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Gemeinschaftsfahren ja – aber bitte ohne Gemeinschaft

"Geteilte Mobilität" zum Beispiel beim "Ride Sharing" in US-Großstädten soll durch die gemeinsame Nutzung von Autos die Umwelt- und Verkehrsbelastung in den Großstädten reduzieren. Grafik: Christiane Kunath für das CFAED

„Geteilte Mobilität“ zum Beispiel beim „Ride Sharing“ in US-Großstädten soll durch die gemeinsame Nutzung von Autos die Umwelt- und Verkehrsbelastung in den Großstädten reduzieren. Grafik: Christiane Kunath für das CFAED

Dresdner Netzwerkdynamiker finden typische Vermeidungsmuster bei „geteilter Mobilität“

Dresden, 1. Juni 2021: Viele Großstädter verhalten sich nicht so, wie es Verkehrsökologen für wünschenswert halten: Sie mögen zwar Gemeinschafts-Fahrdienste wie das sogenannte „Pool Riding“ – aber nur solange, wie sie damit allein statt in Gemeinschaft fahren. Das geht aus einer Analyse der Netzwerkdynamiker David Storch, Prof. Marc Timme und Malte Schröder vom Zentrum für fortgeschrittene Elektronik Dresden (CFAED) hervor.

Viele Nutzer wollen lieber teurer, aber allein fahren

„Fahrgäste spekulieren darauf, zwar den günstigeren Fahrpreis im Tarif der geteilten Fahrten zu nutzen, aber aufgrund einer geringen Nachfrage nach Fahrten dennoch alleine und damit direkt von A nach B befördert zu werden“, erklärt Doktorand David Storch. „Fahrgäste verlieren fast sicher Komfort durch eine geteilte Fahrt. Sie tendieren häufiger dazu, gleich den teureren Tarif zu buchen, um alleine zu fahren.“

Bosch will zur CES 2019 sein Konzept für ein autonomes elektrisches Sammelfahrt-Shuttle vorstellen. Visualisierung: Bosch

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360 Millionen Fahrdaten nach Mustern durchforstet

Für ihre Studie hatten die Dresdner Netzwerkdynamiker nach auffälligen Verhaltensmustern in einem Datenwust aus 360 Millionen Fahrtanfragen für sogenanntes „Ride-Sharing“ in New York City und Chicago gesucht. Beim Ride-Sharing vermitteln Apps oder andere digitale Plattformen die Fahrtwünsche von mehreren Menschen. Dabei versuchen sie diese Wünsche so zu kombinieren, dass sich mehrere Passagiere in ein Auto oder in ein anderes Fahrzeug hineinteilen und dann nach und nach die einzelnen Startpunkte und Fahrziele abkutschen. Dies soll Sprit und andere Fahrtkosten senken, die Verkehrsbelastung auf den Straßen senken und die Umwelt entlasten.

Netzwerkdynamiker setzen Spieltheorie zur Analyse ein

In einer spieltheoretischen Analyse fanden die Dresdner Forscher zwei verschiedene Verhaltensmustern in den Nutzerdatenfluten. „Bei der einen Variante ist die Bereitschaft, Fahrten zu teilen gleichbleibend hoch“, skizziert das CFAED das Muster 1. „Bei der anderen nimmt die Offenheit für geteilte Fahrten jedoch ab, je höher die Nachfrage nach Fahrten insgesamt steigt.“ Denn gerade, wenn viele Nutzer im „Pool“ sind und die Zahl der gewünschten Fahrten stark wächst, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass man oder frau einen Mitfahrer bekommen. Das Fahrzeug muss dann den anderen Nutzer abholen, zu einem weiteren Ziel bringen, zudem müssen die Nutzer einander während der Fahrt ertragen und eine längere Gesamtfahrtzeit in Kauf nehmen. Und das wollen viele offensichtlich nicht.

Studienautoren plädieren für Preisänderungen

Studien-Ko-Autor Malte Schröder ist allerdings überzeugt, dass sich dies durch Preisänderungen umbiegen lässt. „Da beide Verhaltensmuster in den Städten koexistieren, ist vermutlich bereits eine moderate Steigerung der finanziellen Anreize ausreichend, um die Akzeptanz für Ride-Sharing auch an anderen Orten und für andere Nutzergruppen stark zu erhöhen.“ Weil sich diese Mobilitätsdienste allerdings auch irgendwie finanzieren müssen, ist wohl eher davon auszugehen, dass dann gemeinschaftliches Fahren nicht billiger, sondern Alleinefahren teurer würde, wenn man diesem Ansatz folgt.

Autor: hw

Quelle: CFAED / Institut für Theoretische Physik der TUD

Wissenschaftliche Publikation:

David-Maximilian Storch, Marc Timme, Malte Schröder: “Incentive-driven transition to high ride-sharing adoption”, in: “Nature Communications”, DOI: 10.1038/s41467-021-23287-6

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt