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Der Ingenieur heilt die zerrissene Gesellschaft

Fritz Langs Sci-Fi-Klassiker "Metropolis" nimmt in der Dauerausstellung im Filmmuseum in Berkin besonders viel Raum ein. Repro: Heiko WeckbrodtFritz Langs Sci-Fi-Klassiker "Metropolis" nimmt in der Dauerausstellung im Filmmuseum in Berkin besonders viel Raum ein. Repro: Heiko Weckbrodt

Fritz Langs Sci-Fi-Klassiker „Metropolis“ nahm viele Motive der deutschen Ingenieurfilme der 1930er, die den Ingenieur als Überwinder gesellschaftlicher Konflikte skizzieren, vorweg. Repro: Heiko Weckbrodt

VDI zeichnet Dresdner Soziologin für Buch über deutsche Ingenieur-Filme der 1930er mit Matschoß-Preis aus

Dresden/Düsseldorf, 19. Februar 2021. Ab den 1930er Jahren tauchten in deutschen Filmen, die bis dahin eher expressionistisch geprägt waren und Verbrecher, Künstler oder Polizisten als Protagonisten hatten, immer öfter männliche Ingenieure als Helden technischer Großprojekte auf: Sie verkörperten Fortschrittsoptimismus und den Glauben, dass durch Wissenschaft und Technik nahezu alles erreichbar sei – bis hin zur „Verbesserung“ des Menschen zur „Mensch-Maschine“.

Wie es zu diesen „Ingenieurfilmen“ kam, welche Motive dabei dominierten und welche Ideologiemuster darin mitschwangen, das hat die Technikhistorikerin Dr. Anke Woschesch vom Deutschen Hygienemuseum in Dresden untersucht. Für ihr Buch „Ingenieure auf der Leinwand: Technische Visionen und Ordnungsvorstellungen im deutschen Zukunftsfilm der 1930er Jahre“ verlieh ihr nun der „Verein Deutscher Ingenieure“ aus Düsseldorf den Conrad-Matschoß-Preis 2021. Woschesch teilt sich den mit 4000 Euro dotierten Preis mit Dr. Daniela Mysliwietz-Fleiß von der Uni Siegen. Diese hatte über „Die Fabrik als touristische Attraktion“ dissertiert, wie aus einer VDI-Mitteilung hervorgeht.

Video: Anke Woschesch
stellt ihr Buch vor (Video: VDI)

Einst erfolgreiche Zukunftsfilme heute fast vergessen

„Diese Zukunftsfilme sind heutzutage wenig bekannt, waren aber damals sehr erfolgreich“, schätzt Anke Woschesch ein. Als Beispiele für solche Ingenieurfilme der 1930er verweist sie beispielsweise auf „F.P.1 antwortet nicht“ über den Bau einer Flugplattform im Atlantischen Ozean, „Der Tunnel“ über ein transatlantisches Tunnelprojekt, „Gold“ über einen atomtechnologischen Stein der Weisen, die Robotergeschichte „Der Herr der Welt“ oder „Die Welt ohne Maske“ über die Erfindung eines Fernsehapparates.

Kapitalist als Gegenspieler des Ingenieurs

Darin seien immer wieder Grundmuster zu erkennen, die ein Stück Zeitgeist spiegeln. Als Gegenspieler agieren in solchen Filmen beispielsweise oft habgierige Großunternehmer und Kapitalisten, die die fortschrittlichen Projekte der Ingenieure torpedieren oder vereinnahmen. Zudem weisen die Regisseure den Ingenieuren eine besondere Rolle als Vermittler und Überwinder von Klassenkampf und Konflikten mit dem Arbeitervolk zu – ähnlich wie dies schon Fritz Lang und Thea von Harbou 1927 in „Metropolis“ taten. Dabei spielten teils technokratische, teils auch völkische Deutungsmuster eine Rolle.

Zerrspiegel der Konflikte in der Zwischenkriegszeit

„Diese Filme sollten nicht nur als fortschrittsoptimistische Technikvision gelesen werden“, betont Anke Woschesch. „Mit dem wiederkehrenden Konstellations-Dreieck von Arbeit, Technik und Kapital lassen sie sich als Zerrspiegel einer zentralen Konfliktlinie der industriellen Klassengesellschaft der Zwischenkriegszeit verstehen.“

Umschlag des Buchs "Ingenieure auf der Leinwand" von Anke Woschech. Abb.: Peter-Lang-Verlag

Umschlag des Buchs „Ingenieure auf der Leinwand“ von Anke Woschech. Abb.: Peter-Lang-Verlag

Kurzinfos zum Buch:

Anke Woschesch: „Ingenieure auf der Leinwand: Technische Visionen und Ordnungsvorstellungen im deutschen Zukunftsfilm der 1930er Jahre“, Sachbuch, Berlin 2019, Peter-Lang-Verlag, 376 Seiten, ISBN 978-3631793091, Preis: 47,50 Euro

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: VDI, Peter-Lang-Verlag

Zum Weiterlesen:

Urfassung von „Metropolis“ rekonstruiert

Dem Ingenieur ist nichts zu schwer

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt