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Schweizer Ruag baut Raumfahrttechnik-Fabrik Coswig aus

Aus der "Hoch Technologie Systems" (HTS) wird Ruag Space Germany: Ein Spezialist montiert im Reinraum der Coswiger Raumfahrttechnik-Fabrik ein Potenziometer, das später im All einem Satelliten helfen wird, seine Solarsegel richtig auszufahren. Foto: Heiko Weckbrodt

Aus der „Hoch Technologie Systems“ (HTS) wird Ruag Space Germany: Ein Spezialist montiert im Reinraum der Coswiger Raumfahrttechnik-Fabrik ein Potenziometer, das später im All einem Satelliten helfen wird, seine Solarsegel richtig auszufahren. Foto: Heiko Weckbrodt

Staatskonzern Ruag sieht viel Potenzial auf dem deutschen Raumfahrt-Markt

Coswig/Bern, 11. Juli 2018. Der staatliche Technologie-Konzern „Ruag“ aus der Schweiz will seine sächsische Raumfahrttochter stärken. Die „Ruag Space Germany“ in Coswig soll nach dem Willen der Konzernspitze aus Berrn ihr Produktportefeuille erweitern, neue Jobs und zusätzliche Produktionskapazitäten schaffen. Das hat Ruag-Konzernchef Urs Breitmeier heute vor Ort angekündigt.

Ruag-Konzernchef Urs Breitmeier. Foto: Heiko Weckbrodt  Foto. Heiko Weckbrodt

Ruag-Konzernchef Urs Breitmeier. Foto: Heiko Weckbrodt

Eidgenossen setzen auf Sachsens Unis und Fachkräfte-Zufluss

„Wir sehen Sachsen als einen idealen Standort und haben hier in Coswig bereits ein gutes Team“, begründete der Eidgenosse die Ausbaupläne. „In Sachsen finden wir einen fruchtbaren Austausch mit guten Universitäten, Technologiezentren und anderen Raumfahrtunternehmen. Außerdem bekommen wir hier Zugang zu qualifizierten Mitarbeitern.“ Auch sei Deutschland die zweitgrößte Raumfahrtnation in Europa und damit für die Ruag ein besonders wichtiger Absatzmarkt.

rUAG cOSWIG stellt unter anderem solche Antennen-Ausrichtungsmechanismen für Satelliten her. Foto. Heiko Weckbrodt

rUAG cOSWIG stellt unter anderem solche Antennen-Ausrichtungsmechanismen für Satelliten her. Foto. Heiko Weckbrodt

HTS-Fabrik in Coswig auf elektromechanische Systeme für Satelliten spezialisiert

Die Fabrik in Coswig entwickelt und produziert bereits seit über 20 Jahren elektromechanische Systeme und Sensoren für Satelliten und Raumschiffe, aber auch spezielle Komponenten für andere Industriezweige. Der Dresdner TU-Physiker Wolfgang Göhler und sein Kollege Klaus Seifart hatten den Betrieb 1996 als „Hoch Technologie Systeme GmbH“ nahe dem ehemaligen Coswiger Glaswerk gegründet – damals als Tochtergesellschaft der Schweizer HTS AG. Die Spezialfabrik hat derzeit 37 Mitarbeiter und ist auf Wachstumskurs.

Ein Reinraum-Monteur baut ein elektromechanisches System zusammen, das später im Orbit an einem Umweltsatelliten die Optikklappen öffnen und schließen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Ein Reinraum-Monteur baut ein elektromechanisches System zusammen, das später im Orbit an einem Umweltsatelliten die Optikklappen öffnen und schließen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Ruag: Staatskonzern für Rüstung, Luft- und Raumfahrt

Die Ruag wiederum ist ein Schweizer Konzern mit zwei Milliarden Franken (1,7 Milliarden Euro) Jahresumsatz. 100-prozentige Staatstochter beschäftigt rund 9000 Mitarbeiter weltweit, darunter etwa 2700 in Deutschland. Sie produzieren sowohl Rüstungsgüter fürs Schweizer Bundesheer und die eidgenössische Luftwaffe wie auch Flugzeugstrukturen für Airbus und Satellitentechnik für die europäische Raumfahrtagentur Esa.

Ariane-Raketenmodel bei  Ruag Coswig. Foto: Heiko Weckbrodt

Ariane-Raketenmodel bei Ruag Coswig. Foto: Heiko Weckbrodt

Aus HTS wird „Ruag Space Germany“

Die Ruag war zunächst nur ein Minderheitseigner der HTS Coswig. Mitte 2016 übernahm die AG aber sowohl die HTS in der Schweiz wie auch die sächsische Tochter. Die heißt seit heute auch offiziell nicht mehr HTS, sondern „Ruag Space Germany“. Im Zuge dieses stärkeren Engagements der Eidgenossen in Sachsen ergab sich auch eine Nachfolge-Lösung für die Gründergeneration, die es in den Ruhestand zieht: Die Konzernmutter hat mit dem 45-jährigen Patrick Houghton einen neuen Geschäftsführer nach Sachsen entsandt. Er leitet den Standort für ein paar Monate gemeinsam mit Göhler und übernimmt dann allein das Ruder.

Ruag-Coswig-Geschäftsführer Patrick Hoghton. Foto: Heiko Weckbrodt

Ruag-Coswig-Geschäftsführer Patrick Hoghton. Foto: Heiko Weckbrodt

Hightech-Fabrik nahe am alten Glaswerk sucht Ingenieure

Houghton und Breitmeier haben auch schon Ideen, wie es weitergeht: Sie wollen die Fabrik erweitern, entweder durch Anmietungen oder durch einen neuen Anbau. Dann würden die Schweizer– inklusive Reinraum-Ausrüstung – zwischen zwei und fünf Millionen Euro in den Standort nachinvestieren. Außerdem möchte Houghton in den nächsten drei bis fünf Jahren zehn bis 20 zusätzliche Ingenieure, Mechatroniker und andere Mitarbeiter anheuern. Die sollen unter anderem auch neue Produkte entwickeln: Haltesysteme für die Rüttelei beim Raketenstart, Freisetzungsmechanismen für orbitale Instrumente und andere Spezialsysteme, die die Kälte im luftleeren Raum aushalten. Auch Hightech-Bauteile für andere, ganz irdische Branchen rücken wieder in den Fokus.

„Hervorragender Standort“

Wachstumsperspektiven sieht auch Vorstand Walther Pelzer vom „Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt“ (DLR) – sowohl für den Standort wie auch für die deutsche Raumfahrt ganz generell: „Der Raum Dresden ist ein ganz hervorragender Standort“, betonte er. Mit gutem Grund habe das DLR daher im November 2017 sein neues Software-Institut in der sächsischen Landeshauptstadt etabliert.

3 % Umsatzwachstum für deutsche Raumfahrtindustrie

Deutschlandweit wächst die Raumfahrtbranche derzeit: Ihr Umsatz ist im Jahr 2017 um drei Prozent auf insgesamt rund drei Milliarden Euro gestiegen. Die Beschäftigtenzahlen legten ebenfalls um drei Prozent auf etwa 9000 Beschäftigte zu. Dies geht aus Angaben des „Bundesverbandes der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie“ hervor.

DLR-Vorstand: EU darf ESA nicht zu sehr auf „große Player“ fokussieren

Dass die große Koalition in Berlin dieses Wirtschaftsegment als Schlüsselindustrie erkannt habe, sei schon erst mal gut, meint Pelzer. Allerdings müsse man auch Brüssel verklickern, dass Raumfahrt eben nicht nur mit Riesenkonzernen gemacht werde: Viele Innovationen, Jobs und Umsätze werden in den für Deutschland typischen kleinen und mittleren Raumfahrt-Firmen generiert, für die die Ruag-Fabrik in Coswig nur ein Beispiel sei. „Die EU fokussiert da leider zu sehr auf die großen Player“, kritisierte der DLR-Vorstand.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt