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Europa bleibt die Nische

Am Dresdner ASSID erproben die Fraunhoferforscher an 300-mm-Linien die 3D-Chipintegration. Abb. (3): Fraunhofer

Am Dresdner Fraunhofer-Forschungszentrum ASSID erproben die Ingenieure in 300-mm-Linien die 3D-Chipintegration. Die Massenproduktion von 2,5D- und 3D-Chips wird sich aber wohl eher in Asien oder den USA konzentrieren. Foto: Fraunhofer

Kommentar: EU tut zu wenig, um Zukunftstechnologien wie 3D-Chiptechnik in Jobs und Fabriken umzumünzen

Dresden, 2. März 2016. Nicht nur in der Produktion von Halbleiterchips der Spitzenklasse hat Europa den Anschluss verloren. Bei der Produktion kompletter Schaltkreise im Gehäuse hat Europa schon vor Jahrzehnten den Anspruch aufgegeben, eine nennenswerte Eigenproduktion zu haben. Die sogenannten Back-End-Prozesse (Test und Assembly) wurden nahezu komplett in Billiglohnländer nach Asien ausgelagert. Durch die unvermindert anhaltende Steigerung der Komplexität elektronischer Systeme für die unterschiedlichsten High-Tech-Produkte hat sich neben der weiteren Verkleinerung der Strukturen der Halbleiterchips ein Trend zur Erschließung der dritten Dimension herausgebildet, der als 3D-Integration bezeichnet wird. Inzwischen hat diese Technologie unter Einschluss von Zwischenstufen (2,5D) die Massenproduktionsreife erreicht. Und hier vollzieht sich die gleiche Konzentration auf einige wenige Großunternehmen in Asien, die den weltweiten Bedarf an solchen Spitzenprodukten decken, wie bei den höchstintegrierten Halbleiterchips. Eine Chance bleibt für Europa in der Nische.

Endfertigung und Tests von Chips längst in Asien konzentriert

Zum Hintergrund: Halbleiterchips müssen in der Regel ein Gehäuse bekommen, damit sie im weiteren Produktionsprozess elektronischer Systeme sicher gehandhabt werden können. Dazu werden die Chips auf einem Substrat gebunden („gebondet“), auf dem auch die Anschüsse an die Außenwelt hergestellt werde, und das dann „umhüllt“ wird, um das Bauelement gegen äußere Einflüsse zu schützen. Schließlich wird das so fertiggestellt Bauelement einem umfangreichen Test unterzogen. Diese (englisch) als „Assembly and Test“ oder kurz „Back-end“ bezeichneten Produktionsschritte wurden wegen ihrer personalintensiven und relativ einfachen Tätigkeiten schon sehr frühzeitig in den 1960er Jahren schrittweise in Billiglohnländer nach Asien ausgelagert. Die dort entstandene Industrie wird als OSAT („outsourced semiconductor assembly and test“) bezeichnet. In Europa und den USA verblieb diese Art der Halbleiterproduktion lediglich noch eine Weile bei einigen großen integrierten Halbleiterherstellern und dauerhaft bei kleinen hochspezialisierten Nischenproduzenten.

Chinesen mischen mit im Übernahme-Kampf

Nachdem in jüngster Zeit aber angeheizt durch die digitale Revolution hochkomplexe elektronische Systemen mit Milliarden von Transistoren vom Markt verlangt werden und die Halbleiterchips trotz ständiger Strukturverkleinerung bis in den Bereich von einigen Nanometern nicht mehr im nötigen Tempo solch komplexe Systemen kostengünstig realisieren können, hat sich mit der Erschließung der dritten Dimension (3D-Integration) ein neuer dynamische Wachstumsmarkt eröffnet. Für das dafür erforderliche Produktionsniveau sind die OSAT-Unternehmen in Asien dank ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im back-end-Bereich und ihrer schieren Größe (d. h. auch Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen) bestens gerüstet. Aber auch hier tobt derzeit ein Übernahmekampf, der insbesondere durch die Chinesen angeheizt wird. Es geht darum, diesen neben der Halbleiterproduktion entscheidenden Zukunftsmarkt der digitalen Revolution zu dominieren.

Bei der TSV-Technik werden die Chipebenen durch die Sperrschicht kontaktiert

Bei der TSV-Technik werden die Chipebenen durch die Sperrschicht kontaktiert.

Dresdner Fraunhofer-Forscher in 3D-Integration mit vorn – doch produziert wird woanders

Es verwundert deshalb nicht, dass es bis heute keine Produktionsstätte für diese Zukunftsindustrie in Europa gibt. Auch für diese Stufe der weiteren Systemintegration von High-Tech-Produkten müssen die europäischen Unternehmen die entscheidenden Subsysteme in Asien oder in den USA (bei INTEL oder künftig möglicherweise Globalfoundries) kaufen und sich dabei in eine strategische Abhängigkeit begeben. Das ist umso bedauerlicher, als es in Europa immer noch ein bedeutendes Know-How auf diesem Gebiet gibt. Nicht zuletzt gehört das Fraunhofer-Institut ASSID in Dresden zu den weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der 3D-Integration.

Die Umsetzung dieser Technologie in milliardenschwere Massenproduktion (mit entsprechenden Steuereinnahmen) erfolgt allerdings in Asien. Für Europa bleibt dabei nur die Nische und die Abhängigkeit bei Großserien von Asien, während die EU-Kommission weiter davon träumt, den Wiederanschluss an das internationale Spitzenniveau bei dieser „key-enabling“-Technologie zu finden, aber nichts tut.

Autor: Bernd Junghans

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

Der Autor unserer Analyse, Bernd Junghans, studierte Halbleiterphysik und Elektronik in Moskau. 1976 bis 1992 arbeitete er in der zentralen Chipentwicklungs-Schmiede der DDR, im ZMD. Danach war er für die US-Unternehmen AMI (American Microsystems Inc.) und Simtek Inc. tätig. 2001 bis 2004 war er Entwicklungsvorstand der ZMD AG. Heute leitet Junghans das Dresdner Softwareunternehmen „Metirionic“ und ist Mitglied im sächsischen Hightech-Verband „Silicon Saxony“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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