Seine Kriegsflotte war Kaiser Wilhelms ganzer Stolz – und doch zündete gerade dort die Revolution
Die Kriegsmarine war des Kaisers ganzer stolz: Immer wieder warb Wilhelm II. im Reichstag um Geld für seine Flotte, immer wieder besuchte er die Panzerkreuzer und Linienschiffe. Und diese Begeisterung steckte an: Matrosenanzüge gehörten vor dem Ersten Weltkrieg zur Top-Mode für deutsche Buben. Warum waren es dann ausgerechnet die Matrosen, die gegen Kriegsende meuterten und den Funken für die Revolution zündeten, die schließlich Kaiser und maritime Gloria hinwegfegten? Dieser Frage geht Regisseur Jens Becker in seinem Doku-Drama „1918 – Aufstand der Matrosen“ nach, das nun auf DVD erschienen ist.
Mix aus Spielfilm und Dokumentation
Inszeniert hat er dies als Mischung historischem Bildmaterial und spielfilmartigen Story um den Matrosen Karl Artelt, seine Verlobte Helene und deren Bruder August, die die Ereignisse im Revolutionsherbst 1918 nachspielen. Dazu schneidet er Interviews mit den Politikern Björn Engholm (SPD), Sahra Wagenknecht (Linke) und dem heutigen Flotillenadmiral Kay-Achim Schönbach.
Arroganz der Offiziere löste den Aufstand aus
Und die sind sich weitgehend in einem Punkt einig: An der Meuterei auf der SMS König und auf anderen Kriegsschiffen trugen deren hochmütige Offiziere die allermeiste Schuld: Sie dinierten in luxuriösen Casinos, während die einfachen Matrosen mit kargen Rationen abgespeist wurden. Die Herren Kapitäne und Admirale führten sich auf wie Gutherren, behandelten ihre Untergebenen wie Fronbauern. Mit dieser Art von Führungsstil, so schätzt es Flotillenadmiral Schönbach ein, kommt man nicht weit. Den letzten Funken zum Aufstand zündeten sie selbst: als diese verblendete Führungsclique beschloss, die Flotte zu einem aussichtslosen Endkampf gegen die Briten auslaufen zu lassen. Nicht um zu gewinnen, sondern um „der Ehre willen“ in einem Stahlgewitter unterzugehen.
Noske als Verräter porträtiert
Die Matrosen an Bord wussten aber sehr wohl, dass sich die Reichsregierung und die Heeresleitung zu diesem Zeitpunkt bereits um einen Waffenstillstand und möglichen Friedensschluss mit Frankreich, England und den USA bemühten. Und nur um der Ehre der „Goldfasane“ willen wollte kaum einer der längst kriegsmüden Matrosen noch sterben – und meuterten. Die Offiziere konnten die Meuterer zwar schließlich gefangen nehmen, begingen aber dann einen Fehler nach dem anderen, wollten die Gefangenen zum Beispiel nach Kiel überführen, wo es ohnehin schon gärte. Wie es dort dann zum Aufstand kam, die Matrosen den Militärgouverneur absetzten, die Gefängnisse stürmten, um schließlich von vermeintlichen Verbündeten wie dem Sozialdemokraten Gustav Noske um die Früchte ihres Kampfes betrogen zu werden, erzählt das Dokudrama anhand persönlicher Lebensgeschichten.
Fazit: Interessant, mehr Experten wären aber wünschenswert
Diese szenische Geschichte verschmilzt „1918“ sehr organisch mit Zeitzeugenberichten, alten Fotos und Dokumenten. Zudem sind der DVD ein paar Boni beigefügt, darunter entfallene Szenen, Kurzinterviews mit den Hauptdarstellern und ein kleines „Making Of“. Wünschenswert wären allerdings ein paar mehr befragte Historiker und andere Experten gewesen – unter denen mit Engholm und Wagenknecht die linken Politiker doch etwas überrepräsentiert sind. Ansonsten aber ist „1918“ eine sehenswerte und – durch die szenischen Einlagen – auch unterhaltsame Doku, die hilft zu verstehen, warum der I. Weltkrieg und die Revolution solche Traumata in den Köpfen der Deutschen hinterlassen hatte.
Kurzinfos:
- Titel: „1918 – Aufstand der Matrosen“
- Genre: Mischung aus Spielfilm und Dokumentation / Dokudrama
- Regie: Jens Becker
- Darsteller: Lucas Prisor, Henriette Confurius, Alexander Finkenwirth,
- Rainer Reiners und Ernst Stötzner
- Länge: 89 Minuten plus 14 Minuten Extras
- Preis: DVD: 14 Euro
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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Erhältlich ist diese filmische Dokumentation hier
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