auf dieser Grundlage lernte die Software, während der bis zu acht Stunden langen Operation verschiedene Operationsphasen zu erkennen und für die Chirurgin oder den Chirurgen relevante Informationen einzublenden“.
Weniger Millimeter entscheiden über Verlust von Kontinenz und Potenz
„Diese Hilfestellungen sind gerade für Tumoroperationen am Enddarm von großer Relevanz“, erklärt Prof. Jürgen Weitz, der Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie im Uniklinikum Dresden. „Denn hier entscheiden nur wenige Millimeter darüber, ob für die Kontinenz und Potenz wichtige Nerven erhalten werden können.“ In diesem Jahr will er das neue System auch bei realen Operationen testen.
Casus-Experten wollen KI durchschaubar machen
Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich mit einem zunehmenden Begleitproblem der neuen, alten Hochtechnologie „Künstliche Intelligenz“: Je komplexer die Entscheidungsbäume und die neuronalen Netze sind, die dabei im Einsatz sind, desto schwerer wird es für Menschen, die KI-Entscheidungen nachzuvollziehen – und sei es auch im Nachhinein. „Gerade in der Medizin ist Transparenz aber von höchster Wichtigkeit, um Vertrauen zu schaffen und mögliche Fehler erkennen zu können“, sind die NCT-Experten und –Expertinnen überzeugt. Daher arbeiten die Kollegen vom Görlitzer „Center for Advanced Systems Unterstanding“ (CASUS) am europäischen „Optima“-Projekt mit. Das Verbundvorhaben führt klinische Daten von über 200 Millionen Menschen mit Prostata-, Brust- oder Lungenkrebs zusammen. Das Casus entwickelt auf dieser Basis gemeinsam mit der Firma Pfizer geleiteten KI-Modelle, „anhand derer Medizinerinnen und Mediziner sowie Patientenvertreterinnen und -vertreter verstehen können, wie die Software klinische Entscheidungen aus einer Vielzahl von Daten heraus unterstützen hilft“.
Autor: hw
Quelle: NCT