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Studie: Laborergebnisse bei akuter Leukämie abwarten

Bei der Behandlung von Patienten mit einer akuten myeloischen Leukämie haben Ärzte künftig einen größeren zeitlichen Spielraum, um über die optimale Therapie zu entscheiden.. Foto: Marc Eisele für das Uniklinikum Dresden

Bei der Behandlung von Patienten mit einer akuten myeloischen Leukämie haben Ärzte künftig einen größeren zeitlichen Spielraum, um über die optimale Therapie zu entscheiden.. Foto: Marc Eisele für das Uniklinikum Dresden

Viele Ärzte starten beim Befund „AML“ sofort die „Chemo“ begonnen – doch das ist oft gar nicht ratsam

Dresden, 6. Juni 2020. Auch bei akutem weißen Blutkrebs sind überstürzte Therapie-Entscheidungen wenig ratsam – selbst wenn den Ärzten und Patienten scheinbar die Zeit durch die Hände rinnt: Bei „Akuter myeloischer Leukämie“ (AML) lohnt es sich sehr wohl, die genauen Laborergebnisse abzuwarten, bevor die Behandlung beginnt. Das hat eine Studie ergeben, bei der Forscher aus 23 deutschen Kliniken die Verlaufsdaten von AML-Patienten ausgewertet haben. Das hat das „Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden“ (NCT/UCC) mitgeteilt, das gemeinsam mit weiteren Partnern die Studie realisiert hatte.

Seltene, aber tückische Krankheit

„Akute myeloische Leukämie“ gehört mit jährlich 3,5 Neudiagnosen pro 100.000 Einwohner zu den eher seltenen Krankheiten. Dabei produziert das Knochenmarkt viel zu viele unreife weiße Blutzellen. AML äußert sich oft in Müdigkeit. Erkrankte Kinder wollen nicht mehr spielen, sind blass und fühlen sich matt.

Nach Diagnose bleiben oft nur noch Wochen

Im Falle einer Diagnose haben Ärzte in der Vergangenheit oft noch am gleichen Tag eine Chemotherapie oder eine andere Behandlung begonnen. Denn AML schreitet sehr schnell voran: „Bleibt die Krankheit unbehandelt, überleben Patienten nach Diagnosestellung im Mittel nur einen Zeitraum von etwa 17 Wochen“, betonen die NCT-Krebsforscher.

Martin Bornhäuser. Foto: UKD

Martin Bornhäuser. Foto: UKD

Zusammen mit dem Uniklinikum Dresden, der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und weiteren Partnern sind sie sich nach einer Datenanalyse von 2.263 Patienten nun aber sicher: Es lohnt sich, bis zu zwei Wochen auf gründliche genetische Analysen und Laborergebnisse zu warten. Denn gewisse genetische Risikofaktoren und das Alter der Patienten haben „einen deutlichen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Wirksamkeit einer Therapie“, so das NCT. Anhand genauerer Analysen könne der behandelnde Arzt besser eine Therapie aussuchen, die genau auf die besonderen Krankheitsmerkmale seines Patienten abgestimmt ist.

Genetische und Laboranalysen führen zu präziserer Therapie

Die Laborbefunde seien wichtig, um „gegebenenfalls eine hochwirksame zielgerichtete Therapie gegen bestimmte Krankheitsmerkmale wählen zu können, die nur bei einem Teil der Patienten vorhanden sind“ betonte Prof. Martin Bornhäuser vom NCT-Direktorium. „Diese Behandlungsoptionen können nicht genutzt werden, wenn unmittelbar mit einer intensiven Standard-Chemotherapie begonnen wird. Patienten können so von einer Verzögerung des Behandlungsbeginns profitieren.“ Als Folge der Studie sei inzwischen die deutschen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der AML überarbeitet worden.

Autor: Oiger

Quellen: NCT/UCC, kinderkrebsinfo.de

Wissenschaftliche Publikation:

Christoph Röllig, Michael Kramer, Christoph Schliemann, Jan-Henrik Mikesch, Björn Steffen, Alwin Krämer, Richard Noppeney, Kerstin Schäfer-Eckart, Stefan Krause, Mathias Hänel, Regina Herbst, Volker Kunzmann, Hermann Einsele, Edgar Jost, Tim H. Brümmendorf, Sebastian Scholl, Andreas Hochhaus, Andreas Neubauer, Kristina Sohlbach, Lars Fransecky, Martin Kaufmann, Dirk Niemann, Markus Schaich, Norbert Frickhofen, Alexander Kiani, Frank Heits, Ulrich Krümpelmann, Ulrich Kaiser, Johannes Kullmer, Maxi Wass, Friedrich Stölzel, Malte von Bonin, Moritz Middeke, Christian Thiede, Johannes Schetelig, Wolfgang E Berdel, Gerhard Ehninger, Claudia D Baldus, Carsten Müller-Tidow, Uwe Platzbecker, Hubert Serve, Martin Bornhäuser: Does time from diagnosis to treatment affect the prognosis of patients with newly diagnosed acute myeloid leukemia? in: „Blood“, DOI: https://doi.org/10.1182/blood.2019004583

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt