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Laser kopieren Anti-Keim-Insektenpanzer

Andrés Lasagni (rechts) und Prof. Frank Mücklich (links) haben eine neue Methode gefunden, um mit Lasern sehr schnell Mikrostrukturen zu erzeugen.

Andrés Lasagni (rechts) und Prof. Frank Mücklich (links) haben eine neue Methode gefunden, um mit Lasern sehr schnell Mikrostrukturen zu erzeugen. Foto: Klingseisen, Berthold-Leibinger-Stiftung

Forscher aus Dresden und Saarbrücken für neue Laser-Flächentechnologie prämiert

Dresden, 23. September 2016. Sie sind das Schreckensszenario der modernen Medizin: Multiresistente Bakterien, die alle Antibiotika der Menschheit überlebt und sich angepasst haben. Träte dieses Szenario mit voller Wucht ein, könnten wieder unzählige Patienten an Entzündungen sterben wie in der Ära vor der Entdeckung der Antibiotika. Vor allem in Krankenhäusern ballen sich solche Keime gern zusammen, lernen die „Waffen“ der Ärzte allzugut kennen. Gelänge es, ihnen innerhalb der Kliniken den Weg von Station zu Station zu versperren, wäre schon viel gewonnen.

Krankenhaus-Keime rutschen an Mikrostruktur ab

Dafür haben Prof. Andrés Lasagni von der Technische Universität Dresden und vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) Dresden sowie Prof. Frank Mücklich von der Universität des Saarlandes nun einen Lösungsansatz gefunden: Sie wollen Krankenhaus-Klinken mit Laserlicht so mikrostrukturieren, dass Bakterien darauf keinen Halt finden, gewissermaßen „abrutschen“. Für ihr Konzept haben sie nun einen der begehrten Laser-Preise der süddeutschen Berthold-Leibinger-Stiftung bekommen.

Muster an nimmerkrankem Insekt entdeckt

„Ein Kollege hatte ein Insekt untersucht, das ganz selten krank wird“, erzählt Prof. Lasagni. Als sich sein Kollege den Außenpanzer des Insekts genauer angeschaut habe, konnte er ganz feine Strukturmuster entdecken, kleiner als ein Mikrometer (Tausendstel Millimeter). „Diese Muster sind kleiner als die Bakterien, die sich dadurch nicht anheften können“, erklärt der 39-jährige Laserexperte.

Nanostrukturen auf einer Nickeloberfläche. Foto: Berthold-Leibinger-Stiftung

Nanostrukturen auf einer Nickeloberfläche. Foto: Berthold-Leibinger-Stiftung

Lasern war bisher zu langsam und zu teuer

Zwar sind die Menschen inzwischen auch imstande, die Natur technologisch nachzumachen und zum Beispiel mit Lasern ganz feine Strukturen zu erzeugen. Diese Verfahren sind bisher aber viel zu teuer und langsam. Sie eignen sich daher wenig für die Massenproduktion von Alltags-Gegenständen wie antibakteriellen Türklinken.

Laserstrahlen überlappen sich zu einer Inferenz-Fläche

Lasagni und dessen ehemaliger Doktorvater Mücklich – der übrigens aus Dresden stammt – entwickelten daher ein neues Konzept: Ihre Arbeitsgruppen in Dresden und Saarbrücken bündelten mehrere Laser so, dass sich ihr energiereiches Licht überlagerte und dabei sehr kleine Überlagerungs-Flächenmuster („Interferenzen“) erzeugte. Statt einzelne Strukturlinien nacheinander zu „zeichnen“, belichtet das Laser-Gespann hier ganze Areale auf einmal. Dadurch kann dieses Verfahren sehr schnell auch große Oberflächen mit Strukturen versehen, die nur noch ein paar Hundert Nanometer (Millionstel Millimeter) klein sind. Klein genug also, um zum Beispiel die Panzermuster des immergesunden Insekts zu imitieren.

„Ein paar Euro pro Quadratmeter“

Die neue Laserinferenzstrukturierung ist vergleichsweise billig und schnell: Während ein klassischer Laser mehrere Minuten braucht, um auch nur einen Quadratzentimeter Werkstoff so fein zu bearbeiten, schafft das sächsische Interferenzsystem fast einen ganzen Quadratmeter pro Minute. Und die Kosten liegen laut Lasagni bei nur „ein paar Euro pro Quadratmeter“, während die klassische Laserbehandlung gut und gerne 1000 bis sogar mehrere 10.000  Euro pro Quadratmeter koste.

Angesichts dieses Quantensprungs für Kosten und Tempo in der Lasertechnologie sehen die Forscher enorme Anwendungspotenziale in der gesamten Industrie: Solcherart behandelte Steckverbinder für Autoelektronik wären deutlich zuverlässiger, weil rutschfester und leitfähiger. Eine Pilotanlage werde nun bei einem Industriepartner konstruiert und in zwei bis drei Jahren die Serien-Produktion starten, erzählt Prof. Lasagni.

Einsatz in Automobil- und Medizintechnik

Gemeinsam mit einem Implantat-Hersteller entwickeln die Forscher zudem gerade mikrostrukturierte Zahn- und Knochenimplantate auf dieser Basis, die 2017 oder 2018 in die Produktion gehen sollen. „Wir bereiten gerade auch andere Anwendungen vor, über die ich aber noch nicht reden darf“, plaudert der Laserexperte mit italienischen und argentinischen Wurzeln, der in Dresden eine neue Heimat gefunden hat.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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