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„Electric Girl“ im Kino: Anime-Heldinnen mögen’s schrill

Mia (Victoria Schulz) verwandelt sich schrittweise in die Anime-Superheldin Kimiko, die gegen Elektromonster ankämpft. Foto: NiKo-Film, Hannes-Hubac

Mia (Victoria Schulz) verwandelt sich schrittweise in die Anime-Superheldin Kimiko, die gegen Elektromonster ankämpft. Foto: NiKo-Film, Hannes-Hubac

Hamburger Dramakomödie um eine Synchro-Sprecherin, die sich zu sehr mit ihrem filmischen alter ego identifiziert

„Electric Girl“ ist eine skurrile, oft knallbunte Parabel auf unsere Sehnsüchte und Fantasien: inmitten dieser schnöden Welt einmal ein Superheld sein, von allen bejubelt. Zu sehen ist die deutsch-belgische Mischung aus Realfilm und Anime nun im Kino.

Die Geschichte: Synchro-Sprecherin in der Metamorphose zur Comic-Heroine

Die Hamburger Kellnerin Mia (Victoria Schulz) ergattert einen lukrativen Job als Synchron-Sprecherin für einen japanischen Anime-Film. Je öfter sie aber die Weltrettungs-Reden der Superheldin Kimiko einspricht und je tiefer sie in das Manga-Büchlein dazu eintaucht, desto mehr identifiziert sie sich mit Kimiko: Sie kleidet sich wie sie, bewegt sich wie sie, spricht wie sie.

Werbevideo für "Electric Girl"
vom Farbfilm-Verleih:

Und als geübte Poetry-Slammerin dichtet sie Glanz all dem an, was sie tut: Sie stößt einen Mann im U-Bahnhof zu Boden – und inszeniert sich vor Passanten als Retterin eines Selbstmörders. Sie reißt ihren Nachbarn Kristof (Hans-Jochen Wagner) aus Lethargie, Dauerfernsehen und Resignation – und dichtet ihm eine abenteuerliche Vergangenheit als russischer Atom-U-Boot-Matrose an. Ihre Freunde finden das erst lustig, dann exaltiert, schließlich nur noch befremdlich.

Kimiko in Tokyo oder Mia (Victoria Schulz) in der Hamburger Speicherstadt? Abb.: NiKo-Film, Lunanimé

Kimiko in Tokyo oder Mia (Victoria Schulz) in der Hamburger Speicherstadt? Abb.: NiKo-Film, Lunanimé

„Ihr seid doch völlig asynchron!“

Immer mehr steigert sich Mia-Kimiko in die Vorstellung hinein, allein sie sei „synchron“ mit der wirklich wichtigen Lebenssphäre, während sie anderen entgegenschleudert: „Ihr seid doch völlig asynchron!“ Und während sie ihre Metamorphosen zur Weltenretterin und wieder zurück durcheilt, ringt ihr schwerkranker Vater mit einem so sinnlos erscheinenden Tode…

Mia alias Victoria-Schulz ist das elektrische Mädchen, das den lethargischen Nachbarn Kristof (Hans-Jochen Wagner) eine aufregende Vergangenheit andichtet. Foto: NiKo-Film, Hannes-Hubach

Mia alias Victoria-Schulz ist das elektrische Mädchen, das den lethargischen Nachbarn Kristof (Hans-Jochen Wagner) eine aufregende Vergangenheit andichtet. Foto: NiKo-Film, Hannes-Hubach

Fazit: Lustig, schräg, traurig

Schwer zu entscheiden, ob man lachen, weinen oder sich fremdschämen soll: Regisseurin Ziska Riemann mixt ihr „Electric Girl“ aus Elementen der japanischen Populärkultur und deutschem Realismus. Dies ist oft sehr lustig. Gelegentlich würzt sie auch mit ein paar überraschende Prisen ein. Dies soll den Zuschauer in der Ungewissheit halten: Ist all dies ein Superhelden-Sci-Fi-Movie und hat Mia am Ende gar wirklich Superkräfte?

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Anime und Realfilm verschmelzen stilistisch

Stilistisch heizen die Macher diese Vermutung an: Je weiter Mias Metamorphose voranschreitet, desto mehr gleich sich auch der Realfilm, der Farb- und Bildsprache japanischer Anime-Zeichentrickfilme an.

Oder ist all dies eben nur Fantasie und Fassade? Ist diese Welt nur das, was sie zu sein scheint: Ein Sog, der jeden herabzieht, der zu tief hineinschaut? Und Ist all dies nur der Versuch eines Großstadt-Girlies, tiefen Verlustängsten zu entrinnen?

Je vorurteilsfreier man diesem elektrischen Mädchen zuschaut, umso mehr Spaß wird man jedenfalls an dieser leicht schrägen Dramakomödie haben.

Kurzinfos:

  • Titel: „Electric Girl
  • Genre: Drama und Komödie mit Sci-Fi- und Anime-Elementen
  • Regie: Ziska Riemann
  • Darsteller: Victoria Schulz, Hans-Jochen Wagner, Svenja Jung, Björn von der Wellen, Oona von Maydell u. a.
  • Produktionsland und -jahr: Deutschland und Belgien 2018
  • Alterseinstufung: FSK 12
  • Länge: 89 Minuten
  • Verleih: Farbfilm-Verleih

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt