Physiker und Mediziner erproben in Dresden Mikroroboter für die Karzinom-Vorsorge
Dresden/Chemnitz, 1. September 2020. Der sächsische Nanotechnologe Prof. Oliver Schmidt will Krebs mit kleinen Raketenrobotern bekämpfen. Ausgestattet mit winzigen Blasenantrieben und Frachtcontainern, sollen diese Miniaturroboter durch Patientenkörper navigieren, Tumore und Metastasen aufstöbern, sie für die Ärzte sichtbar machen und schließlich vernichten.
Video über den Mini-Raketenroboter von der TU Chemnitz:
Doppelzylinder mit Blasenantrieb
Zwar sind bis zu diesem Punkt noch viele technische, biologische und medizinische Herausforderungen zu lösen. Doch erste Stufen dieser Technologie wollen Professor Schmidt und seine Kollegen schon in naher Zukunft bis zum praktischen Probeeinsatz führen. Dafür hat der am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden und an der TU Chemnitz tätige Physiker den weltweit kleinsten steuerbaren mikroelektronischen Düsenantrieb konstruiert. Der misst weniger als ein Millimeter und besteht aus zwei Zylindern, die mit einem Wasserstoffperoxid-Tank gekoppelt sind. Mit Magnetfeldern kann Schmidt beeinflussen, in welchem der beiden Rohre Sauerstoffblasen entstehen und dann wie in einem Raketentriebwerk ausgestoßen werden. Durch den Doppelantrieb kann er den Mikrorobotern sogar Steuerbefehle wie „nach links“ oder „nach rechts“ geben.
Neuer Treibstoff gesucht
„Diese Antriebe halten stundenlang durch“, berichtet der Forscher. „An Mäusen haben wir das schon ausprobiert.“ Für den Einsatz im Menschen muss er allerdings erst noch einen biologisch verträglicheren Treibstoff als Wasserstoffperoxid finden. Doch schon jetzt sehen Schmidt und seine Forschungspartner faszinierende Perspektiven für die winzigen Raketenroboter.
Schwärme könnten Metastasen mit kleinen Chemokeulen vernichten
„Sie lassen sich zu Schwärmen zusammenschließen“; betont der Wissenschaftler. Denkbar sei, mit derartigen Schwärmen zum Beispiel zielgerichtet Spermien zu Eizellen zu bringen, um sie zu befruchten. Und für den Kampf gegen vagabundierende Krebszellen, die Ärzte mit Strahlenkanonen nicht in den Griff bekommen, könnten die Schwärme chemotherapeutische Medikamente laden.
Zunächst stehen bildgebende Verfahren im Fokus
In der ersten Phase wollen Schmidt und seine Forschungspartner vom „Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Digitale Gesundheit“ (EKFZ) Dresden mit den Minirobotern aber zunächst neuartige bildgebende Diagnostik-Verfahren entwickeln: Ausgerüstet mit Ultraschall-Sendern, sollen die Winzlinge im menschlichen Körper ungesunde Wucherungen aufspüren und sich dort anlagern. Mittels opto-akustischer Verfahren könnten Ärzte dann von außen tief in das Gewerbe hineinschauen – und hochauflösende 3D-Bilder von gefährlichen Geschwüren bekommen.
Spiegelungen wie bei Darmkrebs-Vorsorge sind nichts für die Galle
„Darmkrebs zum Beispiel entwickelt sich aus Vorstufen wie etwa Polypen, die heute durch Vorsorge-Untersuchungen erkennbar sind. Dadurch ist Darmkrebs zu einer vermeidbaren Krebsart geworden“, erklärt EKFZ-Sprecher Prof. Jochen Hampe, welche Hoffnung die Mediziner mit Schmidts Raketenrobotern verbinden. „Bei Gallenkrebs dagegen ist die Vorsorge schwieriger, weil die Gallengefäße so weitverzweigt und klein sind.“ Mit einem klassischen Endoskop könne ein Arzt dieses Gefäßsystem nicht absuchen. „Wir hoffen daher auf mikro-robotische Ansätze.“ Deshalb wollen Physiker und Mediziner in Dresden nun gemeinsam erproben, ob Schmidts Raketenroboter diese Aufgabe übernehmen können – damit Gallenkrebs-Früherkennung künftig ähnlich selbstverständlich wird wie andere Vorsorge-Untersuchungen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Recherche, EKFZ, IFW, TUC
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