Informatiker der TU Dresden entwickeln Katastrophen- und Recycling-Roboter
Dresden/Görlitz, 24. September 2021. Wenn es nach den Dresdner TU-Professoren Ronald Tetzlaff und Uwe Aßmann geht, verwandeln sich bald Teile der Lausitz in ein großes Praxislabor für neuartige Roboter: Der universitäre Technologietransfer-Chef und der Informatik-Dekan wollen dort die Forschung, Weiterentwicklung und Erprobung der robotischen Schnüffler, Retter und Rekultivatoren von Morgen konzentrieren. Dies soll dem Revier eine hochtechnologische Zukunft nach dem Braunkohle-Ausstieg eröffnen, der Technischen Universität Dresden neue Studenten sichern und der sächsischen Wirtschaft die Roboter-Koryphäen von morgen.
Hochtechnologische Zukunft für die Zeit nach der Kohle vorbereiten
„Die Lausitz ist für uns ein ganz wichtiges Thema“, betonte Ronald Tetzlaff, den die neue TU-Rektorin Ursula M. Staudinger im schönsten Denglish zum „Chief Officer Technologietransfer und Internationalisierung“ ernannt hat. Wichtig sei es, von den Vorlaufforschungen an der Uni zu einer praktischen Umsetzung zu kommen. Und gerade im Robotik-Sektor könne die TU Dresden den Boden für solch einen Transfer zu bereiten: „Wir haben hier alle nötigen Kompetenzen in der Künstlichen Intelligenz, Sensorik, Materialwissenschaften und anderen Fächern“, betonte er am Rande des „Dresden Robotics Festivals“.
Video (Quelle: Heiko Weckbrodt): Testlauf eines Schnüffelroboters der TU Dresden:
Immer breitere Robotik-Forschung am Standort Dresden
An der Dresdner Uni arbeiten mehrere Institute an neuen Robotik-Konzepten: an Agrarrobotern, die in Gärten das Obst düngen und sich auf den Feldern zu Ernteschwärmen zusammentun, an Back- und Barkeeper-Robotern, an kollaborativen Robotern für Handwerker und dergleichen mehr. Die Informatikfakultät hat sich derweil zusammen mit den Nano- und Materialwissenschaftlern um Professor Gianaurelio Cuniberti auf riechfähige Roboter sowie künstliche Katastrophenhelfer eingeschossen. Vorzugsweise an einem neuen Standort in der Lausitz wollen sie konkret vier Spezialroboter zur Praxisreife führen: Dazu gehören Recycling-Roboter, die Handys, Autos und andere ausgemusterte Konsumgüter automatisch demontieren und wiederverwerten. Zweitens sollen Spezialroboter in der Lausitz alte Tagebaulandschaften rekultivieren. Drittens möchten die Informatiker dort an neuen Logistikrobotern arbeiten.
Video (Urheber: hw): TU-Mitarbeiter steuert Roboter mit VR-Brille und Sensorhandschuhen:
Fliegende und rollende Roboter sollen sich zu Rettungsschwärmen vernetzen
Das vierte Projekt ist besonders komplex: Auf der Agenda stehen hier fliegende und rollende Roboter, die sich in Katastrophengebieten zu rettenden Schwärmen zusammentun. Während Roboterdrohnen aus der Luft das Areal absuchen, erschnüffeln kleinere Rollroboter mit neuartigen künstlichen Nanotech-Nasen beispielsweise Gaslecks und andere Gefahrenstellen und verschließen sie möglichst gleich. Parallel dazu verteilt diese erste Welle nach eigenem Gusto autonom stromversorgte WLAN-Sender, um im gesamten Katastrophengebiet ein drahtloses Kommunikationsnetz aufzuspannen. Danach startet die zweite Welle: Große Rollroboter, die teils autonom, teils ferngesteuert über die frisch installierten Funknetze, die größeren Gefahrenstellen eindämmen und unterwegs auch verletzte Menschen aufspüren.
Künstliche Nasen unterschieden schon Weine, bald sollen sie auch Krankheiten erahnen
Die künstlichen Nasen für die Roboter will das Cuniberti-Team beisteuern: Dahinter steckt ein neuer Ansatz, der neuromorphe Materialien und Künstliche Intelligenz (KI) so kombiniert, dass Maschinen damit auch komplexe Gerüche rasch interpretieren können. „Weine zum Beispiel können unsere künstlichen Nasen jetzt schon am Geruch differenzieren“, berichtet Gianaurelio Cuniberti. „In fünf Jahren können sie wie die berühmten Superriecher auch Krankheiten erschnüffeln.“ Die Hoffnung: Dann könnten Roboter Tage, Wochen oder gar Jahre, bevor der Patient die ersten Symptome spürt, Corona, Parkinson oder andere Krankheiten voraussagen.
Neue Hoffnung für einen „Zuse-Campus“ in Hoywoy
Und für Prof. Aßmann verbinden sich mit diesen neuen Schnüffel- und Katastrophen-Robotern noch ganz andere Hoffnungen: Gelingt es den Professoren, für ein Robotiklabor in der Lausitz Geld freizueisen, könnte dies auch ein lang gehegtes Lieblingsprojekt des Informatik-Dekans reanimieren: Seit Jahren schon kämpft er einen Zweitcampus der TU Dresden in Hoyerswerda (gelegentlich auch Hoywoy genannt). Die Idee dabei: Solch eine Uni-Dependance mit eigener Forschung und Lehre vor Ort könnte mehr junge Menschen aus ländlichen Regionen für ein Studium an der TU Dresden begeistern und außerdem helfen, den Informatiker-Hunger der sächsischen Software-Wirtschaft zu stillen.
Abgespeckter Campus durch die Roboter-Hintertür?
Bisher war es Aßmann nicht gelungen, für seinen „Zuse-Campus“ genug Zusagen zu sammeln. Doch über die Robotik-Projekte seiner Informatiker könnte zumindest ein abgespeckter Zuse-Campus nun vielleicht doch noch Realität werden.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Auskünfte Aßmann, Tetzlaff und Cuniberti, TUD
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