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Künstliche Intelligenz aus Dresden fahndet nach Blutkrebs

Knochenmarkausstrich eines Patienten mit „akuter myeloischer Leukämie“ (AML). Die neu entwickelte Analysesoftware erkennt eine bestimmte genetische Mutation anhand äußerer Zellmerkmale (dunkelgrüne Färbung). Foto: MK1, Uniklinikum Dresden

Knochenmarkausstrich eines Patienten mit „akuter myeloischer Leukämie“ (AML). Die neu entwickelte Analysesoftware erkennt eine bestimmte genetische Mutation anhand äußerer Zellmerkmale (dunkelgrüne Färbung). Foto: MK1, Uniklinikum Dresden

Mediziner und Ingenieure haben KI mit Knochenmarkproben von fast 1500 Menschen angelernt

Dresden, 28. September 2021. Dresdner Wissenschaftler haben eine „Künstliche Intelligenz“ (KI) darauf trainiert, Blutkrebs schon im Frühstadium zu erkennen. Sie soll künftig Mediziner dabei unterstützen, Knochenmarkausstriche von Patienten auf Anzeichen von „akuter myeloischer Leukämie“ (AML) zu durchforsten. Außerdem kann sie bestimmte genetische Mutationen finden, die über für richtige Behandlung der Leukämiekranken mitentscheidet.

KI soll Vorsortierung übernehmen, nicht aber das ärztliche Urteil ersetzen

Trotz der hohen Trefferquote der KI soll sie aber das ärztliche Urteil nicht ersetzen, sondern vor allem bei einer schnellen Erstdiagnose helfen, hieß es vom „Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden“ (NCT/UCC), das gemeinsam mit dem Uniklinikum und der TU Dresden maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war. „Künstliche neuronale Netze sind in der Lage, eine Vielzahl von Merkmalen sehr schnell zu analysieren und zu quantifizieren“, erklärte Dr. Karsten Wendt vom Institut für Software und Multimediatechnik der TU Dresden. „Auf dieser Basis kann unser System sehr präzise Ausstriche von AML-Erkrankten und gesunden Probanden unterscheiden.“

AML führt unbehandelt zum Tode

Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 14.000 Menschen an Leukämie. AML gehört zu den häufigsten Blutkrebsarten und macht über ein Viertel aller Leukämie-Erkrankungen aus. Unbehandelt führt sie zum Tode. Je eher die Ärzte diese Leukämie-Variante erkennen, umso besser sind die Überlebens-Chancen. Und prinzipiell ist AML auch an Knochenmark-Proben unterm Mikroskop beizeiten erkennbar. „Die Bewertung der mikroskopischen Bilder ist jedoch hoch komplex und bislang in hohem Maße von der Erfahrung des jeweiligen Arztes oder der Ärztin abhängig“, betonte Prof. Martin Bornhäuser vom NCT-Direktorium. Daher sei es sinnvoll, wenn eine künstliches neuronales Netz dabei helfe, die zahlreichen Mikroskopieaufnahmen rasch zu sichten und für eine menschliche Entscheidung vorzusortieren.

Dafür lernten die beteiligten Mediziner und Ingenieure ihre KI mit Digitalfotos von Knochenmarkausstrichen von 1.251 AML-Patienten und 236 gesunden Knochenmarkspendern an. Experten markierten in dieser Anlernphase über 90.000 Einzelzellen mit Blick auf mögliche Blutkrebsanzeichen. Seitdem ist die KI imstande, solche Indizien selbst in der Bilderflut ausfindig zu machen. Außerdem kann sie anhand äußerer Zellmerkmale eine bestimmte genetische Veränderung – eine Mutation des Gens Nucleosphosmin (NPM1) – mit einer Genauigkeit von über 85 Prozent zu erkennen. „Die bei rund einem Viertel der erwachsenen AML-Patientinnen und -Patienten vorliegende Mutation ist mit einer vergleichsweise guten Prognose verbunden und wichtig für die Auswahl der geeigneten Therapie“, hieß es vom NCT.

In Zukunft wollen die Dresdner Teams die Künstliche Intelligenz auch auf andere Krankheiten ansetzen, die sich in Bilddaten erkennen lassen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: NCT, RKI

Wissenschaftliche Publikation:

Eckardt, JN., Middeke, J.M., Riechert, S. et al. Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears. Leukemia (2021). https://doi.org/10.1038/s41375-021-01408-w

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt