Kommentar & Glosse, Kunst & Kultur, zAufi

Machtfragen – Sprachmacht?

Gender-Sprache ist umstritten. Montage: hw

Gender-Sprache ist umstritten. Montage: hw

Ein Gastkommentar zur „Gender“-Forderung an das Unijournal

Ende September 2020 forderte die neue Rektorin der TU Dresden die Redaktion des Dresdner Universitätsjournals auf, künftig alle Texte im UJ zu „gendern“. Damit wurde der bisherige Einsatz der UJ-Kollegen für das generische Maskulinum und gegen Sprachverhunzung per Dekret gestoppt. Diese Vorschrift auf dem Wege der Anweisung von oben erinnert an DDR-Verhältnisse, in denen aus Gründen ideologischer Wunschbilder und machtpolitischer Vorstellungen in die Sprache eingegriffen wurde und das Denken auf Linie gebracht werden sollte.

Im Ergebnis nun wird diese neue Redaktionspraxis dazu beitragen, den berechtigten Kampf um Gleichberechtigung der Geschlechter auf die Ebene der Gleichmacherei zu verschieben und die Gesellschaft weiter zu polarisieren. Aus dem ideologischen Bestreben heraus, Frauen in der Gesellschaft „sichtbarer“ zu machen, entstehen sprech-erschwerende Wortungetüme (Wähler_innen, Wähler*innen, WählerInnen). Solche Sprachschwurbeleien betonen zudem ihren gewollt dualen, ausgrenzenden Charakter und ignorieren, dass auch in Deutschland die Anerkennung des dritten Geschlechts mittlerweile verpflichtend ist. (Insofern können auch solche Drückeberger-Formulierungen wie „liebe Studentinnen und Studenten“ oder „die Wählerinnen und Wähler haben entschieden“ diskriminierend sein.) Lasst uns einfach „Studenten“ und „Wähler“ sagen, denn darin sind alle Geschlechter gleichberechtigt enthalten!

Rück- und nicht fortschrittlich

Übrigens: Dass sich in der Sprachgeschichte durch Abstraktion Begriffe für die zusammenfassende Benennung von Gruppen herausgebildet haben, in denen zwar verschiedenartige Objekte enthalten sind, die aber auch über einige gleiche Eigenschaften verfügen, ist eine menschliche Kulturleistung. Wer darauf besteht, dass Sprache statt dieser zusammenfassenden Gruppenbegriffe eine Aufzählung der Einzelobjekte zu verwenden habe, attackiert diese Kulturleistung. Das ist rück- und nicht fortschrittlich.

Ende 2012 wurde im Dresdner Universitätsjournal folgendes Schmunzelstück veröffentlicht:

Verführt von Brotduft (Gender-Version)

Zufußgehende schlenderten durch die Gasse. Vor dem Treppchen des Backenden, aus dessen Tür ein verlockender Duft von frischem Brot strömte, stritten zwei Fahrende, deren Lieferwagen ineinander verkeilt waren, wer der Übeltuende sei und was die Unfallursache gewesen sein könnte. Zwei Radfahrende, in den Ohren Hörstöpsel mit Musik, radelten in das Duo der streitenden Fahrenden, verletzten sich ziemlich schwer und mussten von Rotkreuzhelfenden versorgt werden. Typisch Studierende-Radfahrende, dachte da mancher Zuschauende, darunter überwiegend Anwohnende, solche Träumenden brauchen eigentlich Aufpassende. Ob das alles nicht vielleicht am duftenden Brot liegt, fragte ein Zweifelnder. Das brachte den Backenden in Schwierigkeiten. Als ambitionierter Handwerkender freute er sich über den verlockenden Duft, als potenzieller Verkehrsteilnehmender fühlte er sich fast schuldig. Wie leicht kann man doch, verführt von Brotduft, vom Fahrenden zum Zufußgehenden werden …

Sie haben das nicht so recht verstanden? Wohin es führt, wenn man konsequent auf politisch korrekte Formulierungen und damit auf die Zwangsneutralisierung alles Weiblichen und Männlichen verzichtet, sieht man an folgendem versimpelten Text, dessen primitive Einfachheit gerade an einer Universität beleidigend wirken muss.

Verführt von Brotduft (dechiffrierte Version)

Fußgänger schlenderten durch die Gasse. Vor dem Treppchen des Bäckers, aus dessen Tür ein verlockender Duft von frischem Brot strömte, stritten zwei Fahrer, deren Lieferwagen ineinander verkeilt waren, wer der Übeltäter sei und was die Unfallursache gewesen sein könnte. Zwei Radfahrer, in den Ohren Hörstöpsel mit Musik, radelten in das Duo der streitenden Fahrer, verletzten sich ziemlich schwer und mussten von Rotkreuzhelfern versorgt werden. Typisch Studenten-Radfahrer, dachte da mancher Zuschauer, darunter überwiegend Anwohner, solche Träumer brauchen eigentlich Aufpasser. Ob das alles nicht vielleicht am duftenden Brot liegt?, fragte ein Zweifler. Das brachte den Bäcker in Schwierigkeiten. Als ambitionierter Handwerker freute er sich über den verlockenden Duft, als potenzieller Verkehrsteilnehmer fühlte er sich fast schuldig. Wie leicht kann man doch, verführt von Brotduft, vom Fahrer zum Fußgänger werden …

Autor: Mathias Bäumel

Mathias Bäumel. Foto: Matthias Creutziger/Musik-in-dresden.de

Mathias Bäumel. Foto: Matthias Creutziger/Musik-in-dresden.de

Hinweis: Unser Kommentator Mathias Bäumel war vor dem Ruhestand verantwortlicher Redakteur des Dresdner Universitätsjournals.

Zum Weiterlesen:

Schreiben wie man denkt

Mehr Professorinnen

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt