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Globalfoundries will Chipwerk in Dresden für eine Milliarde Euro ausbauen

Manfred Horstmann ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer von Globalfoundries Dresden. Foto: GF Dresden

Manfred Horstmann ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer von Globalfoundries Dresden. Foto: GF Dresden

Eine Million Wafer-Starts pro Jahr geplant: Kapazitäten sollen sich mehr als verdoppeln

Dresden, 1. Februar 2021. Globalfoundries will sein Halbleiterwerk in Dresden stark ausbauen: Das Unternehmen plant, mit eigenen Mitteln sowie staatlicher Unterstützung im Rahmen des IPCEI-Programms* die Produktionskapazität in Europas größer Chipfabrik bis auf eine Million Siliziumscheiben (Wafer) pro Jahr zu erhöhen, auf das Zweieinhalbfache der heutigen Produktionsmengen. Das hat der neue Standortchef Manfred Horstmann angekündigt. Genaue Zahlen wollte er noch nicht nennen, da die Gespräche mit der Bundesregierung aktuell laufen. Dem Vernehmen nach handelt es sich aber um eine Investition von deutlich mehr als einer Milliarde Euro. Oiger-Reporter Heiko Weckbrodt hat Geschäftsführer Manfred Horstmann und Standortsprecher Jens Drews über diese und weitere Pläne von Globalfoundries Dresden im Interview befragt.

Die deutsche Autoindustrie jammert über Chip-Mangel. Ist das Ihre Chance, kurzfristig neue Großaufträge an Land zu ziehen?

Manfred Horstmann: Tatsächlich bekomme ich derzeit viele Anrufe von namhaften Automobilzulieferern und teilweise auch von den Autoherstellern selbst, die unsere Chips wollen. Das wird in einigen Fällen zu konkreten Aufträgen führen, aber nicht immer. Denn wir sind zwar inzwischen für die Produktion solcher Halbleiter zertifiziert und stellen zum Beispiel GPS-Chips, Radar-Devices und andere elektronische Bauteile für Autos her. Allerdings muss man mit anderthalb bis zwei Jahren Produktionsvorlauf rechnen, das geht nicht von heute auf morgen.

Das klingt nach vielen Wachstumschancen…

Manfred Horstmann: Es läuft wieder sehr gut für den Standort. Die Schwächeperiode, die wir vor einigen Jahren hatten, ist überwunden. Wir haben unser Produktportfolio, das ursprünglich nur aus Mikroprozessoren bestand, deutlich ausgeweitet. Das zahlt sich mehr und mehr aus. Wir stellen jetzt beispielsweise auch Audio-Wandler für Handys her, Treiber-Chips für die Oled-Bildschirme von Smartphones, Elektronik für Spracherkennungssysteme und gerade für Consumer- und Autoelektronik bekommen wir immer mehr Aufträge. Wir fahren die Fabrik jetzt schon mit Überauslastung und wollen sie daher ausbauen.

Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Globalfoundries Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Was ist Ihr Plan?

Manfred Horstmann: Wir wollen am Standort um den Faktor 2,5 wachsen – auf rund eine Million Waferstarts pro Jahr. Die Auftragslage gibt das her. Einen Teil der zusätzlichen Ausrüstungen können wir in unserem heutigen Reinraum unterbringen. Aber am Ende wird wahrscheinlich auch ein Anbau notwendig sein. Dort wollen wir die nächste Stufe der FDX*-Technologie realisieren. Im Fokus haben wir dabei vor allem neue Anwendungen wie Künstliche Intelligenz, neuromorphe Schaltkreise und dergleichen mehr.

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Jens Drews. Foto: Silicon Saxony

Wieviele neue Arbeitsplätze entstehen dadurch? Was kostet das und wie wollen Sie das finanzieren?

Jens Drews: Die konkreten Investititons Zahlen können wir noch nicht nennen, weil die Gespräche mit der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen sind. Wir wollen unsere Pläne im Rahmen eines europaweiten IPCEI**-Projekts verwirklichen. Denn es geht letztendlich darum, Europas digitale Souveränität deutlich zu stärken.

Manfred Horstmann: Der Ausbau wird natürlich in erster Linie durch Investitionen der Konzernmutter finanziert. Und was die Arbeitsplätze betrifft: Wir haben 2020 bereits 200 neue Mitarbeiter eingestellt. Wir setzen auch auf weitere Automatisierung der Produktion und einen Mix von eigenen Mitarbeitern, Experten der Anlagenhersteller, die uns vor Ort unterstützen, und auf externe Kräfte.

Die in Dresden verwendete 22FDX-Technik wird nicht ewig die Wünsche der Kunden befriedigen können. Steht für Sie der Umstieg auf Technologien wie „Gate all around“ und die Lithografie mit Extrem-Ultraviolettstrahlen, also EUV, in absehbarer Zeit auf der Agenda?

Manfred Horstmann: Nein. Man braucht nicht für alles gleich EUV-Anlagen. Wir wollen unsere FDX-Technologie weiterentwickeln – da ist noch vieles auch ohne ständiges Shrinking*** möglich. Schon jetzt sind mit unseren Anlagen neuromorphe Elemente und Edge-AI-Komponenten möglich. Zudem arbeiten wir mit unseren Partnern beispielsweise an besseren Masken und einer besseren elektrischen Leistung der Transistoren– es gibt da noch viele Verbesserungsmöglichkeiten.

Kürzlich kamen vorsichtige Annäherungssignale von Ihnen im jahrelangen Streit mit den Gewerkschaften. Heißt das, Globalfoundries Dresden bekommt nun doch einen Tarifvertrag?

Manfred Horstmann: Ich hatte Anfang Januar ein Treffen mit Gewerkschaftsvertretern. Das war ein sehr konstruktives Gespräch. Wir haben eine Arbeitsgruppe für weitere Diskussionen gebildet. Aber wir haben auch Stillschweigen vereinbart und daher kann ich nicht mehr darüber sagen.

Die Stromspar-Chips von Globalfoundries sollen eine Schlüsselrolle in der hochautomatisierten Fabrik der Zukunft und im "Internet der Dinge" spielen. Foto: Sven Döring, Globalfoundries

Die Stromspar-Chips von Globalfoundries sollen eine Schlüsselrolle in der hochautomatisierten Fabrik der Zukunft und im „Internet der Dinge“ spielen. Foto: Sven Döring, Globalfoundries

Was wünschen Sie sich von den Politikern von EU, Bund, Land und Stadt?

Manfred Horstmann: Dresden ist längst der größte Halbleiterstandort in Europa und Globalfoundries betreibt wiederum die größte Fabrik in diesem Cluster. Meine Vision ist es, diese Position weiter auszubauen. Jetzt ist ein günstiger Moment, um wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen. Aber wir brauchen dafür mehr Schnelligkeit bei den politischen Entscheidungen.

Jens Drews: Im Freistaat wird die Wichtigkeit dieses Anliegens verstanden. Aber es geht eben nicht nur um Sachsen, sondern um die digitale Souveränität Europas. Diese Erkenntnis hat sich noch nicht überall durchgesetzt.

Die EU muss sicherlich nicht jeden Chip selber herstellen. Aber wir sollten die Forschung, Entwicklung und die Fertigungskapazitäten in Europa in Partnerschaft zwischen den Unternehmen und den Regierungen ausbauen, um die krisenfeste Verfügbarkeit besonders wichtiger Komponenten abzusichern. Leider hindern uns daran zu oft Regelwerke, die die aus der Zeit vor der Erfindung der Fax-Maschine stammen. Auf den Punkt gebracht: Die Zukunft der Mikroelektronik in Europa darf nicht durch prozedurales klein-klein weiter ins Hintertreffen geraten.

Interview: Heiko Weckbrodt

* FDX ist die Globalfoundries-Version der Stromspar-Transistortechnologie „Fully Depleted Silicon on Insulator“ (FD-SOI)

** IPCEI = „Important Project of Common European Interest“. Solch ein „Wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischen Interesse” kann mit deutlich höheren Zuschüssen von EU, Bund beziehungsweise Land rechnen als normale Investitionen. Im Dezember 2020 haben 19 EU-Staaten 143 Milliarden Euro für eine neues europäische Halbleiter-Initiative und ein neues Mikroelektronik-IPCEI versprochen.

*** Shrinking = schrumpfen, wird in der Halbleiter-Branche der Übergang zu neuen Chipgenerationen mit noch feineren Nano-Strukturen genannt.

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Kommentar: Autoindustrie sollte sich am Ausbau der deutschen Halbleiterindustrie beteiligen

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt