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Kinder spielen gegen den Schmerz

Wie taube Kinder durch Chochlea-Implantate und EEG-Reha hören lernen, zeigten die Mediziner im Uniklinikum. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Schmerzzentrum bietet weit und breit einzigartige Hilfe für sehr junge Migräne-Patienten

Dresden, 29. März 2017. Über zwei Drittel aller Dresdner Schüler haben Kopfschmerzen – mindestens einmal im Monat. Davon wiederum die Hälfte hat sogar häufig Kopfschmerzen, hat eine Umfrage unter rund 2500 Kindern und Jugendlichen durch das Universitätsklinikum ergeben. Die Dresdner Mediziner haben darauf reagiert und das Dresdner Kinder-Kopfschmerz-Programm „DreKiP“ entwickelt. Die Kopfschmerzambulanz im Universitäts-Schmerz-Centrum (USC) ist damit eine der ganz wenigen Einrichtungen in Deutschland, die sich auch auf Kopfschmerz-Kinder spezialisiert hat.

Der Bedarf ist groß und die Tendenz: steigend, sagt Dr. Gudrun Goßrau, die Leiterin der Kopfschmerzambulanz. „Die Ursachen sehen wir in hohen schulischen Belastungen, falschem Pausenverhalten und Bewegungsmangel“, sagt sie. Auch gehen die Spezialisten davon aus, dass zusätzliche Kopfschmerz-Auslöser in jüngerer Vergangenheit hinzugekommen sind: exzessive Smartphone- und Tablet-Nutzung zum Beispiel und der Genuss koffeinhaltiger Energy-Drinks.

70 % der Zwölfklässler haben Kopfschmerzen

„Auch sehr junge Kinder haben schon Kopfschmerzen“, sagt Dr. Großau. Mit jeder Klassenstufe steige der Anteil der Schüler, die über Kopfschmerzen berichten: von 43 Prozent bei Erstklässlern bis hin zu teils über 70 Prozent bei den Zwölfklässlern. Das wiederum verstärkt die Vermutung, dass es einen Zusammenhang zwischen Kopfschmerz und Leistungsdruck gibt.

Der Kinderarzt in der Schmerzambulanz, Dr. Matthias Richter, wird da noch etwas deutlicher: „Die Ursachen für den Kopfschmerz der Kinder sind in dem Stress zu suchen, den sich unsere Gesellschaft selber macht“, argumentiert er. Auch die Handymania der Jüngeren sieht er kritisch: „Wenn wir Migräne als Reizüberflutungs-Erkrankung verstehen, dann ist es ganz klar ein Problem, wenn wir stundenlang nur am Smartphone herumspielen.“

Und obgleich die moderne Medizin an genetischen Wurzeln etwa von Migräne (noch) nicht viel ändern kann: Für die jungen Kopfschmerz-Patienten ist schon viel gewonnen, wenn sie ihre persönlichen Trigger (Auslöser) für Migräne-Attacken erkennen und vermeiden beziehungsweise etwas Prophylaxe betreiben. Eben dort setzt das „Dresdner Kinderkopfschmerzprogramm“ (DreKiP) an, das die Uniklinik nun seit etwa einem Jahr erprobt: In gemeinsamen Stunden mit Freunden, Eltern, Therapeuten und Medizinern üben die 25 Probanten im Alter zwischen neun und 18 Jahren, sich abwechselnd zu aktivieren und zu entspannen. Dazu gehören Sport in einer Kletterhalle, Defokussierungs-Übungen, freie Assoziations-Spiele, Muskel-Relaxation und dergleichen mehr. „Was dabei wichtig ist: Es soll Spaß machen“, betont Kinderarzt Richter. „Das ist gerade hier in Sachsen wichtig, wo einem ständig gesagt wird: ,Wir müssen die Besten sein’.“

Medikamente helfen zunächst aus dem Migräne-Tal

Ein weiterer Baustein des Programms beruht auf Medikamenten: Für die richtig schlimmen Migräneattacken gibt es zunächst Schmerzmittel wie Ibuprofen. Nur so können einige Kinder überhaupt erst mal aus dem Migräne-Tal herauskommen und wieder am Alltag teilhaben. Wichtig sei es darauf zu achten, die Schmerzmittel nicht zu häufig einzunehmen, betonen die Experten: maximal zehn Tagen im Monat, sonst können die Medikamente selbst Kopfschmerz verursachen beziehungsweise an Wirkung verlieren.

Migräne-Patienten sehen viele Dinge klarer

Nicht zuletzt wollen die Ärzte und Therapeuten den Kindern zeigen, dass Migräne auch guten Seiten hat – so absurd das zunächst klingt. „Migräne zu haben heißt ja auch, dass man mehr Dinge sieht und sie klarer und deutlicher wahrnimmt als viele andere Menschen“, sagt Richter. Es sei daher kaum ein Zufall, dass viele junge Migräne-Patienten eigentlich besonders gute Schüler seien. „Wir müssen ihnen eben klarmachen, dass Migräne auch heißt: Ich sehe mehr als andere.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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