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Kaliningrad zwischen Kant und Fußball-WM

Regionalflughafen bei Kaliningrad. Foto: Barkleit

Regionalflughafen bei Kaliningrad. Foto: Barkleit

Das frühere Königsberg hat sich im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2018 im Eilverfahren aufgehübscht

Dresden/Kaliningrad. Das frühere Königsberg und heutige Kaliningrad ist einer der Austragungsorte für die Fußball-WM 2018. Oiger-Gastautor Gerhard Barkleit hat sich vor der Weltmeisterschaft gen Russland aufgemacht, um hinter die Kulissen zu schauen. In Teil 1 berichtet er über die ersten Eindrücke.

Das Gebiet um das frühere Königsberg ist heute eine russische Exklave, Repro: Barkleit

Das Gebiet um das frühere Königsberg ist heute eine russische Exklave, Repro: Barkleit

Niemand hätte es für möglich gehalten, dass im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft die Direktflüge aus der Hauptstadt des amtierenden Weltmeisters in einen Austragungsort von immerhin vier Vorrundenspielen eingestellt würden. Es blieben zwei Varianten, nämlich über Warschau oder über Minsk. Wer sich für Warschau entschieden hatte, war mehr als acht Stunden unterwegs, wurde dafür aber mit einer Überraschung belohnt. Die jungen und hübschen Beamtinnen lassen sich auf ein lockeres Gespräch ein. Nur wer die deprimierenden Kontrollen zu Sowjetzeiten erlebt hat, kann das als Fortschritt regelrecht genießen. Nach dem Verlassen des Terminals ein Blick zurück auf das neue Abfertigungsgebäude – recht ansehnlich für einen schwach frequentierten Regionalflughafen unweit des Kurischen Haffs.

Stadionbau auf den letzten Drücker. Foto: Barkleit

Stadionbau auf den letzten Drücker. Foto: Barkleit

„Fünfjahrpläne auch immer erst an den letzten drei Tagen erfüllt“

Die Stadtrundfahrt am folgenden Tag hielt zwei weitere Überraschungen bereit. Ein Blick durch die Absperrung der Großbaustelle eines Fußballstadions für die in Kürze beginnende Weltmeisterschaft, auf der von den Außenanlagen des Stadions noch nichts zu sehen war, rief Erstaunen hervor. Hier tragen Mitte Juni Kroatien und Nigeria das zweite Vorrundenspiel der Gruppe D aus?, fragten wir. „Wir Russen sind manchmal ein wenig faul“, beruhigte uns die Reiseleiterin mit einem Hauch von Selbstironie. „Zu Sowjetzeiten haben wir die Fünfjahrpläne auch immer erst an den letzten drei Tagen erfüllt.“ Das Stadion für etwas mehr als 30.000 Zuschauer wurde der Münchner Allianz-Arena nachempfunden.

Wer zu hässlich war, machte dicht

Eine vom Deutsch-Russischen Austausch und dem Auswärtigen Amt unterstützte Nichtregierungsorganisation für Fußballkultur in Osteuropa, der Fankurve-Ost e.V.[1], widmet sich der Weltmeisterschaft 2018. Der Verein nimmt auch die zum Teil skurrilen Amtsmaßnahmen unter die Lupe, mit denen die russischen Behörden versuchen, das Land während der WM glänzen zu lassen. In Kaliningrad, dem einstigen Königsberg, finde „ein regelrechter Frühjahrsputz statt“, heißt es in einem der Newsletter. Das Ergebnis hätten die Regional-Beamten allerdings als unbefriedigend empfunden, vor allem „die verwirrenden und hässlichen Werbeschilder“. Geschäftsinhaber, die der Aufforderung nicht folgen wollten oder konnten, die Werbung nach den Vorgaben eines von der Stadt beauftragten Architekturbüros zu gestalten, gaben ihre Geschäfte auf.

Potemkinsche Dörfer: Fabrikruine mit Fake-Folien schein-reanimiert

Auch die von Mythen umwobenen Potemkinschen Dörfer wurden als Hilfe in der Not wieder zum Leben erweckt. Die Ruine einer ehemaligen Papierfabrik, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand und die sich auf dem Weg zum Stadion befindet, sei mit Folien aufgehübscht worden, auf denen Fenster mit Blumenkästen abgebildet sind.[2]

Banner drüber

Ähnliches planen die Behörden mit dem Haus der Räte, in dessen unmittelbarer Nähe die für 15.000 Besucher angelegte Fan-Zone entsteht. „Das nie vollendete und heute vernachlässigte Gebäude wird für die Zeit der WM kurzerhand mit einem riesigen Banner abgedeckt.“ „Dom Sowjetow“ ist die spektakulärste Investruine im Zentrum der Stadt.

Auf Moor gebaut – Baulöwen in Haft

Der Stadionbau habe in den vergangenen Monaten für einige negative Schlagzeilen gesorgt. Die Entscheidung, das Stadion auf der Oktober-Insel zu bauen, die sich wegen ihres moorigen Bodens für Bauprojekte nicht besonders eignet, führte in der Tat zu ernsthaften Problemen. Der Untergrund musste vor Baubeginn mit Sand verstärkt werden. Doch der verwendete Sand hatte nicht die nötige Qualität. Die dadurch verursachten Verzögerungen führten zu einer Neuvergabe des Bauauftrags sowie Ermittlungen wegen des Verdachts von Korruption gegen die Inhaber des Baukonzerns Summa. Diese seien Ende März in Untersuchungshaft genommen worden. Rund 9,8 Millionen Euro sollen sie beim Bau der Arena veruntreut haben. Bereits 2017 seien einige Mitarbeiter von lokalen Behörden sowie der Bauminister des Oblast Kaliningrad verhaftet worden.[3]

Autor: Gerhard Barkleit

Lesen Sie in…

Teil 1: Potemkinsche Dörfer

Teil 2: Ein Koffer für Hannah Arendt

Teil 3: Auf den Spuren von Immanuel Kant

Teil 4: Ein Bohnenmahl auf Kant

 

[1]
[1] Vgl. https://us16.campaign-rchive.com/?u=655ed6543724ad0031c42d4be&id=0a34964e74.

[2]
[2] https://www.sports.ru/tribuna/blogs/konigsbergen/1637593.html.

[3]
[3]Vgl.  https://us16.campaign – archive.com/?u=655ed6543724ad0031c42d4be&id=0a34964e74.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt