Fraunhofer-Strahlinstitut IWS in Dresden und Cern erzeugen mit Grünlaser rote Quadropole
Dresden, 2. November 2021. Eine neue Generation von Teilchenbeschleunigern soll künftig bei der Drogenfahndung auf Flughäfen helfen, aber auch Krebstherapien und Materialanalysen vereinfachen. Denn diese sogenannten „Quadrupole“-Linearbeschleuniger sind so kompakt, dass sie selbst für kleinere Krankenhäuser, Flughäfen und Labore erschwinglich werden. Um solche Quadrupole zu erzeugen, setzt das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden gemeinsam mit der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in der Schweiz, der lettischen Riga Technology University (RTU) und der Politecnico di Milano (PoliMi) lasergestützte 3D-Drucker ein. Im Zuge des europäischen „I.FAST“-Projekts ist es den Dresdnern nun weltweit erstmalig gelungen, wichtige Bauteile für sogenannte „Quadrupol“-Linearbeschleuniger aus reinem Kupferpulver additiv zu fertigen.
Mehr Tempo und weniger Materialverbrauch beim 3D-Druck
Dies eröffne perspektivisch neue Wege hin zu einer kommerziellen Produktion und zum praktischen Einsatz derartiger Anlagen, die auf dem Prinzip der „High Frequency Radio Frequency Quadrupole“ (HF-RFQ) basieren, hieß es vom IWS. Möglich seien damit zum Beispiel bessere und stärker automatisierte Drogen- und Waffenkontrollen auf Flughäfen.
Die Forscherinnen und Forscher sehen großes Potenzial im 3D-Kupferdruck: „Damit können wir die Fertigungszeiten deutlich verkürzen“, prognostiziert Samira Gruber, die im IWS die Expertin für die additive Fertigung mit Kupfer und Kupferlegierungen ist. „Möglich wird so beispielsweise ein schneller Prototypenbau. Dies kann die Weiterentwicklung der Beschleunigertechnologie deutlich voranbringen.“ Durch die additive Fertigung lässt sich außerdem Material einsparen und so der Ressourcenverbrauch von Kupfer im Vergleich zu klassischen Verfahren verringern.
Was sind Quadrupol-Beschleuniger?
Diese Argumente fallen erheblich ins Gewicht, wenn sich diese kompakten Beschleuniger breiter durchsetzen sollen. Denn Hochfrequenz-Quadrupole, die auf einer neuen, am CERN entwickelten Technologie basieren, sind die entscheidenden Bauteile und Taktgeber für diese neue Generation von Anlagen. In den Quadrupolen stehen sich vier abwechselnd gepolte Elektroden gegenüber, die sich wie Blütenblätter um eine zentrale Teilchenflugbahn anordnen. Legt der Nutzer eine Wechselspannung an, bauen sich schnell wechselnde elektrische Felder auf. Diese schicken die Teilchen zwischen den wellig geformten Elektrodenspitzen auf eine Art Wellenritt, der sie mit jedem passierten „Elektroden-Blütenblatt“ mit jedem Quadrupol immer näher an die Lichtgeschwindigkeit heranbringt. Anders als ihre meist riesigen unterirdischen Brüder, die Ringbeschleuniger, nehmen diese Linearbeschleuniger oft kaum mehr Raum als ein Wohnzimmer ein.
Kupfer beliebt, weil es Wärme und Strom gut leitet
Weil die Anlagen im Langzeitbetrieb viel Abwärme erzeugen, bestehen die taktgebenden Quadrupole aus reinem Kupfer. Denn dieses Metall leitet Strom und Wärme besonders gut. Bisher war die Produktion der Quadrupole allerdings sehr aufwendig: Sie werden aus Halbzeugen in Form gefräst und dann aus sehr vielen Einzelteilen zusammengesetzt.
Grüner Laser sorgt für genug Energie
Deshalb haben die Forscherinnen und Forscher nun eine Alternative entwickelt. Sie schmelzen dafür mit einem grünen Laser reines Kupferpulver auf. Aus dieser Metallschmelze formen sie dann das Viertelsegment eines Quadrupols. Dabei sparen sie Material überall dort ein, wo es für die Bauteilfestigkeit nicht gebraucht wird. In klassischen Metallverarbeitungsverfahren dagegen ist diese Bauteiloptimierung sehr aufwendig, an manchen Stellen sogar überhaupt nicht machbar. Die neue Fertigungsmethode mindert insofern den Kupferverbrauch und sorgt für leichtere Quadrupol-Segmente, die innerhalb eines Tages fertig aufgebaut sind.
In künftigen, größeren 3D-Drucker mit grünem Laser wird es demnächst wahrscheinlich möglich sein, ganze Quadrupol-Segmente per 3D-Druck herzustellen. Doch auch mit den jetzt erzeugten Viertelsegmenten sind bereits die nächsten Projektphasen möglich: Zum Beispiel haben die Bauteile aus der additiven Fertigung erfahrungsgemäß oft raue Oberflächen. Zu analysieren ist daher am Protoptypen, ob und wie die 3D-Druck-Quadrupole nachträglich geglättet werden müssen – beispielsweise durch eine plasma- oder elektrochemische Politur.
3D-Drucker sollen Anlagen bald auch reparieren
Auf der Projektagenda stehen außerdem Versuche, ob und wie sich kleine Verschleißschäden an Beschleunigern mithilfe additiver Fertigungstechnologien nachträglich reparieren lassen, ohne ganze Bauteile verschrotten zu müssen. „Wir wollen aber auch untersuchen, welche anderen Werkstoffe und Bauteile für die additive Fertigung für Beschleuniger in Frage kommen“, sagt Samira Gruber.
Einsatz für Protonentherapie und automatische Rauschgift-Erkennung denkbar
Denn die Linearbeschleuniger sind nicht nur für Teilchenphysiker interessant. In der Medizin lassen sie sich sowohl für die Protonentherapie gegen besonders heimtückische Tumore im Bauchraum oder im Gehirn einsetzen als auch für die Herstellung medizinischer Isotope. Das Cern erforscht noch viele andere Anwendungen für die Quadrupol-Beschleuniger. Dazu gehören Materialuntersuchungen, aber auch die Analyse von Meisterwerken der Kunst.
Die Projektpartner rechnen sich große Marktchancen für ihre Quadropole aus. Momentan sind weltweit etwa 30.000 Beschleuniger im Einsatz, schätzen die kalifornischen Branchenexperten Robert Hamm und Marianne E. Hamm in ihrer Analyse „Industrial Accelerators and Their Applications“ aus dem Jahr 2012. Mit diesen Anlagen fertigen und analysieren demnach Unternehmen und Institute rund um den Erdball industrielle Waren im Wert von 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quelle: IWS
Wissenschaftliche Publikation:
Torims, Toms, Pikurs, Guntis, Gruber, Samira, Vretenar, Maurizio, Ratkus, Andris, Vedani, Maurizio, Lopez, Elena, & Brückner, Frank: “First Proof-Of-Concept Prototype Of An Additive-Manufactured Radio Frequency Quadrupole”. Zenodo. 2021, in: https://doi.org/10.5281/zenodo.5564339
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