Halbleiterindustrie, Wirtschaftspolitik, zAufi

Sachsen sichert Nanoelektronik-Zentrum CNT Dresden mit 43 Millionen Euro

Das CNT arbeitet mit einer 300-mm-Linie im früheren Qimonda-Reinraum - solche Forschungsbedingungen gibt es europaweit sonst nur selten. Abb.: CNT

Das CNT arbeitet bisher noch mit einer 300-mm-Linie im früheren Qimonda-Reinraum – solche Forschungsbedingungen gibt es europaweit sonst nur selten. Abb.: CNT

Die Forscher übernehmen die frühere E-Papier-Fabrik. Freistaat und Fraunhofer liebäugeln mit der Konzentration weiterer Chip-Institute.

Dresden, 3. Dezember 2019. Um das Fraunhofer-Nanoelektronikzentrum CNT in Dresden langfristig abzusichern, wird die sächsische Regierung für die Forschungseinrichtung 43,4 Millionen Euro zuschießen. Das hat das sächsische Wissenschaftsministerium auf Oiger-Anfrage mitgeteilt. Perspektivisch könnte das damit finanzierte Umzugsprojekt als Wachstumskern für ein größeres Dresdner Elektronikforschungs-Konglomerat nach französischem und belgischem Vorbild dienen.

Blick in die "Plastic Logic"-Fabrik für elektronisches Papier in Dresden. Foto: PL

Inzwischen stillgelegt: Das Archivbild zeigt die „Plastic Logic“-Fabrik für elektronisches Papier in Dresden. Foto: PL

Infineon wächst, CNT-Forscher müssen raus

Hintergrund: Das CNT hatte sich nach seiner Gründung im Jahr 2005 in Reinräume von Infineon Dresden eingemietet. Weil der Halbleiterkonzern aber wächst und die Produktionshalle nun selbst braucht, müssen die Fraunhofer-Forscher spätestens Ende Januar 2021 ihr altes Domizil räumen. Derweil hat allerdings das Unternehmen „Plastic Logic“ (PL) die Produktion von elektronischem Papier in seinem Werk in Dresden-Hellerau mangels Nachfrage gestoppt. Die Reste von PL Deutschland sind inzwischen in das Dresdner Technologiezentrum „Universelle Werke“ umgezogen. Dadurch steht An der Bartlake nun eine ganze Reinraumfabrik frei. Die muss allerdings auf eine höhere Reinraumklasse aufgewertet und mit zusätzlicher Technik ausgestattet werden. Erst dann kann das CNT mit seinen anspruchsvollen Anlagen für 300 Millimeter große Chipscheiben (Wafer) dort einziehen. Vor allem dafür hat der Freistaat die Zuschüsse versprochen.

Am Dresdner Assid erproben die Fraunhoferforscher an 300-mm-Linien die 3D-Chipintegration. Foto: Fraunhofer

Auch Umzug der Chipmontage-Experten vom Assid steht zur Debatte

Fraunhofer und Freistaat liebäugeln allerdings langfristig mit einem noch größeren Wurf: Da der PL-Reinraum mit 4000 Quadratmetern recht groß ist, ließe sich neben dem CNT noch ein weiteres Dresdner Elektronikforschungszentrum, das Fraunhofer-„Assid“ unterbringen, das derzeit in einem 800 Quadratmeter umfassenden Ex-Qimonda-Reinraum an der Stadtgrenze von Dresden und Boxdorf arbeitet. Diese Lösung hätte einen besonderen Charme, weil sich beide Zentren gut ergänzen: Das Assid ist auf Chipmontage, 3D-Chips und spezielle Kontaktierungen spezialisiert, also das sogenannte „Backend“ der Mikroelektronik-Produktion. Das CNT forscht dagegen an neuen Materialien, Bauelementen, Prozessschritten und Messtechnik für die Chip-Kernproduktion, das sogenannte „Frontend“.

Die Fraunhofer-Gesellschaft hatte die frühere Qimonda-Forschungsfab an der Grenze zwischen Dresden und Boxdorf vor zwei Jahren übernommen und dort das ASSID eingerichtet. Abb.: hw

Die Fraunhofer-Gesellschaft hatte die frühere Qimonda-Forschungsfab an der Grenze zwischen Dresden und Boxdorf übernommen und dort das ASSID eingerichtet. Abb.: hw

Deutsche Antwort auf Imec und Leti?

Eine Konzentration an einem Standort wäre daher nicht abwegig. „Dies wäre sinnvoll, denn so würde Deutschland eine ordentliche Alternative zu großen europäischen Elektronik-Forschungszentren wie CEA/Leti und Imec in Frankreich und Belgien bekommen“, schätzte ein Brachenkenner ein, der nicht genannt werden wollte, weil solche Entscheidungen ein brisantes wirtschaftspolitisches Pflaster sind. Anders als in China, Frankreich oder auch seinerzeit in der DDR dominieren in der Bundesrepublik bisher eher kleinere, hochspezialisierte Einrichtungen statt großer Zentren die Mikroelektronik-Forschung jenseits von Wirtschaft und Unis.

Das IMEC im belgischen Löwen ist Europas größtes Mikroelektronik-Forschungsinstitut. Foto: IMEC

Das IMEC im belgischen Löwen ist Europas größtes Mikroelektronik-Forschungsinstitut. Foto: IMEC

Kritiker: „Alles viel zu kleinkariert“

An diesem Punkt setzt auch die Kritik eines anderen Branchenkenner an: „Selbst wenn noch ein weiteres Institut in die PL-Fabrik einzieht, entsteht kein auch nur annähernd mit Imec vergleichbares Institut“, schätzt der einstige Megabitchip-Entwickler Bernd Junghans ein. „Das ist alles viel zu kleinkariert und folgt keiner großen Idee. Der Mangel an einer Industrie- oder Wirtschaftspolitik für das Land oder die EU lässt solche Aktionen zu einem teuren Stückwerk verkommen.“ Ob und wann CNT und Assid überhaupt an einem Standort zu einem leistungsstärkeren Kooperationsverbund zusammengelegt werden könnten, steht ohnehin noch in den Sternen. Das Assid äußerte sich trotz Anfragen offiziell nicht dazu. Inoffiziell sickerte Ablehnung durch.

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

Zunächst steht Rettung des CNT im Vordergrund

Fraunhofer und Freistaat schließen einen Umzug des Assid in fernerer Zukunft nicht aus, sehen das aber nicht als vordringlich an. „Für die Fraunhofer-Gesellschaft steht zunächst die Sicherung des CNT durch den Umzug in die ehemalige Plastic-Logic-Fabrik im Vordergrund“, erklärte Direktor Hubert Lakner vom CNT-Mutterinstitut IPMS Dresden, der in Personalunion den Fraunhofer-Verbund „Mikroelektronik“ leitet. „Ein vollständiger Umzug des Fraunhofer IZM-ASSID ist derzeit definitiv nicht vorgesehen.“ Denn anders als beim CNT gehört der Boxdorfer Assid-Reinraum der Fraunhofer-Gesellschaft.

IPMS-Direktor Hubert Lakner. Abb.: FHG

IPMS-Direktor Hubert Lakner. Abb.: FHG

Aber: „Mittel- und langfristig ist eine stärkere auch räumliche Zusammenarbeit der beiden einzigen angewandten Forschungseinrichtungen in Deutschland mit ausgewiesenen Kompetenzen beim Industriestandard – der Wafergröße 300 Millimeter– vorstellbar. Dazu gibt es erste Überlegungen, aber aktuell keine zeitlich oder kostenseitig definiert belastbaren Pläne.“

Links entsteht der Bürotrakt, rechts die eigentliche Chipfabrik. Foto: Heiko Weckbrodt

Die neue Bosch-Chipfabrik wächst derzeit in Sichtweite zum früheren E-Papier-Werk von Plastic Logic in die Höhe. Foto: Heiko Weckbrodt

Land hält Forschungs-Cluster gleich neben Globalfoundries und Bosch für sinnvoll

Ähnlich äußerte sich das Wissenschaftsministerium: „Die Unterbringung der anwendungsorientieren Forschungskapazitäten der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem CNT und gegebenenfalls des ASSID zu einem späteren Zeitpunkt am Standort der ehemaligen PL-Liegenschaft sind tatsächlich wichtige Voraussetzungen zur Konzentration der Halbleiter-Forschungskapazitäten, insbesondere mit Blick auf die dort ansässigen Halbleiterunternehmen wie Bosch und Globalfoundries.“ Allerdings stehe nun zunächst „der Umzug des CNT und die zügige Herstellung der vollständigen Arbeitsfähigkeit des CNT im Mittelpunkt. Ein Umzug von Strukturen des Fraunhofer-Assid ist deshalb gegenwärtig nicht vorgesehen. Über die Nutzung der Liegenschaft auch durch das Assid ist zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWK, FHG, IPMS, Insider (Namen der Redaktion bekannt)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt