Elektronik-Forschungsgruppe der TU Dresden arbeitet an Zahnrädern und Rechenwerken aus einzelnen Molekülen
Dresden, 13. März 2018. Stellen Sie sich ein mechanisches Uhrwerk aus Glashütte vor oder eine jener wunderbar anzusehenden Rechenmaschinen, wie sie Blaise Pascal oder Gottfried Wilhelm Leibniz einst konstruieren: Dutzende, Hunderte gold- und silberschimmernde Zahnräder greifen ineinander, treiben vordigitale Computer an, um mechanisch zu addieren und zu dividieren. Und jetzt stellen Sie sich solch Wunderwerk millionenfach verkleinert vor, geschrumpft auf weniger als Haaresbreite. Eben solch eine diffizile Nanomaschine zu bauen hat sich ein noch junges Dresdner Forschungsteam um Dr. Francesca Moresco auf die Fahnen geschrieben.
Europäisches „Memo“-Projekt unter sächsischer Führung
Im Exzellenz-Zentrum für fortgeschrittene Elektronik (cfaed) der TU Dresden arbeitet ihre Gruppe für „Single Molecule Machines“ an der Idee, die Grenzen heutiger Mikroelektronik auf dem mechanischen Pfad zu überschreiten: Die Wissenschaftler wollen Rechenwerke aus Zahnrädern und Motoren konstruieren, von denen die meisten Bauteile nur ein Molekül groß sind. Dies ist Teil des auf vier Jahre angelegten europäischen Projektes „Memo“. Unter dem Motto „MEchanics with MOlecules“ und unter Führung des cfaed kooperieren hier Kollegen der TU Dresden, der Unis Graz, Liege und Manchester sowie der Wissenschaftszentren CNRS aus Frankreich und CSIC aus Spanien.
Kann ein Nano-Zahnrad ein 30-nm-Rad antreiben?
„Wir müssen dafür viele Fragen klären“, berichtet die aus Italien stammende Physikerin Moresco. „Zum Beispiel: Wie bewegt sich überhaupt ein Molekül? Wie rotiert es? Kann es wie ein Zahnrad andere Moleküle oder vielleicht auch größere Strukturen antreiben? Wie befestigen wir das Zahnrad? Lässt sich daraus mit einem 3D-Drucker eine Rechenmaschine bauen?“ Zu klären sei außerdem, ob solche einzeln mit Labormethoden designten Moleküle, die womöglich nur ein Nanometer (Millionstel Millimeter) Durchmesser haben werden, auch größere Zahnräder mit zum Beispiel 30 Nanometern Durchmesser antreiben können. Dann nämlich könnten dafür preiswerte und bewährte Produktionsmethoden wie in heutigen Chipfabriken eingesetzt werden, ließen sich „Button-up“- und „Top-Down“-Methoden kombinieren. Bisher setzen Moresco nämlich ihre Molekül-Werke bei extrem niedrigen Temperaturen mit dem Rastertunnel-Mikroskop zusammen. Das funktioniert gut im Labor – aber ist für eine industrielle Verwertung viel zu langsam.
Auch Einsatz in der chemischen Synthese denkbar
Vor allem ist auch noch die Frage offen, ob solch winzige mechanische Rechenwerke in Zukunft tatsächlich heutige digital-elektronische Chips zu übertrumpfen vermögen. Aber eben diese Herangehensweise ist ein Grundprinzip des Elektronikzentrums cfaed: Um die Computer von übermorgen zu entdecken, beschreiten die Dresdner Forscher viele unterschiedliche Pfade. Vielleicht erweisen sich einige dieser Wege als Sackgassen. Aber das kann man eben erst wissen, wenn die Forscher diesen Pfad ausprobiert haben. Und selbst falls die Molekül-Maschinen als Rechenmaschinen versagen sollten, lassen sich vielleicht ganz andere Anwendungsmöglichkeiten für Zahnräder finden, die nur wenige Atome groß sind: in Mikrolaboren zum Beispiel, um chemische Stoffe hochpräzise für ein neues Medikament zu dosieren, oder um einzelne Atome zu transportieren.
Italienerin richtet Nanocar-Rennen aus
Dr. Francesca Moresco forscht bereits seit Jahren an ähnlichen Themen. Sie hatte Physik in Genua studiert, forschte ab 1999 bis 2006 an der Freien Universität Berlin und wechselte 2006 zu Qimonda nach Dresden. Ab 2009 arbeitete sie an der TU Dresden, zunächst am Nanotech-Lehrstuhl von Prof. Gianaurelio Cuniberti. Ab Oktober 2017 baute sie die neue Forschungsgruppe „Single Molecule Machines“ am Exzellenzzentrum cfaed auf, die derzeit vier Wissenschaftler umfasst. Die Gruppe ist auch einer der Veranstalter des „Nanocar Race II“, bei dem 2021 die kleinsten Autos der Welt um die Wette fahren werden.
Autor: Heiko Weckbrodt
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