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Ex-Intel-Leute entwerfen Funkchips für Internet der Dinge

Die Kuh hängt im WLAN - und schon haben die Automaten das Tier geortet. Fotos (2): hw, Montage: hw

Auch die Kuh soll nach dem Willen vieler Landwirte und Technologen zum vernetzten „Ding“ im „Internet of Things“ werden. Fotos (2): hw, Montage: hw

Nach Aus für Konzern-Entwicklungszentrum in Dresden: Ingenieure finden Geldgeber für ihre Techfirma-Gründung „CommSolid“

Dresden, 20. Juli 2016. Autos, die um die Ecken „schauen“, Drohnen, die die richtigen Empfänger für ihre Pakete selbst finden, Kühe mit Gesundheits-Überwachungs-Chips im Ohr oder verlorene Brillen, die ihren Aufenthaltsort von allein an ihren Besitzer melden – all dies und mehr soll das künftige „Internet der Dinge“ (englisch: „Internet of Things = IoT) möglich machen, in dem alles mit allem vernetzt sein wird. Mit dieser Vision vor Augen haben die Ingenieure des vor einem Jahr geschlossenen Intel-Entwicklungszentrums Dresden die Firma „CommSolid“ gegründet. Sie wollen dort innovative und energiesparende Mobilfunk-Chipkonzepte für das Internet der Dinge entwickeln.

High-Tech-Gründerfonds“ und MBG Sachsen steigen ein

Von ihrer technologischen Marschrichtung konnten sie jetzt auch zwei potente Geldgeber überzeugen: In einer ersten Finanzierungsrunde beteiligen sich der teilstaatliche „High-Tech-Gründerfonds“ (HTGF) aus Köln und die „Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen“ (MBG) an der Dresdner „CommSolid GmbH“. Dies teilten das Unternehmen und die Kapitalgeber am Mittwoch mit.

Geld reicht für 2 Jahre

Über die genaue Beteiligungssumme wollten die Partner keine Angaben machen. Aber das junge Unternehmen habe nun genug Geld für zwei Jahre Geschäftstätigkeit eingesammelt, erklärte CommSolid-Chef Dr. Matthias Weiss auf Anfrage. Neben den Hauptinvestoren HTGF und MBG hatten Weiss und die anderen Gründer bereits Kapital eingebracht und auch Fördermittel akquiriert.

TU-Ausgründung wanderte von Konzern zu Konzern

CommSolid geht letztlich auf die TU-Ausgründung „Systemonic“ zurück, die 1999 als Entwicklungsfirma für WLAN-Funkchips entstand. 2002 übernahm Philips-NXP das Unternehmen. Als die Holländer das Interesse an den Dresdner Forschungen verloren, gründeten die Ingenieure 2008 wieder eine neue Firma, die „Blue Wonder“. Die wurde 2010 zunächst von Infineon erworben und kurz darauf an Intel weiterverkauft. Als der US-Halbleiterkonzern sein sächsisches Entwicklungszentrum Dresden im Sommer 2015 dicht machte, gründete im Oktober ein Teil der ehemals 130 Dresdner Intel-Mitarbeiter die „CommSolid“. Zum Aufsichtsrat gehört auch der Dresdner Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis.

30 Mitarbeiter an Bord

Die neue Entwicklungsfirma sitzt – wie schon Intel Dresden – auch wieder im Waldschlösschen-Areal und hat inzwischen rund 30 Mitarbeiter. Das Unternehmen wird keine eigene Chipfabrik bauen, sondern neuartige Chip-Lösungen an andere Unternehmen verkaufen beziehungsweise lizenzieren.

Über 100 Ingenieure und andere Mitarbeiter tüftelten bisher im Intel-Entwicklungszentrum am Waldschlösschen-Areal in Dresden an Mobilfunk-Chips. Nun will sich der US-Konzern aus Dresden zurückziehen und das Zentrum schließen. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Über 100 Ingenieure und andere Mitarbeiter tüftelten früher im Intel-Entwicklungszentrum am Waldschlösschen-Areal in Dresden an Mobilfunk-Chips.. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Stromspar-Sender für Feld und Keller

„Unsere Kunden sind Halbleiter-Hersteller“, erklärte Matthias Weiss. „Wir liefern ihnen Design-Blöcke, die sie dann in ihre Elektronik integrieren können.“ Konzentrieren wollen sich die Dresdner Ingenieure vor allem auf besonders sparsame Funkchip-Lösungen, um selbst sehr kleine Geräte und Sensoren auch in abgelegene Ecken ohne externe Stromversorgung per Internet zu vernetzen.

Fokus auf neuem Mobilfunk-Standard „NB-IoT“

Dabei setzen sie auf den noch taufrischen Mobilfunk-Standard „Schmalband für das Internet der Dinge“ (NB-IoT). Den hat die Organisation „3GPP“ erst vor wenigen Wochen als Vernetzungsstandard definiert. Die Technologie dahinter basiert letztlich auf dem älteren 2G-Mobilfunk mit einer Frequenz von 200 Kilohertz. Damit kommen Chips zwar auf keine hohen Datenraten, aber können dafür kilometerweit funken, teils auch durch Wände hindurch, brauchen aber nur sehr wenig Energie dafür.

Dresdner sehen Chancen in der Industrie 4.0

„Diese Eigenschaften werden für die Industrie 4.0 und die vernetzte Landwirtschaft wichtig sein, zum Beispiel für Messgeräte und Maschinen, die irgendwo auf dem Feld oder in Kellern stehen“, schätzte Weiss ein. Will man die vernetzen, braucht man keine ultraschnellen Funkverbindungen, sondern vor allem solche mit großer Reichweite und wenig Energieverbrauch. Denn diese Anlagen senden in aller Regel „nur“ Status-Meldungen und Messwerte, keine hochauflösenden Videos. Wenn es CommSolid gelinge, sich in diesem Sektor als Pionier für NB-IoT-Vernetzungslösungen zu positionieren, könne daraus ein entscheidender Wettbewerbsvorteil erwachsen, meint Weiss. „Das Internet der Dinge wird nach WLAN und klassischem Mobilfunk für uns die dritte große Welle sein, die wir mitgestalten.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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