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Professorin mit Inbusschlüssel

Die Physikerin Dr. Selina Olthof hatte ab 2006 bei Professor Karl Leo an der TU Dresden promoviert. Nun ist die gebürtige Stuttgarterin für ein Semester als Gastprofessorin nach Dresden zurückgekehrt - und arbeitet im neuen Krone-Bau der Photophysiker. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Physikerin Dr. Selina Olthof hatte ab 2006 bei Professor Karl Leo an der TU Dresden promoviert. Nun ist die gebürtige Stuttgarterin für ein Semester als Gastprofessorin nach Dresden zurückgekehrt – und arbeitet im neuen Krone-Bau der Photophysiker. Foto: Heiko Weckbrodt

An der TU Dresden will die Forscherin Olthof den Studentinnen beweisen: Naturwissenschaft macht Spaß

Dresden, 2. Februar 2018. Dr. Selina Olthof will ein Vorbild für junge Naturwissenschaftlerinnen sein – und ist deshalb als Gast-Professorin für ein Semester von Köln an die TU Dresden gewechselt. Die 36-jährige Physikerin forscht und lehrt seit Jahresbeginn im Institut für Photophysik und im Elektronikzentrum cfaed. Im Zuge des Eleonore-Treffz-Programms versucht die gebürtige Stuttgarterin jungen Frauen klarzumachen: Eine naturwissenschaftliche Laufbahn ist interessant und lohnenswert. Im Interview mit Oiger-Redakteur Heiko Weckbrodt erzählt sie, auf welch kosmischen Umwegen sie selbst zur Physik kam und was sie am liebsten macht. So viel sei schon verraten: Sie hofft, mit sogenannten Perowskit-Materialien die Vorteile organischer und die klassischer Elektronik verbinden zu können.

Warum Physik?

Selina Olthof: Anfangs hat mich Physik gar nicht interessiert. Ich hatte das Fach in der Oberstufe sogar abgewählt. Aber dann begann ich mich für Astronomie zu interessieren, für ferne Sterne. Einigermaßen schockiert habe ich dann festgestellt, dass man Astro gar nicht studieren kann, der Weg dahin über ein Physik-Studium führt. Da habe mir Physik-Schulbücher in der Bibliothek ausgeliehen – und fand sie sehr interessant.

Ist etwas von der Sehnsucht nach fernen Sternen geblieben?

Selina Olthof: Beim Physikstudium an der Uni Stuttgart habe ich die Campus-Sternwarte geleitet. Daheim habe ich auch heute noch ein Teleskop. Das hole ich aber nur noch in der Weihnachtszeit heraus.

War es schwer, sich als Frau in einem männlich dominierten Fach durchzusetzen?

Selina Olthof: Hier in Dresden haben die Frauen inzwischen einen Anteil von 45 Prozent in der Physik, wie ich jetzt gehört habe. Damals in Stuttgart lag dieser Anteil erst bei 20 Prozent. Da fällt man als Frau mehr auf. Ich habe das nicht als Nachteil empfunden. Allerdings gab es gelegentlich anzügliche Bemerkungen von Betreuern.

Die Physik ist ein breites Fach. Worauf haben Sie sich spezialisiert?

Selina Olthof: Meine Diplomarbeit beschäftigte sich mit Rastertunnel-Spektroskopie und Quantenpunkten in Gallium-Arsenid-Halbleitern. Das war eine Wahnsinns-Lernkurve damals: Ich hatte vorher noch nie eine elektronische Schaltung gemacht. Plötzlich musste ich an den Geräten die Elektronik umbauen, um mich dem Forschungsziel zu nähern. Ich habe fünf Monate für so eine Verstärkerschaltung gebracht. Und war sehr stolz, als die Anlage dann das tat, was ich wollte.

Die Wissenschaftsmaschinen haben Sie danach nicht mehr losgelassen…

Selina Olthof: Ich bin 2006 zur TU Dresden gegangen, um bei Professor Leo zu promovieren. Ich fand die organische Elektronik, an der er forschte, sehr interessant. Er hat mich auf eine Anlage für die Photo-Elektronen-Spektroskopie, mit der man bestimmte Materialien analysieren kann, angesetzt. Die hatte er sich für ein paar Hunderttausend Mark zugelegt. Aber keiner hatte sie bis dahin so recht zum Laufen bekommen. Ich habe dafür ein Jahr gebraucht. Aber dann funktionierte sie.

Und dann?

Selina Olthof: Mir ist klar geworden: Ich stehe am liebsten mit dem Inbusschlüssel in der Hand im Labor und schraube an der Anlage herum. Und so habe ich mich für eine akademische Laufbahn entschieden und bin in die USA zu Professor Antoine Kahn nach Princeton gegangen. Den Kontakt hatte Prof. Leo hergestellt.

"Am liebsten stehe ich mit dem Inbusschlüssel in der Hand im Labor und schraube an der Anlage herum", sagt Dr. Selina Olthof. Mit "der Anlage" meint sie hier die Photo-Elektronen-Spektroskopie im Reinraum des Krone-Baus. Die ist an eines der beiden "Ufos" von Karl Leo angedockt. Mit Ufo bezeichnen die Dresdner Photophysiker ihre sehr technischen und annähernd runden Experimentier- und Analyse-Anlagen. Foto: Heiko Weckbrodt

Am liebsten stehe ich mit dem Inbusschlüssel in der Hand im Labor und schraube an der Anlage herum, sagt Dr. Selina Olthof. Mit „der Anlage“ meint sie hier die Photo-Elektronen-Spektroskopie im Reinraum des Krone-Baus. Die ist an eines der beiden „Ufos“ des Dresdner Organik-Papstes Karl Leo angedockt. Mit Ufo bezeichnen die Dresdner Photophysiker ihre sehr technischen und annähernd runden Experimentier- und Analyse-Anlagen. Foto: Heiko Weckbrodt

Wie war es dort?

Selina Olthof: Die Labortechnik war ziemlich alt, die Spannungsregler waren riesig und sahen aus wie aus den 1970ern. Da habe ich mich erst mal gefragt, ob ich einen Fehler gemacht habe. Aber der Professor und die Kollegen dort haben sich sehr gekümmert und kannten sich mit dieser alten Anlage sehr gut aus. Da gab es oft was zu reparieren. Aber wenn man die Messelektronik geöffnet hat konnte man darin verewigt die Namen all der Vorgänger finden die sich dran schon versucht haben. Viele davon sind heute sehr erfolgreiche Professoren.

Jedenfalls war es eine ganz andere Welt: Hier haben wir viele und moderne Geräte, die viele Doktoranden überfordern. In Princeton gab es mehr Manpower und die Zusammenarbeit war sehr eng. Die Zeit dort war sehr produktiv.

Was hat sie zurück nach Deutschland und nach Dresden gezogen?

Selina Olthof: Ich bekam ein Angebot von der Uni Köln, dort ein eigenes Labor aufzubauen. Seit ich dort bin, hat mich Professor Leo schon zweimal gefragt, ob ich über das Eleonore-Treffz-Programm noch mal hierher kommen will. Jetzt, da das Labor in Köln gut läuft, habe ich Ja gesagt.

Und was wollen Sie hier tun?

Selina Olthof: Einerseits geht es darum, dass für die Studentinnen sichtbar ist: Ja, es gibt auch Professorinnen in der Physik. Ich werde im Sommersemester Vorlesungen über Solartechnologie und Grenzflächenanalyse halten.

Haben Sie ein Forschungsziel für das halbe Jahr?

Selina Olthof: Ich arbeite wieder an meiner alten Photo-Elektronen-Spektroskopieanlage im Reinraum. Es gibt da womöglich Lösungen, um die preiswerten, einfach herstellbaren, aber leider oft wenig effizienten organischen Halbleiter mit den Vorteilen anorganischer Halbleiter zu verbinden. Ich untersuche dafür sogenannte Perowskite. Diese Materialien haben Kristallstrukturen. Sie bestehen beispielsweise aus einem Grundgerüst aus Blei und Jod, in dem kleine organische Moleküle eingelagert sind, die dem Kristall Halt geben. Sie sind ähnlich dünn und flexibel wie rein organische Elektronik, leiten aber durch das ausgedehnte Netzwerk der Blei-Iod-Bindungen ausgezeichnet den Strom.

Im Labor hat man damit Solarzellen mit einer Energieausbeute von 22 Prozent hergestellt – und diese Technologie ist noch jung. Nur mal zum Vergleich: Die organischen Solarzellen hat man nach jahrzehntelanger Entwicklung auf etwas über 10 Prozent gebracht.

Der Punkt ist allerdings: Da ist Blei drin. In winzigen Mengen zwar, aber eben Blei. Solarzellen mit Blei drin kauft Ihnen in Deutschland niemand ab. Und das ist mein Forschungsziel für mein Gastsemester in Dresden: Ich will versuchen, das Blei durch Germanium zu ersetzen.

Wie beurteilen Sie ihre Chancen?

Selina Olthof: Mal sehen. Germanium ist sehr reaktionsfreudig und das könnte es schwierig machen. Auch sind Germanium-Atome kleiner als Bleiatome. Da stellt sich die Frage, wie stabil der Kristall da noch ist. Und außerdem gibt es da noch die starke Konkurrenz in Südkorea und China: Die haben soviele Nachwuchswissenschaftler, dass sie an solch eine Frage ein, zwei Dutzend Doktoranden im Wettbewerb zueinander dransetzen können. Einer wird dann schon eine Lösung finden.

Viel Glück!

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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