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Das Smartphone als chiraler Weinkenner

Die goldenen Nanogitter können zum Beispiel polarisiertes Licht filtern und analysieren. Visualisierung: Martin Mayer für das IPF Dresden

Die goldenen Nanogitter können zum Beispiel polarisiertes Licht filtern und analysieren. Visualisierung: Martin Mayer für das IPF Dresden

Dresdner lassen güldene Nano-Lichtanalysefilter für künftige Mini-Spektrometer selbst wachsen

Dresden, 30. April 2021. In naher Zukunft wird es wohl kein Problem mehr sein, die Güte eines Weins, die Frische eines Apfels oder den Reifegrad eines Bieres berührungslos mit dem Smartphone in der Hand zu bestimmen – ganz ohne die sperrigen und teuren Spektrometer, die heutzutage nur in Laboren herumstehen. Möglich machen könnten dies winzige selbstwachsende Lichtanalyse-Filter, die Physiker, Elektronikexperten und Chemikerinnen aus Dresden, Mainz und Erlangen gemeinsam konstruiert haben. Das berichtet das Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) Dresden.

Erst Nanokanäle graben, dann Gold drüber

Beteiligt waren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom IPF, vom Zukunftselektronik-Zentrum Caed Dresden, vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz sowie von den Unis Dresden und Erlangen. Sie haben gemeinsam das selbstständige Wachstum von mikroskopisch kleinen Goldgitter angeregt. Dafür erzeugen sie zunächst auf einem Trägermaterial Nanokanäle. Dann überschwemmen sie diese Kanallandschaft mit fein verteilten und frei beweglichen („kolloidalen“) Goldteilchen. Die formen sich entlang der Nano-Kanäle eigenständig zu „chiralen“ (griechisch: „händisch“) – das heißt: fast gleichen, aber nicht beliebig spiegelbaren – 3D-Strukuren. Sie lassen sich dann in mehreren Ebenen stapeln, so dass zueinander verstellbare Goldgitter entstehen, die für die Lichtanalyse einsetzbar sind.

Dr. Tobias A.F. König. Foto: Jürgen Jeibmann, IPF Dresden

Dr. Tobias A.F. König. Foto: Jürgen Jeibmann, IPF Dresden

Freigeist König hält preiswerte Massenproduktion für möglich

„Bisher konnten solche Strukturen nur mit aufwendigen und teuren Fertigungsmethoden hergestellt werden“, betont Dr. Tobias König, der seit 2017 als „Freigeist“ der VW-Stiftung am IPF an selbstwachsenden Lichtchips forscht, und zu den Autoren der Studie „Mechano-tunable chiral metasurfaces via colloidal assembly“ gehört. „Durch unseren kolloidalen Selbstanordnungsansatz konnten wir die Nanopartikel großflächig anordnen und in mehrfacher Ausführung herstellen. Die kostengünstige Herstellung, einfache Integration in industrielle Prozesse und der Nachweis der außergewöhnlich hohen Sensitivität ermöglicht eine zukünftige Massenproduktion dieser chiralen Metaoberfläche.“

Auch winzige Genlabore und photonische Rechenwerke möglich

Diese „chirale“ Eigenschaft ist wichtig, um beispielsweise die Zuckermoleküle in einem reifenden Wein durch polarisiertes Licht, das nur in einer Ebene „schwingt“, zu analysieren. Je nach Zuckerart drehen die Weinmoleküle diese Lichtebene etwas – und damit lässt sich unter anderem der „Oechslegrad“ des Weins bestimmen. Mit solchen chiralen 3D-Strukturen lassen sich aber auch winzige Genetiklabore in der Größe eines Computerchips konstruieren. Auch für künftige Lichtcomputer könnte solche selbstwachsenden Bauelemente wichtig sein.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IPFF, König, Nature

Die wissenschaftliche Publikation:

Probst, P. T.; Mayer, M.; Gupta, V.; Steiner, A. M.; Zhou, Z.; Auernhammer, G. K.; König, T. A. F.; Fery, A., Mechano-tunable chiral metasurfaces via colloidal assembly. Nature Materials 2021, doi: 10.1038/s41563-021-00991-8 -> hier im Netz zu finden

 

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