Wie eine Entführung in Afrika beinahe einen Stellvertreter-Krieg gezündet hätte
Wie schnell eine Entführung in einen Stellvertreter-Krieg der Groß- und Supermächte umschlagen konnte und kann, demonstriert der französische Retro-Actionthriller „15 Minutes of War“, der nun fürs deutsche Heimkino erschienen ist. Regisseur Fred Grivois erinnert darin an eine fast vergessene afrikanische Episode des Kalten Krieges.
Die Story: Terroristen wollen Anschluss Dschibutis an Somalia
Im Jahr 1976 ist Dschibuti noch eine französische Kolonie, steht aber kurz vor der Unabhängigkeit. Einheimische Terroristen wollen den Anschluss des kleinen Küstenlandes an das benachbarte Somalia erzwingen. Schließlich erobern sie einen Schulbus voller Kinder, um ins Nachbarland durchzubrechen. Der Bus bleibt jedoch im Niemandsland zwischen Dschibuti und Somalia stecken – und nun entrollt sich das volle Programm: Die Franzosen schicken die Fremdenlegion, die Somalis ziehen ihre Truppen zusammen, die Amerikaner schicken einen CIA-Agenten, die Russen den KGB. Die Entführung droht zu einem Krieg zu eskalieren.
Und so entsendet Paris zusätzlich noch ein Spezialkommando der Gendarmerie nach Afrika: Die Scharfschützen um André Gerval (Alban Lenoir) sollen die Terroristen ausschalten, ohne dass auch nur ein Kind stirbt – und bitteschön kein Krieg losbricht. Immerhin hat das Team eine Verbündete an Bord: Lehrerin Jane Andersen (Olga Kurylenko) hat sich den Entführern regelrecht als zusätzliche Geisel aufgedrängt, „ihren“ Kinder beizustehen…
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Stilistik: Modern und dennoch im Klassikstil
„15 Minutes of War“ ist in seinen Action-Szenen, seiner Bildsprache und vielen Details ein moderner Actionthriller – und gleichzeitig aber auch wie eine Reise zurück ins französische Kino der 1970er Jahre. Das manifestiert sich nicht nur in Koteletten, Retro-Klamotten und Technik oder dem Rückgriff auf frühere Geteilter-Bildschirm-Optiken, sondern auch stilistisch: Jenseits der schnell geschnittenen Kampfszenen lassen sich die Macher Zeit damit, ihre Akteure zu entwickeln und französische Coolness wie auch Streitlust heraushängen zu lassen. Und wie in den Filmen jener Zeit nicht selten, baden auch in diesem Retro-Streifen die Kolonialherren wie selbstverständlich in ihren chauvinistischen Mustern: Die Gut-Böse-Linie verläuft entlang der Hautfarbe, Natürlich sind die entführten Kinder weiß und die Terroristen schwarz – was gelegentlich auch kritisch im Film angerissen wird.
Fazit: Aktueller denn je
„15 Minutes of War“ ist ein kleines Bonbon für alle jene, die klassische französische Thriller schon immer gemocht haben. Und mit Blick auf die heutigen Stellvertreter-Kriege im Jemen, in Syrien und anderswo, auf den Einfluss von Terror auf die Weltpolitik, ist diese wenig bekannte Episode aus der spät-französischen Kolonialzeit immer noch aktuell.
Kurzüberblick:
- Titel: „15 Minutes of War“
- Originaltitel: „L’intervention“
- Genre: Retro-Actionthriller
- Regie: Fred Grivois
- Darsteller: Alban Lenoir, Olga Kurylenko, Vincent Perez u. a.
- Produktionsland und -jahr: Frankreich, Belgien, Marokko 2019
- Laufzeit: 94 Minuten (DVD)
- Preis: 15 Euro (Bluray), 13 Euro (DVD), zehn Euro (Internet-Stream)
- Altersfreigabe: FSK 16
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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