Die Dresdner Steinmetz-Unternehmung von Sven Schubert hat sich in der Denkmalpflege deutschlandweit einen guten Ruf erarbeitet – auch durch die Verbindung von Handwerk und Hightech
Dresden, 1. Oktober 2018. Im Norden von Dresden, nicht weit von den großen Chipfabriken, türmen sich am Rande der Radeburger Straße schwere Brocken. Wer über den Hof und durch die Werkstätten von Sven Schubert schlendert, sieht steingewordene Träume: Hier der Sandstein-Adler, der davon träumt, sich in die Lüfte zu erheben. Da ein Kopf mit Dreispitz, der in die Sonne blinzelt und sich vorzustellen versucht, wie es wäre, einen Körper zu besitzen. Und dann dieser Krieger: halb antiker Spartiat, halb futuristisch gerüsteter Soldat der Jetztzeit. Zur Maschine geworden sei er, sagt Steinmetz Schubert über den behelmten Kopf. Bar menschlicher Individualität hat er die Gesichtszüge in den Stein gehauen. „Das ist aus der Zeit, als ich einzig und allein Künstler sein wollte“, erzählt Schubert und lässt die Lachfalten um die Augen spielen. „Zum Glück hatte meine damalige Lebengefährtin einen Job, von dem wir beide irgendwie leben konnten.“
Künstler und Technologie-Adept gleichermaßen
Ein Künstler und Schwärmer ist der inzwischen 53-jährige Sven Schubert geblieben – zugleich aber auch ein Technologie-Adept. Insofern steht die Krieger-Plastik archetypisch für das Unternehmensmotto „Mensch & Maschine“. Denn auch diese Facette fällt in Schuberts Steinmetz-Unternehmung auf: Automatiksägen schnippeln Tag und Nacht schwere Steinblöcke in zweifingerdicke Scheiben. Computergesteuerte Maschinen drehen lange Säulen, fräsen Schmuckrillen hinein. Mannshohe Roboter greifen sich Blöcke, fräsen, schleifen, sägen darum herum, bis die im Stein schlummernde Gestalt freigelegt ist. Die Vorstellung von der Form pflanzen ihm Spezialisten wie Edgar Scheidewig ein: Der Steinmetz und Diplom-Geologe vermisst mit dem mobilen Laser-Scanner die Muster und übergibt sie dann als Computer-Modell dem Kollegen Roboter.
Symbiose von Mensch und Maschine
Wie das zusammenpasst, künstlerischer Impetus und Hochtechnologie? Für Sven Schubert ist das kein Widerspruch, sondern eine Symbiose: „Die feinen Sachen, die Details bekommt kein Roboter und keine CNC-Fräse so hin wie ein guter Handwerker“, sagt er. „Aber die Maschinen nehmen uns die körperlich schwere, die schweißtreibende Arbeit ab.“ Dadurch könne sich der Mensch auf das konzentrieren, was er am besten kann: kreativ zu arbeiten. Auch in Zukunft brauche nicht jeder Steinmetz einen Roboter, ist der Meister überzeugt. „Aber um die Digitalisierung kommt das Handwerk über kurz oder lang nicht herum.“
Lehrjahre in Sanssouci
Von Elektronenhirnen und künstlichen Gesellen konnten Steinmetze nur träumen, als Schubert 1981 im VEB Lausitzer Granit seine Lehre begann. 1983 schickte ihn der VEB Elbenaturstein Dresden zu einem Renommierobjekt der DDR: Der junge Steinmetz arbeitete fünf Jahre lang mit an der Rekonstruktion von Sanssouci – der Potsdamer Schlossanlage des eben erst von der SED ideologisch „wiederentdeckten“ Friedrich II. Damals packte ihn die Faszination dafür, alte Baudenkmäler im wörtlichen Sinne zu sanieren, sie wieder gesunden zu lassen. Diese Faszination sollte ihn nicht mehr loslassen. 1988 qualifizierte sich Schubert zum Steinbildhauer weiter, parallel dazu absolvierte er ein „Plastik“-Abendstudium an der Kunsthochschule in Dresden. 1993 hatte er seinen Meisterbrief als Steinmetz und Steinbildhauer in der Tasche, 2005 bis 2007 ließ er sich zum Restaurator ausbilden.
Als Ein-Steinmetz-Show im kalten Hinterhof gestartet
Bereits Ende 1990 machte er sich als Bildhauer selbstständig. „Der erste Auftrag kam aus Halle: Die wollten korinthische Kapitelle für das Löwengebäude der Uni“, erinnert er sich. „Dann kamen immer mehr und mehr Aufträge aus der Denkmalpflege.“ Also schob er die große Karriere als Künstler erst einmal beiseite. Fortan hämmerte, fräste, sägte und brach er wieder aus dem Stein, was Wind, Wetter, Regen und Krieg anderswo aus altehrwürdigen Gebäuden herausgenagt hatten: Balustraden, Sandsteinsäulen, Wandschmuck, ja ganze Portale. Zuerst war das eine Ein-Mann-Show in einem zugigen Hinterhof an der Großenhainer Straße. „Im Winter war es richtig kalt. Ich hatte anfangs nichts zum Unterstellen und keine Heizung“, erinnert sich Schubert. Um so dicker mummelte er sich dann ein, umso hartnäckiger arbeitete er am Stein. 1993 folgte mit dem Hauptgesims am wiederentstehenden Taschenbergpalais der erste größere Auftrag. „Damals habe ich die erste Sägemaschine gekauft, für 15.000 Mark, obwohl mir viele sagten: Das lohnt sich doch gar nicht.“
Vom Taschenbergpalais bis zum Stadtschloss in Berlin
Doch Schubert behielt mit seinem Investitionskurs recht: Immer anspruchsvoller und größer wurden die Aufträge. Bald konnte er die ersten Wandergesellen anstellen, die bei ihm an die Tür klopften. Er und seine Mannschaft werkelten an der Frauenkirche, am Zwinger und am Residenzschloss in Dresden, an der Universitätsbibliothek in Leipzig, am Schweriner Schloss, am Neuen Museum in Berlin – und derzeit am Stadtschloss sowie am Kaiserlichen Telegrafenamt in Berlin. Er wisse natürlich, dass solche Wiederaufbauten wie die des Hohenzollern-Schlosses in Berlin umstritten waren und sind, sagt Schubert. „Aber ich halte es für wichtig und richtig, diese alten Gebäude zu rekonstruieren – sie sind identitätsstiftend.“
Kammer: „Führende Position in Deutschland“
Mit solch Arbeiten an historischen Bauwerken nehme der Steinmetzbetrieb von Sven Schubert „eine führende Position in Deutschland ein“, meint die Handwerkskammer Dresden. Auch fungiere das Unternehmen wie ein Flaggschiff, das andere im Kielwasser mit sich zieht: „Bei Großprojekten tritt die Firma als Generalauftragnehmer für das Handwerk auf.“
Stahlgeselle rackert Tag und Nacht
Im Zuge dieses Wachstums verlagerte Schubert den Unternehmenssitz auch zweimal: 1994 in eine alte Flugzeugindustrie-Halle am Airport, 1998 an die Radeburger Straße. Inzwischen beschäftigt er 24 Mitarbeiter – sowie einen ganzen Maschinenpark samt zweier Roboter, die bei guter Auftragslage Tag und Nacht durchmalochen. Wobei solch eine Dauerschicht selbst den stählernen Gesellen zu schaffen macht: „Das ist mein Roboter Nummer 1“, klopft Schubert auf einen erstarrten Metallarm. „Hat mich damals etwa 400 000 Euro gekostet, wenn man alles zusammenrechnet.“ Gearbeitet hat der künstliche Arbeiter seitdem im Akkord – bis vor ein paar Tagen. „Das letzte Stück für das Berliner Stadtschloss hat er gerade noch gefräst. Dann war Schluss. Jetzt muss er erst mal wieder repariert werden.“
Kurzüberblick:
Unternehmen: Schubert Steinmetz- und Steinbildhauer GmbH
Hauptsitz: Dresden
Geschäftsmodell: Steinmetz- und Bildhauerarbeiten vor allem in der Denkmalpflege
Belegschaft: rund 25 Mitarbeiter (inklusive Chef)
Besonderheiten: Verbindung von Handwerk mit modernster Technik (Roboter, CNC-Maschinen, Laserscanner, CAD-Technik)
Mehr Infos im Netz: natursteine-schubert.de
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