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100 000 Bausteine für die Energiewende

Elektroautos können nicht nur Strom laden - wie hier vor der VW-manufaktur Dresden -, sondern auch als Zwischenspeicher für Solar- und Windstrom dienen. Foto: Heiko Weckbrodt

Neuere Elektroautos können nicht nur Strom laden – wie hier vor der VW-Manufaktur Dresden -, sondern auch als Zwischenspeicher für Solar- und Windstrom dienen. Foto: Heiko Weckbrodt

Verband VEE fordert mehr Elektroautos in Sachsen und mehr lokale Pilotprojekte

Dresden, 16. März 2018. Damit die Sachsen auf der Suche nach der Energiewende nicht weiter auf der Stelle treten, sollten Kommunen und Staat mehr lokale und regionale Pilotprojekte fördern und den Elektroauto-Kauf massiv ankurbeln. Das hat Präsident Wolfgang Daniels von der „Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien“ (VEE) Sachsen gestern auf der VEE-Jahrestagung in der gläsernen VW-Manufaktur Dresden gefordert.

Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) Sachsen, auf der VEE-Jahrestagung in der gläsernen VW-Manufaktur Dresden.  Foto: Heiko Weckbrodt

Wolfgang Daniels, Präsident der Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) Sachsen, auf der VEE-Jahrestagung in der gläsernen VW-Manufaktur Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Beispiellösungen für Energiespeicher gefragt

Gebraucht würden vor allem auch Beispiellösungen, um Wind- und Solarstrom günstig zwischenzuspeichern, betonte der Präsident. Denn noch immer gibt es zu wenig leistungsstarke Zwischenspeicher für den eher unstetig erzeugten Solar- und Windstrom. Entsprechend waren „Energiespeicher“ auch das Leitthema der diesjährigen VEE-Tagung.

Für jedes Stadtviertel eine andere Lösung?

„Womöglich brauchen wir von Stadtviertel zu Stadtviertel immer ganz eigene Lösungen, um erneuerbare Energien zu erzeugen und zu verteilen“, sagte Daniels. Gebraucht würden daher mehr Leitviertel für das dezentrale Energiemanagement wie in Dresden-Johannstadt. Dort wollen die Projektpartner im Rahmen des „MAtchUP“-Programms Solaranlagen, Energiespeicher, Steuertechnik und E-Fahrzeug-Ladesäulen auf neue Weise vernetzen.

Statt neue Groß-Energiespeicher (hier ein Blick in die Leitzentrale des Pumpspeicherwerks Dresden-Niederwartha) zu bauen, wollen Forscher und Energieversorger aus Ostsachsen bereits existeierende dezentrale Speicheröfen in Haushalten vernetzen, um Lastspitzen abzufangen. Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in die Leitzentrale des Pumpspeicherwerks Dresden-Niederwartha. Foto: Heiko Weckbrodt

Pumpspeicher mit Windkraftpark verbinden

Aber auch das weitgehend ruhende Pumpspeicherwerk in Niederwartha im Dresdner Westen könnte solch eine Pilotlösung werden: „Wir haben das durchgerechnet und glauben, dass das Pumpspeicherwerk auch für 80 Millionen Euro modernisiert werden könnte statt der 150 bis 200 Millionen Euro, von denen zuletzt die Rede war“, sagte Daniels. Richtig lohnen würde sich das allerdings nur, wenn einerseits Windkraftanlagen für die Stromerzeugung am Oberbecken gebaut werden. Andererseits müssten die alten DDR-Generatoren durch moderne Schnellläufer ersetzt werden, die binnen Minuten auf die heutigen Bedarfsschwankungen in den Netzen reagieren können.

VEE-Präsident: Schlüssel liegt in der Sektorenkopplung

Als Schlüsseltrend macht Daniels die „Sektorenkopplung“ aus: „Wir wollen die Erzeugung erneuerbarer Energien mit der Elektromobilität und anderen Sektoren verbinden.“ Das heißt zum Beispiel, die Batterien von Elektroautos als fahrbare Zwischenspeicher für Ökostrom zu verwenden. Konkret bedeutet das: Wenn E-Autos gerade an der Steckdose hängen, könnten sie nicht nur für den Eigenbedarf Strom tanken, sondern bei Nachfragespitzen auch Strom aus ihrer Batterie an die öffentlichen Netze gewinnbringend zurückverkaufen.

Lithium-Ionen-Akku der "Deutschen ACCumotive" für den Fahrzeug-Einsatz. Foto: Deutsche ACCumotive

Lithium-Ionen-Akku der „Deutschen ACCumotive“ für den Fahrzeug-Einsatz. Foto: Deutsche ACCumotive

Umweltbilanz der Lithium-Batterien umstritten

Dieses Konzept geistert zwar schon einige Zeit durch die Branche. Die Kritik daran entzündete sich aber bisher an technologischen wie ökologischen Punkten: Erstens sieht die Umweltbilanz der in E-Autos verbauten Lithium-Batterien gar nicht so toll aus, wenn man den Energie- und Ressourcenverbrauch entlang der gesamten Kette vom Lithium-Bergbau bis zur Entsorgung der ausgelaugten Batterie betrachtet. „Wir müssen hier ordentliche Recycling-Prozesse in Gang bringen, dann sieht die Ökobilanz besser aus“, betonte der VEE-Präsident. An solchen Wiederverwertungs-Technologien geforscht wird übrigens auch in Freiberg.

Lebensverlängernde Zutaten für Batterien: Eisen und Schwefel

Zweitens altern klassische Auto-Batterien übermäßig schnell, wenn sie in schnellen Wechseln be- und entladen werden. In neueren Elektro-Autos sind allerdings Lithium-Eisensuldfid-Batterien verbaut, die in Kombination mit besseren Lademanagern mehr als 5000 Ladezyklen aushalten. Diese Autos unterstützen deshalb meist auch den sogenannten bidirektionalen Betriebsmodus als Strom-Zwischenspeicher, können also Strom aufnehmen und abgeben. Dazu gehören mehrere Elektroautos von Nissan, Mitsubishi und Kia. Auch die französischen Hersteller und Volkswagen wollen demnächst den bidirektionalen Modus unterstützen.

Der Leipziger BMW-Werkleiter Hans-Peter Kemser (l.) hat den Elektro-BMW i3 an Verkehrsmuseums-Direktor Joachim Breununger vor dem Johanneum in Dresden übergeben. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Leipziger BMW-Werkleiter Hans-Peter Kemser (l.) bei der Übergabe eines Elektro-BMW i3 an Verkehrsmuseums-Direktor Joachim Breununger vor dem Johanneum in Dresden. Foto: Peter Weckbrodt

Ehrgeizigere Elektroauto-Ziele vom Freistaat Sachsen gefordert

Drittens gibt es hierzulande schlichtweg noch zu wenig Elektroautos. Damit diese mobilen Stromspeicher für die Energiewende überhaupt ins Gewicht fallen, braucht es mehr als die reichlich 1000 Elektroautos in Sachsen beziehungsweise zirka 54 000 Elektroautos, die insgesamt auf deutschen Straßen unterwegs sind. „Ein sinnvolles Ziel für die Landesregierung könnte es zum Beispiel sein, dafür zu sorgen, dass wir in Sachsen in den nächsten fünf Jahren auf rund 100.000 Elektroautos kommen“, forderte Daniels. Dies würde jedenfalls einem Bundesland gut zu Gesicht stehen, in denen mit dem E-Golf aus Dresden, dem BMW i3 aus Leipzig und demnächst den I.D.s von Volkswagen Zwickau ohnehin eine starke Elektroauto-Industrie am Wachsen ist.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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