Vor allem Digitalangebote sind gefragt, aber auch Flüchtlinge beleben die Bilanz
Dresden, 22. Januar 2016. Die Städtischen Bibliotheken Dresden haben ihren Abwärtstrend gestoppt und wieder leicht zugelegt: Insgesamt 5,55 Millionen Entleihungen registrierten die 22 Bibliotheken im Jahr 2015 und damit 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die Rückgänge sind gestoppt“, sagte Bibliotheken-Direktor Arend Flemming heute in Dresden-Klotzsche, als er die dortige Stadtteil-Leihbücherei auszeichnete und seine Jahresbilanz für 2015 vorstellt. Denn: Im Jahr 2014 war die Zahl der Entleihungen um 2,7 Prozent gesunken.
Auch die neue Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) zeigte sich angetan. Die Städtischen Bibliotheken haben nach ihrer Ansicht einen besonderen Stellenwert: „Sie haben eben nicht nur eine kulturelle Funktion, sondern erfüllen auch soziale und bildungspolitische Aufgaben“, sagte sie. Die Bürgermeisterin verwies zudem ausdrücklich auf die neuen Initiativen der Bibliotheken, um Flüchtlingen die Integration in die Stadtgesellschaft zu erleichtern.
Asylbewerber leihen gern Kinderbücher aus
Dass es mit den Ausleihzahlen insgesamt wieder aufwärts geht, führt Arend Flemming auf mehrere Faktoren zurück: Zum einen erfahren die Bibliotheken jetzt neuen Zuspruch durch Flüchtlinge, die sich inzwischen hier angemeldet haben und – als kleinen Nebeneffekt – übrigens auch den traditionell recht geringen Männer-Anteil in der Leserschaft endlich etwas heben. Die Asylbewerber leihen laut Flemming oft Musik und Videos aus, aber auch Kinderbücher und einfach zu lesende deutsche Literatur.
20 % Zuwachs für eBibo
Vor allem aber hat sich der Siegeszug digitaler Bücher hat sich mit hohem Tempo fortgesetzt: Die Internet-Filiale „eBibo“ meldete für 2015 insgesamt 171.477 Entleihungen von eBooks und anderen digitalen Medien und damit 20 Prozent mehr als im vorherigen Jahr.
Direktor will mehr Musik streamen – Geld dafür gibt’s aber wohl erst 2017
Daher will Flemming auch die „eBibo“ besonders stark ausbauen. Ab 2017, wenn womöglich auch die Stadt wieder etwas mehr Geld für die Bibliotheken herausrückt, möchte der Direktor zudem weitere Musik-Streaming-Angebote in der virtuellen Filiale starten.
Pegida-Bremseffekt auf Besucher gemutmaßt
Allerdings mutmaßt Flemming – ohne das bisher sicher nachweisen zu können – auch indirekte Pegida-Negativeffekte auf die Leihbücherei-Bilanz. Während nämlich fast alle Kennzahlen nach oben zeigen, registrierten die Leihbüchereien im Jahr 2015 nur noch 1,53 Millionen Besuche, immerhin 6,5 % weniger als im Vorjahr. Dies erkläre sich einerseits wohl durch die Extra-Schließtage, die viele Zweigstellen im Jahr 2015 einlegten, weil das Netz derzeit auf Funk-Ausleihe mit RFID-Etiketten an den Büchern umgestellt wird.
Andererseits ist aber auch an den früher besonders besucherstarken Montagen in der Hauptbibliothek nun erstaunlich wenig los. Und da vermutet Flemming eben den Pegida-Effekt: Wenn die islamkritische Bewegung an den Montagen demonstriert und es dazu auch Gegendemos gibt, scheuen jetzt womöglich viele Leser die Innenstadt und erledigen soviel wie möglich Bibliotheks-Geschäfte per Internet.
Autor: Heiko Weckbrodt
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!