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Datenschutz-Grundverordnung: Fotografieren auch künftig ohne Massen-Formulare möglich

Fotografieren (inklusive Publikation) in der Öffentlichkeit ist durch Öffnungsklauseln der neuen Datenschutz-Grundverordnung weiter möglich. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Fotografieren (inklusive Publikation) in der Öffentlichkeit ist durch Öffnungsklauseln der neuen Datenschutz-Grundverordnung weiter möglich. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Sächsischer Datenschutzbeauftragter: Deutsches Kunst- und Presserecht ist weiter in Kraft

Dresden, 25. Mai 2018. Durch die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS GVO) der EU, die heute in Kraft getreten ist, wird sich an den Fotografier-Rechten in Deutschland nur wenig ändern. Das hat der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig eingeschätzt. Auch künftig wird es demnach möglich sein, zum Beispiel Fotos von Veranstaltungen oder Stadtszenarien anzufertigen und zu veröffentlichen, ohne dass jeder einzelne auf dem Bild per Datenschutz-Formular schriftlich zugestimmt hat – solange nicht einzelne Personen in den Vordergrund der Bildkomposition rücken.

Petition warnt vor Aushöhlung der Presse- und Kunstfreiheit

Damit trat Schurig Befürchtungen entgegen, wie sie beispielsweise in der Petition „Pressefreiheit! Gegen EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für Fotografen, Kunst, Presse“ artikuliert worden waren. „Veranstaltungsfotografie etwa wird in der Zukunft nicht mehr möglich sein, da die DSVGO das bisherige Hausrecht der Veranstalter aushebelt“, heißt es in der Eingabe auf „openpetition.de“. Die neue Grundverordnung verlange „auch Freigaben vorab von selbst nicht erkennbaren Personen. Also selbst die Behauptung, auf dem Bild gewesen zu sein, reicht, um hier die legale Fotografie selbst belebter Landschaft insgesamt unmöglich zu machen“.

Öffnungsklausel in Artikel 85

Das schätzt der sächsische Datenschutzbeauftragte anders ein: In Artikel 85 der Verordnung sei eine Öffnungsklausel enthalten, laut der die Mitgliedsstaaten durch nationales Recht den Datenschutz auf der einen Seite und die Interessen von Wissenschaft, Meinungsfreiheit und Kunst auf der anderen Seite in Einklang bringen können. Damit gelten laut Schurig hier automatisch die bisher angewandten einschlägigen deutschen Gesetze weiter – insbesondere Presserecht und Kunsturheberrecht. „Damit ergeben sich auch hier keine wesentlichen Unterschiede zu aktuellen Praxis“, heißt es in einer Beispielsammlung des Datenschutzbeauftragten.

Ist die Menschenmenge nur „Beiwerk“, ist keine Massenerlaubnis nötig

Das heißt: Steht die einzelne Person (oder Gruppe) klar im Vordergrund des Fotos, ist deren Einwilligung nötig, bevor das Foto veröffentlicht werden kann. Diese Einwilligung ist nicht zwingend schriftlich nötig – wobei die Schriftform aus Beweisgründen sinnvoller sein kann. Lichtet ein Fotograf dagegen zum Beispiel einen belebten Marktplatz ab, auf denen zwar viele Menschen zu sehen, diese aber eher „Beiwerk“ der Gesamtkomposition sind, wird solch ein Foto in aller Regel auch ohne Einwilligung dieser mehr oder minder „zufällig“ mit abgelichteten Menschen verwendbar sein.

Diese Regelung gilt übrigens nicht nur für die klassische Presse, sondern zum Beispiel auch für Blogger.

Restrisiken bleiben

Ein Restrisiko bleibt allerdings: Wenn ein Streitwilliger die rechtliche Meinung vertritt, das bisherige deutsche Recht fülle nicht automatisch die Stelle aus, die die Artikel 85 der DS GVO eröffnet, vielmehr bedürfe es eines neuen nationalen Gesetzes, der könnte auf die Idee kommen, dennoch zu klagen. Und erfahrungsgemäß zieht sich solch ein medienrechtliches Verfahren mehrere Instanzen hin, bis Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsrecht als höheres Gut anerkannt sind. Dass das Bundesverfassungsgericht als letzte Instanz – gegen alle eigene Rechtsprechung bisher – dann doch den Datenschutz höher als das Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit gewichtet, darf man getrost als unwahrscheinlich einstufen. Laxer formuliert: Klagt ein Neunmalkluger dennoch gegen ein bisher zulässiges  Foto, dann muss der Fotograf im dümmsten Fall lange warten und viel Prozesskosten vorstrecken, bis er oder sie dann wahrscheinlich doch Recht bekommt.

Autor: Heiko Weckbrodt

-> Hinweis: Dies ist keine Rechtsberatung – eine maßgebliche fachliche Auskunft kann ein spezialisierter Medienanwalt geben. Wir berichten hier lediglich über Standpunkte in der aktuellen öffentlichen Diskussion.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt