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100-Jahres-Plan aus Dresden: Was dürfen die Maschinen?

Der Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis beim Abschluss-Kolloquium für das Cfaed I am 27. September 2019 an der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis beim Abschluss-Kolloquium für das Cfaed I am 27. September 2019 an der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Mobilfunk-Experte Fettweis will Cfaed-Chefsessel abgeben, um an 6G und Maschinengesetzen zu arbeiten

Dresden, 27. September 2019. Der Dresdner Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis gibt die Leitung des Zukunftselektronik-Zentrums Cfaed ab und will sich auf neue Herausforderungen stürzen: den Mobilfunk der 6. Generation (6G) und eherne Gesetze für vernetzte Maschinen. „Wir wollen da einen 100-Jahres-Plan ausarbeiten“, kündigte er mit einem Augenzwinkern an.

Während 5G gerade startet, haben Ingenieure schon 6. Mobilfunk-Generation im Visier

So ist kein Geheimnis, dass Fettweis, der mit Kollegen den 5G-Mobilfunk maßgeblich mitentwickelt hatte, nicht so recht zufrieden mit dem 5G-Funk ist, wie er nun standardisiert wurde: Reaktionszeiten unter einer Millisekunde sind immer noch nicht erreicht – Live-OPs, anspruchsvolle Echtzeit-Roboter-Steuerungen und Highend-Spiele in virtuellen Realitäten sind damit nur halbherzig realisierbar. Daher schwenkt Fettweis nun schon auf die nächste Generationen ein, die er 5G++ und 6G nennt.

Isaac Asimov 1965. Abb.: US-Kongressbibliothek/Wikipedia

Physiker, Historiker, Funker und Psychologen an einem Tisch

Noch zukunftsweisender ist der „100-Jahres-Plan“, der Assoziationen an die Roboter-Gesetze und den 1000-Jahres-Plan des visionären Autors Isaac Asimov weckt. Den 100-Jahres-Plan will Gerhard Fettweis im neuen Barkhausen-Institut an der TU Dresden als langfristige Agenda für die Entwicklung neuer Technologien ausarbeiten – als fachübergreifendes Gemeinschaftswerk von Physikern, Psychologen, Elektronik-Ingenieuren, Historikern, Funkexperten und anderen Wissenschaftlern. Womöglich könne daraus auch ein neues Exzellenz-Cluster entstehen, sinniert der auch für seine zahlreiche Firmenausgründungen bekannte Professor.

Roboter rotten auf Geheiß der KI die Menschheit aus. Szenenfoto: Eurovideo

Szenenfoto: Eurovideo

Was Gutenberg für die Renaissance war, ist das Internet für unsere nächste Stufe

„Wir müssen uns Gedanken darum machen, wie wir mit den explosionsartig wachsenden Möglichkeiten der Vernetzung und Informationsverbreitung langfristig umgehen wollen“, erklärte Prof. Fettweis. Dies erforderte eine Art interdisziplinäre Forschungsreise, die über den bloßen Blick in den Rückspiegel und durch die Frontscheibe hinausgehe. „Denken Sie daran, wie die Renaissance, wie Gutenberg und Luther das Leben der Menschen für immer verändert haben“, sagt der Elektrotechniker. „Auch wir stehen erst am Anfang von technologischen Veränderungen, die die Welt ins Wanken bringen.“

Rollender Pizzabote: Roboterdrohne von Starship Technologies. Das Unternehmen sitzt in London und Estland. Foto: Starship Technologies-

Rollender Pizzabote: Roboterdrohne von Starship Technologies. Auch solche vernetzten Drohnen brauchen eigene „Ding“-Gesetze, fordert der Dresdner 5G-Experte Prof. Gerhard Fettweis. Foto: Starship Technologies

Gesetze für jedes „Ding“ mit einert IP-Adresse

Beispielsweise sei es wichtig, für unbemannte Post-Drohnen, für internetfähige Kameras, Assistenzroboter und die vielen anderen „Dinge“ im hochvernetzten „Internet der Dinge“ klare Gesetze zu formulieren. Regeln wie etwa: Ich darf mich als Drohne nicht um jeden Preis in der Luft vordrängeln, bloß weil ich mein Paket für das wichtigste halte. Oder: Ich könnte das private Familienfoto zwar auf Facebook teilen, weil ich als Kamera vernetzt bin und der Hersteller das so in der Grundeinstellung wollte – aber ich darf das nicht. Diese Gesetze sollen dann für jedes „Ding“ mit einer Internetprotokoll-Adresse (IP) gelten.

Der Ingenieure baut – und fragt noch zu selten: Wozu?

Wichtig sei es aber auch, wenn Konstrukteure mit Sozial- und Geisteswissenschaftlern beizeiten darüber diskutieren, welche Erfindungen der Gesellschaft tatsächlich helfen– und welche man vielleicht auch auf später verschieben kann. „Wir als Ingenieure können Dinge bauen, die alles verändern“, warnt Fettweis. „Aber wir müssen uns auch der Frage stellen: Welche Lösungen brauchen die Menschen wirklich?“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Interview Fettweis, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt