Karbon-Bauteile-Hersteller schult Belegschaft und sucht neue Absatzmärkte in pandemischen Zeiten
Dresden. Selbst erfolgsverwöhnte Hochtechnologie-Unternehmen sind gegen Corona nicht gefeit. Das hat auch das auf Karbonbauteile für Elektroautos, Flugzeuge und Raketen spezialisierte Unternehmen „Hightex Verstärkungsstrukturen“ aus Klipphausen gemerkt – und neue Strategien für pandemische Zeiten entwickelt. Für die Ingenieure und Hightex-Chefs Jeanette Scherf und Dirk Feltin ist ihre Unternehmen wie „eine zweite Familie“. Und dieses Gefühl wollen sich auch den 61 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten, gerade jetzt, in der Krise.
Sparten gleichen Arbeitspensum untereinander aus
„Wenn unsere Luftfahrt-Sparte nur noch zu 50 Prozent ausgelastet ist, wir aber weiter viele Automobilaufträge haben, dann teilen wir die Arbeit in der Belegschaft möglichst gerecht auf“, erzählt Feltin. So hat jeder noch mindestens die Hälfte des Pensums aus der Vor-Corona-Zeit. Zudem stockt der Betrieb das reguläre Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des normalen Lohnniveaus auf, damit alle ein Auskommen haben. „Das finanzieren wir aus den Rücklagen“, verrät Scherf. Diese Reserven lassen sich freilich nicht unbegrenzt anzapfen.
Sprachkurse für ausländische Kollegen und Industrie 4.0 für alle
Parallel dazu investiert das Unternehmen in Maschinen und Know-how, erschließt sich neue Märkte im Maschinenbau, schult die Mitarbeiter, die weniger zu tun haben, in „Industrie 4.0“ und anderen zukunftsweisenden Technologien. Die ausländischen Kollegen bekommen Sprachunterricht im Betrieb, andere haben zeitweise Masken genäht – so dass die Corona-Krise keine vollends verlorene Zeit war und ist.
Umsatz im Corona-Jahr um 40 % gesunken
„Jetzt rettet uns, dass wir in den vergangenen Jahren in zusätzliche Geschäftsfelder investiert, neue Hallen mit hochautomatisierter Produktion und Robotern gebaut und dennoch Rücklagen gebildet haben“, schätzt Scherf ein. „Inzwischen sind wir viel breiter als vorher aufgestellt.“ Diese Diversifizierung sorge dafür, dass die Hightexer nicht den Mut verlieren und trotz drastischer Auftragsrückgänge und einem um 40 Prozent geschrumpften Umsatz noch zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Alles begann mit der Faserausrichtung im Polymerinstitut
Das ist gar nicht so selbstverständlich, denn anfangs war das Unternehmen sehr auf die Luftfahrt fokussiert, die jetzt schwächelt. 1998 hatte sich Horst Rothe vom Institut für Polymerforschung Dresden selbstständig gemacht und die Hightex Verstärkungsstrukturen GmbH gegründet, damals noch in der Landeshauptstadt. Zunächst stickte, fixierte und verfestigte das junge Unternehmen Kunststofffasern auf einem Basismaterial zu besonders leichten und doch sehr beanspruchbaren Flugzeug-Bauteilen. Bei dieser Dresdner Innovation, die sich unter dem Namen „Tailored Fibre Placement“ (TFP) in der Fachwelt einbürgerte, blieb es aber nicht: Eigenentwickelte Maschinen erschlossen dem Unternehmen mehr Verarbeitungstechnologien.
Auch „Ariane 6“-Entwickler wollen Leichtbauteile von Hightex
Der Umzug 2007 nach Klipphausen verschaffte Hightex auch Expansionsmöglichkeiten. Das Industrie-4.0-Know-how sowie die Erfahrungen mit der Luftfahrtindustrie überzeugten mehr und mehr Kunden aus ganz anderen Branchen: BMW platzierte Großaufträge für seine Elektroautos i3 und i20 in Klipphausen. Und die europäische Raumfahrtindustrie wünschte sich Hightex-Bauteile für die „Ariane 6“-Rakete.
Erholung im Flugzeugbau erst für 2022 erwartet
Normalerweise verteilen sich die Umsätze inzwischen fast gleichmäßig auf Leichtbauteile für den Automobilsektor, Luft- und Raumfahrt sowie die allgemeine Industrie – wenn nicht gerade ein Virus wütet. „Wir rechnen damit, dass sich der Flugzeugbau erst 2022 wieder erholt“, sagt Feltin mit Blick auf die jüngsten Corona-Dellen in den Auftragsbüchern. Immerhin haben die Sachsen wenigstens bis 2028 die BMW-Aufträge sicher, zudem könnte bald auch der Raumfahrtsektor anspringen. Irgendwie, so meint Scherf, werde das Unternehmen durch die aktuelle schwierige Phase hindurchnavigieren – damit habe sie schon Erfahrung.
Enge Verflechtung mit Sachsens Forschungsinstituten hilft
Hightex kann dabei mit Pfunden wuchern, die viel mit Forschergeist, Flexibilität und lokalen Standortvorteilen zu tun haben: „Die Förderung wie in Sachsen gibt es in anderen Bundesländern nicht“, sagt Feltin. „Außerdem haben wir eine Top-Forschung an den Unis und den Fraunhofer-Instituten in Dresden und Chemnitz. Dadurch entdecken wir auch junge Ingenieure für uns: Wir betreuen Diplomarbeiten und Belegarbeiten von Studenten, die später vielleicht einmal bei uns arbeiten.“ Hinzu komme die enge Kooperation mit vielen Verbänden und Partnerunternehmen. Das zahle sich langfristig aus, meint Scherf: „Netzwerke sind das A und O, auch, um neue Leute und Aufträge zu gewinnen.“
Devise der Stunde: Arbeitsplätze sichern, um die schwarze Null kämpfen
Und um solche Aufträge und Netzwerkprojekte dann auch arbeiten zu können, hat Hightex immer wieder investiert – zum Beispiel jüngst erst in eine neue 4000 Quadratmeter große und rund sechs Millionen Euro teure Produktionshalle im Gewerbegebiet Klipphausen. Die ist zwar derzeit längst nicht ausgelastet. Aber ohnehin sind für die Chefs im Moment erst mal die kurzfristigen Ziele vorrangig: „Arbeitsplätze sichern, Auslastung wieder steigern und um die schwarze Null kämpfen“, zählt Scherf auf. „Später kommt auch wieder das Wachstum.“
Kurzüberblick Hightex:
- Unternehmen: Hightex Verstärkungsstrukturen GmbH
- Hauptsitz: Klipphausen
- Geschäftszweck: Entwicklung und Produktion von karbon- und textilbasierten Leichtbauteilen für Autos, Flugzeuge, Raumschiffe und Roboter
- Gründung: 1998 in Dresden
- Umsatz: knapp sieben Millionen Euro
- Belegschaftsstärke: 61 Mitarbeiter
- Mehr Infos im Netz: hightex-dresden.de
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Termin Hightex, Oiger-Archiv
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