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Roboter in Sachsens Handwerk auf dem Vormarsch

Schweißroboter, wie ihn auch Metallbaufirmen aus dem Handwerk in Sachsen einsetzen. Foto: André Wirsig für die Handwerkskammer Dresden

Schweißroboter, wie ihn auch Metallbaufirmen aus dem Handwerk in Sachsen einsetzen. Foto: André Wirsig für die Handwerkskammer Dresden

Meister setzen die stählernen Gesellen vor allem auf Routinearbeiten an

Dresden, 12. August 2021. Immer mehr Handwerker in Sachsen setzen Roboter ein: Die stählernen Kollegen belegen Brötchenbleche, schneiden Steinblöcke zurecht und stellen Schindeln her. Und rechnet man auch verwandte Technologien mit ein, so sichten sie beispielsweise als Drohnen baufällige Dächer oder motzen als Exoskelette normale Bauarbeiter zu Superkraftmeiern auf. Die Einsatzbilanz fällt allerdings recht unterschiedlich aus und immer wieder zeigt sich: „Industrieroboter sind nicht immer 1 zu 1 im Handwerk einsetzbar“, betont Sprecher Daniel Bagehorn von der Handwerkskammer Dresden. „Diesen Verbesserungsbedarf melden wir dann auch immer an die Forscher und Firmen zurück.“

Ceti-Forscher haben unter andere auch diesen Barkeeper-Roboter entwickelt. Foto: Heiko Weckbrodt

Ceti-Forscher haben unter andere auch diesen Barkeeper-Roboter entwickelt. Foto: Heiko Weckbrodt

Beim Spezialteig kam der Bäckerei-Roboter ins Trudeln

Ein immer wieder gern bemühtes Beispiel war der Robotereinsatz in einer Bäckerei in Ostsachsen: Weil ein Görlitzer Bäcker kaum noch Lehrlinge fand, die bereit waren, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, heuerte er dafür einen Roboter an. Und der Meister holte sich geballte Kompetenz zu Hilfe: Die Ceti-Forscher der TU Dresden spannten vor Ort ein 5G-Campusnetz auf und die Experten von „Wandelbots“ aus Dresden lernten den stählernen Kollegen an. Der platzierte fortan 2000 bis 3000 Teiglinge pro Frühschicht auf den Blechen, damit die dann zu Brötchen gebacken werden konnten, und beschwerte sich auch kein bisschen über die Arbeitszeiten. Allerdings zeigten sich in der handwerklichen Praxis auch rasch die Grenzen der künstlichen Gesellen: „Mit normalem Teig ging das ganz gut“, berichtet Kammersprecher Bagehorn. „Mit Spezialteigen hatte der Roboter aber so seine Probleme.“

Industrieroboter oft nicht 1:1 im Handwerk einsetzbar

Hinzu kommt: Stäubli, Kuka, Epson & Co. haben die meisten ihrer Industrieroboter für sehr kontrollierte Umgebungen entworfen: Oft müssen sie nur ein Teil von A nach B heben oder eine Auto-Schweißnaht ziehen – und dies in aller Regel hinter einem Schutzgitter, um keinem Menschen ins Gehege zu kommen. Ein Steinmetz, Bauarbeiter, Glaser oder Fleischer arbeitet unter weniger kontrollierten und monotonen Bedingungen. Da kommen Nässe, Schmutz und Menschen ins Spiel – und damit haben Standardroboter ihre Probleme. Große Hoffnung ruhen daher auf den „kollaborativen Robotern“ (Kobots), die flexibler auf Menschen und andere unkalkulierbare „Ereignisse“ reagieren. Doch auch sie stehen erst noch am Anfang ihrer Karriere im Robotik-Markt.

Kollaborativer Greifroboter für Handwerker, der speziell für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine entwickelt wurde. Er ist mit Zwei-Finger-Greifer, Kamera oder Schleifaufsatz  aufrüstbar. Foto: Foto: Handwerkskammer Dresden/Werbeagentur Haas

Kollaborativer Greifroboter für Handwerker, der speziell für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine entwickelt wurde. Er ist mit Zwei-Finger-Greifer, Kamera oder Schleifaufsatz aufrüstbar. Foto: Foto: Handwerkskammer Dresden, Werbeagentur Haas

Handwerkskammer Dresden baut Robotik-Zentrum auf

Um mehr Erfahrungen mit Handwerksrobotern zu sammeln, anderseits aber auch den sächsischen Meistern den Robotereinsatz schmackhaft zu machen, hat die Handwerkskammer Dresden selbst ein „Kompetenzzentrum Robotik“ aufgebaut. Dort können die Handwerker Exoskelette, Schweißroboter und andere robotische Helfer ausprobieren, unter der fachkundigen Anleitung von drei Experten eigene Robotiklösungen vorab austesten oder sich auch nur mal ein Werkstück probeweise vom stählernen Kollegen bearbeiten lassen.

Thomas Schulz ist Geschäftsführer von "Robot Valley Saxony". Foto: HTSB

Thomas Schulz ist Geschäftsführer von „Robot Valley Saxony“. Foto: HTSB

Roboter könnte Handwerksbetriebe retten, denen die Fachkräfte ausgehen

„Daraus kann sich noch ein Riesenmarkt entwickeln“, prognostiziert Geschäftsführer Thomas Schulz vom jungen Unternehmen „Robot Valley Saxony“, das sich den großen Sprung nach vorn für die sächsische Robotik auf die Fahnen geschrieben hat: Weil vielen Handwerksbetrieben der Nachwuchs ausbleibt, anderseits aber Roboter und die Robotereinrichtung auch dank solcher Unternehmen wie „Wandelbots“ immer preisgünstiger werden, dürfte Robotik im Handwerk in Zukunft eine große Rolle spielen, ist der Vernetzungsprofi überzeugt. „Roboter können letztlich sogar Unternehmen retten, die wegen des Fachkräftemangels keine Leute mehr finden.“

Alte Angst vor dem Roboter als Job-Vernichter

Auch Bagehorn streicht die positiven Aspekte des Robotereinsatzes heraus: „Hier geht es nicht darum, Arbeitsplätze für Menschen zu vernichten“, unterstreicht her. „Roboter können die Handwerker von monotonen und schweren Arbeiten entlasten, damit sich der Meister ganz auf seine Handwerkskunst konzentrieren kann.“

Steinmetz Sven Schubert. Foto: Heiko Weckbrodt

Steinmetz Sven Schubert. Foto: Heiko Weckbrodt

Steinmetz: Die feinen Sachen bekommt kein Roboter hin

Ähnlich hatte das früher schon Steinmetz Sven Schubert formuliert, der zu den Robotik-Pionieren in seiner Gilde gilt: „Die feinen Sachen, die Details bekommt kein Roboter und keine CNC-Fräse so hin wie ein guter Handwerker. Aber die Maschinen nehmen uns die körperlich schwere, die schweißtreibende Arbeit ab.“

Inzwischen viele Robotik-Beispiele in Sachsens Handwerk

Vorreiter wie Schubert gibt es inzwischen schon einige in Sachsen: Klempnermeister Holm Böhme aus Boxdorf zum Beispiel lässt seine Roboter Metallschindeln herstellen. In den Glaswerkstätten von Frank Ahne aus Pirna bestückt ein künstlicher Geselle eine CNC-Maschine mit Spiegeln. „Der Roboter übernimmt dabei die Arbeitsleistung, die man als Mensch nicht den gesamten Tag lang machen möchte“, erklärt Geschäftsführer René Herbst. Und in der „Kannegießer Keramik Saxonia Feinsteinzeug Manufaktur“ in der Lausitz setzen Roboter die Henkel an die Tassen. Die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen.

Messe soll Handwerker und Roboter in Dresden verkuppeln

Was jetzt schon mit Handwerksroboter möglich ist und was die Zukunft bringt, wollen am 15. September 2021 Experten bei einem Handwerker-Fachtag „Kollege Roboter“ im Dresdner Messegelände zeigen und erklären. Auf der Agenda stehen unter anderem Fachvorträge über „Roboter für das Handwerk – bezahlbar & beherrschbar“, über Robotik-Erfolgsgeschichten aus der Holzwirtschaft, Live-Vorführungen und dergleichen mehr.

Jeder 3. Meister rechnet mit wachsender Rolle der Robotik

Bereits jetzt ist laut einer Umfrage des Messe-Veranstalters „mi connect“ unter 184 Betrieben absehbar: Viele Handwerker stehen der Robotik noch skeptisch bis abwartend gegenüber. Das hat eine Umfrage der Einige sehen in den stählernen Arbeitern eine Bedrohung für ihr Berufsethos, für ihr Selbstverständnis als Handwerker. Allerdings zeigte sich rund ein Drittel der befragten Meister überzeugt: Robotik wird sich im deutschen Handwerk durchsetzen – vielleicht nicht in allen Gewerken, aber doch in vielen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: HWK Dresden, Interview Schulz (Robot Valley Saxony), Mi Connect, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt