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Uni Dresden arbeitet an Verschleierungs-Chips

An der neuen Atomlagenabscheidungs-Anlage können die DCST-Forscher und -Forscherinnen nun auch atomdünne Metallschichten mit hoher Präzision erzeugen. Foto: Andre Wirsig für die TUD

An der neuen Atomlagenabscheidungs-Anlage können die DCST-Forscher und -Forscherinnen nun auch atomdünne Metallschichten mit hoher Präzision erzeugen. Foto: Andre Wirsig für die TUD

Sachsen geben Industriespionen harte Nüsse zu knacken – Millionenzuschüsse aus Forlab-Programm

Dresden, 2. Juni 2021. Dresdner Mikroelektronik-Forscher arbeiten an neuartigen Verschleierungs-Schaltkreisen, die besonders gut gegen Industriespione geschützt sind: „Diese Chips können verbergen, was sie eigentlich tun und wie sie aufgebaut sind“, berichtet Professor Thomas Mikolajick von der Technischen Universität Dresden (TUD). Dabei setzen die Nanoelektroniker rekonfigurierbare Bauelemente ein. Deren elektronische Schaltungen bestehen zum Beispiel aus winzigen Siliziumdrähte, die sich im laufenden Betrieb auf der Hardware-Ebene zu immer neuen Chipfunktionen umschalten lassen.

So etwa sehen die rekonfigurierbaren Bauelemente - hier ein Inverter aus Nanodraht-Transistoren - unterm Mikróskop aus. An der Entwicklung dieser Technologie waren das CFAED, die TU-Tochter Namlab, das DCST, das HZDR und weitere Partner beteiligt. Abbildung: Namlab

So etwa sehen die rekonfigurierbaren Bauelemente – hier ein Inverter aus Nanodraht-Transistoren – unterm Mikroskop aus. An der Entwicklung dieser Technologie waren das CFAED, die TU-Tochter Namlab, das DCST, das HZDR und weitere Partner beteiligt. Abbildung: Namlab

Copy-Cats kommen mit Aufsägen nicht mehr weiter

Damit lassen sich neue, flexiblere Elektronikprodukte konstruieren. Zudem macht diese Technik kriminellen Konkurrenten und technologiehungrigen Geheimdienstlern aus boykottierten Staaten das Leben schwer: Früher genügte es, einen Schaltkreis aufzusägen, um seinen Aufbau zu analysieren („Re-Engineering“) und ihn dann nachzubauen. Das ist wegen der Komplexität heutiger Prozessoren ohnehin schon schwieriger geworden. Aber rekonfigurierbaren Bauelementen können Außenstehende überhaupt nicht mehr ansehen, wozu sie gut sind. Auch aus dem Stromverbrauch lassen sich bei den Dresdner Lösungen keine Rückschlüsse mehr ziehen. „Viele Mikroelektronik-Unternehmen haben schon Interesse an dieser Technologie angemeldet“, sagt Thomas Mikolajick. Allerdings werde es noch einige Jahre dauern, bis solche verschleierten Chips Alltagsware sind.

Prof. Thomas Mikolajick auf der Semicon 2019. Foto: Andre Wirsig

Prof. Thomas Mikolajick. Foto: Andre Wirsig für die TUD

5,6 Millionen Euro für das „Dresden Center for Semiconductor Technology“

Das Rekonfig-Projekt geht auf einen der Forschungspfade zurück, den ursprünglich das „Center for Advancing Electronics Dresden“ (CFAED) auf der Suche nach der Mikroelektronik der Zukunft ausgelotet hatte: Die Exzellenz-Wissenschaftler vom CFAED setzten dabei auf „Silizium-Nanoröhrchen“, um Computerchips jenseits der heutigen Fabriktechnologien wachsen zu lassen. Inzwischen entwickelt das neue „Dresden Center for Semiconductor Technology“ (DCST) an der TUD diese Technologie weiter. Ursprünglich war dieser Name für eine neue Ausbaustufe des CFAED gedacht gewesen. Aus diesem Ausbaukonzept wurde zwar wegen ausbleibender Exzellenzfördergelder nichts, dennoch fanden die Uni-Forscher Finanzierungsquellen, um doch noch ein DCST in kleinerem Umfang zu realisieren. Das hat seine Reinraumlabore direkt neben der TUD-Nanoelektroniktochter „Namlab GmbH“ eingerichtet, die Mikolajick in Personalunion leitet.

Ein Mitarbeiter spannt eine Probe unter dem neuen Raster-Kraftmikroskop (AFM) ein. Foto: DCST

Ein Mitarbeiter spannt eine Probe unter dem neuen Raster-Kraftmikroskop (AFM) ein. Foto: DCST

Einen ordentlichen Schub bekam die universitäre Mikroelektronik-Forschung in Dresden in jüngster Zeit durch das „Forlab“-Programm des Bundes, sagt Professor Mikolajick. Insgesamt seien über dieses Programm rund 5,6 Millionen Euro in die Forschungsreinräume in der sächsischen Landeshauptstadt geflossen. „Wir konnten damit unsere Prozessketten mit modernen Anlagen soweit komplettieren, dass wir jetzt selbst komplette Chip-Demonstratoren fertigen können – vom ersten Entwurf bis hin zu Kontaktierungstechnik“, berichtet der Nanoelektronik-Experte.

Uni Freiberg rüstet Leistungshalbleiter-Forlab aus

Das Forlab-Programm startete 2019 und ist mit insgesamt 50 Millionen Euro dotiert. Das Bundesforschungsministerium wählte insgesamt 13 Forlab-Unis aus, die dann Geld bekamen, um sich neue Reinraum-Anlagen anzuschaffen. Die meisten der insgesamt 111 bestellten Aggregate sind inzwischen installiert. Einige Lieferungen verzögern sich wegen Corona allerdings noch bis ins Jahr 2022. In Sachsen kam neben der TU Dresden auch die Bergakademie Freiberg zum Zuge. Sie rüstete mit den Investitionszuschüssen ein „Mat4U“-Labor für neue Leistungselektronik-Materialien aus.

Forlab-Initiative als „Vorbrenner“ für Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland

Das „Forlab“-Netzwerk soll sich um die Vorlaufforschung für die „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) und die deutsche Chipindustrie kümmern. Die FMD wiederum ist ein Netz von elf Fraunhofer- und zwei Leibniz-Instituten mit verschiedenen Mikroelektronik-Forschungsschwerpunkten, die übers ganze Bundesgebiet verteilt sind, seit 2017 aber wie ein großes Elektronik-Entwicklungszentrum gegenüber den Kunden auftreten. Das Bundesforschungsministerium hatte für diesen Verbund rund 350 Millionen Euro Startkapital bereit gestellt, mit denen die Institute vor allem Pilotanlagen bauen. Von beiden Programmen – FMD wie Forlab – hat Sachsen letztlich überdurchschnittlich profitiert.

„Wichtige Investitionen in universitäre Mikroelelektronik-Forschung“

„Die Forlab-Initiative hat wichtige Investitionen in die universitäre Mikroelelektronik-Forschung in der Bundesrepublik ermöglicht und sie vielerorts wieder auf den modernsten Stand gebracht“, schätzt Forlab-Koordinator Mikolajick ein. „Zudem zwingt Forlab uns alle, uns besser zu vernetzen und einzigartige Ausrüstungen wechselseitig zu nutzen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: Interview Mikolajik, Silsax-Day, Oiger-Archiv

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt