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Fraunhofer sucht in Freiberg nach versteckten Schätzen in alten Energiespeichern

Die Forscherinnen und Forscher im THM Freiberg suchen nach besseren Aufbereitungsverfahren für Akku-Abfälle. Foto: Fraunhofer IKTS

Die Forscherinnen und Forscher im THM Freiberg suchen nach besseren Aufbereitungsverfahren für Akku-Abfälle. Foto: Fraunhofer IKTS

„Technologiezentrum Hochleistungsmaterialien“ richtet sich neu aus

Freiberg/Dresden, 7. Juli 2021. Durch die Energiewende erwachsen für die deutsche Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft neue technologische und ressourcenstrategische Herausforderungen. So spielen künftig viele Basismaterialien für Elektroautos, Brennstoffzellen, Elektrolyseure, Leistungselektronik und Informationstechnologie eine deutlich übergeordnete Rolle. Diese Hochleistungsmaterialien müssen oft aus anderen Ländern eingeführt werden, die teilweise selbst großen Bedarf an diesen Rohstoffen haben. Zudem gehen den Wirtschaftskreisläufen jedes Jahr strategisch wichtige Materialien in großem Maßstab verloren, weil die bislang eingesetzten Recyclingverfahren noch nicht ausgereift sind. Das „Fraunhofer-Technologiezentrum Hochleistungsmaterialien“ (THM) in Freiberg arbeitet an innovativen Lösungen für all diese Fragestellungen. Das geht aus einer Mitteilung des Mutterinstituts, des Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden hervor. Über die Fortschritte hat sich heute der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) vor Ort informiert.

Minister Gemkow hofft auf neue Jobs in Sachsen

„Forschungseinrichtungen wie das THM arbeiten hier im Freistaat an innovativen Technologien für die Energiewende und die Kreislaufwirtschaft“, betonte Minister Gemkow während seines Besuchs. „Mit ihrer Forschung und Entwicklung sowie dem Transfer in die Anwendung leisten sie wichtige, auf Nachhaltigkeit und Wertschöpfung zielende Beiträge. Das stärkt den Wissenschafts- und Hochtechnologie-Standort Sachsen und kann zusätzliche Arbeitsplätze im Freistaat schaffen helfen.“

THM soll auch ein Nukleus für neue Wertschöpfungsketten sein

„In Sachsen agieren mehr und mehr Unternehmen, für die moderne Recyclinglösungen besonders wichtig sind“, erklärt Dr. Mareike Partsch, die gemeinsam mit Prof. Johannes Heitmann das Fraunhofer THM leitet. Das gilt für die Elektroauto-Werke in Zwickau, Leipzig und Dresden ebenso wie für die Solarfabriken in Freiberg, die Akku- und Ultrakondensator-Hersteller in Kamenz und Großröhrsdorf oder für viele andere Unternehmen. „Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen diesen Playern weiter ausbauen, große Clusterprojekte koordinieren und industrielle Infrastrukturen für die Kreislaufwirtschaft von morgen schaffen“, sagt Mareike Partsch, die in Personalunion auch zum Vorstand des sächsischen Energietechnik-Branchenverbandes „Energy Saxony“ gehört. Insofern ist das Fraunhofer THM auch als Nukleus für neue Wertschöpfungsketten und zukunftsorientierte Industrien in Sachsen konzipiert.

Vom Downcycling zum echten Batterierecycling

Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer THM ist das Batterierecycling. Zwar gibt es auch heute schon Möglichkeiten, Lithium, Kobalt, Nickel, Platin und andere strategisch wichtige Metalle aus Altbatterien zurückzugewinnen. Weil diese Elemente aber oft in sehr geringen Konzentrationen vorliegen, sind klassische Recyclingprozesse zu aufwendig und ineffizient. Zudem führen sie in der Praxis nicht selten zu einem „Downcycling“, also zu einer Herabstufung in den Stoffkreisläufen. Das aus Altbatterien herausgelöste Nickel beispielsweise wandert heute oft nicht in die Batterieproduktion zurück, sondern endet als Zuschlagstoff im Hochofen. „Mit unseren Technologien wollen wir ein echtes Recycling statt Downcycling ermöglichen“, unterstreicht Mareike Partsch. „Das heißt, wir müssen die gewonnenen Materialien so aufbereiten, dass sich daraus wieder erstklassige Batterien herstellen lassen.“ Dafür erproben die THM-Teams verschiedene hydrometallurgische, mechanische und elektrochemische Verfahren und kombinieren diese. Sie wollen auch dafür sorgen, dass Ingenieure und Designer künftig schon bei der Material- und Produktentwicklung das spätere Recycling mitdenken. Geplant ist, diese Rückgewinnungstechnologien auch für Solarmodule, Brennstoffzellen, Elektrolyseure und Leistungselektronik anzuwenden. Denn auch diese Systeme enthalten viele wertvolle Materialien.

Kleine Materialdefekte für bessere Leistungselektronik

Leistungselektronik wiederum beschäftigt auch die Teams um Johannes Heitmann – allerdings aus einer anderen Perspektive: Durch ihre Expertise in der Defektcharakterisierung können sie Schwachpunkte in Halbleitermaterialien identifizieren und dadurch Materialentwicklungen effizienter gestalten. Diese Materialdefekte können allerdings auch sehr nützlich sein: „Durch gezielt eingebaute Defekte in neuartige Halbleitermaterialien können elektronische Bauelemente unter Umständen schneller schalten oder höhere Spannungen und stärkere Ströme unterstützen“, erläutert der Physiker Heitmann. Derartig verbesserte Leistungselektronik ist ein Grundbaustein für die beschleunigte Marktdurchdringung der Elektromobilität oder kann beispielsweise Solaranlagen mit höherer Energieausbeute ermöglichen. „Diese absichtlich eingebrachten Defekte lassen sich ebenfalls für quantenphysikalische Phänomene für Sensorik- und Computinganwendungen ideal nutzen“, betont Heitmann.

Anschubfinanzierung von EU, Bund und Land

Möglich wurden diese ambitionierten Forschungsprojekte nicht zuletzt durch öffentliche Fördermittel. Dazu gehören fünf Millionen Euro, die das sächsische Wissenschaftsministerium aus dem Europäischen „Fonds für regionale Entwicklung“ (Efre) als Anschubfinanzierung bereitgestellt hat. Weitere sieben Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium für THM-Forschungsprojekte im Programm „Forschungsfabrik Batterie“ bewilligt.

Wurzeln in der Solarbranche

Das THM entstand ursprünglich als „Technologiezentrum für Halbleitermaterialien“. Die gemeinsame Forschungseinrichtung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie (IISB) aus Erlangen und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) aus Freiburg im Breisgau siedelte sich im sächsischen Freiberg an, weil dort Solarworld, Siltronic, FCM und viele andere Photovoltaik- und Halbleiterunternehmen konzentriert waren. Nach der Solarkrise und vor allem der Solarworld-Pleite verschob sich aber der Fokus hin zu Materialien für Energiesysteme. Das Dresdner IKTS stieg anstelle des ISE als neuer THM-Partner ein, das IISB ist der weitere Träger geblieben.

Womöglich könnte Solartechnik bald aber wieder eine größere Rolle im Forschungsportefeuille des THM spielen: Meyer Burger versucht derzeit, mit neuen Produkten und Technologien die mitteldeutsche Photovoltaik-Industrie zu reanimieren – und Freiberg spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Autor: hw

Quelle: IKTS

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt