Abfall aus der Gelben Tonne hält Gleise von Bimmel- und Straßenbahnen in Sachsen fest
Großrückerswalde/Radebeul, 14. September 2015. Schwer vorstellbar, aber schon bald Wirklichkeit: Alles was vom Verbraucher in den gelben Sack entsorgt wird, vom Joghurtbecher bis zur Wurstverpackung vom Discounter, liefert das Ausgangsmaterial für einen neuen Gleisbaustoff, die Kunststoffschwelle. Sie könnte schon in naher Zukunft bei ausgewählten Schienenfahrzeugunternehmen – zum Beispiel Schmalspurbahnen, Straßenbahnen und Parkeisenbahnen – einen Großteil der guten alten und auch bewährten Holzschwelle ersetzen. Spezialisiert auf diese Recycling-Schwellen hat sich das sächsische Unternehmen „Reluma“ aus dem Erzgebirge.
Alte Haltbar-Macher für Holzschwellen wegen Krebsgefahr ausgemustert
Der Hintergrund für den Ersatz von Holz durch Kunststoff im Gleisbau ist vorrangig ein ökologischer. Die Liegedauer von Holzschwellen wird wesentlich von der Wirksamkeit ihrer Imprägnierung zum Schutz vor Fäulnis und Verrottung bestimmt. Über Jahrzehnte hinweg wurden solche Holzschwellen mit Kreosot imprägniert. Dieses Nebenprodukt der Teergewinnung enthält allerdings gesundheitsschädigende, nämlich krebserregende Stoffe. Zwar gibt es inzwischen alternative „Halbarmacher“. Doch die ersatzweise eingeführten Imprägnierstoffe und -Methoden haben dazu geführt, dass Holzschwellen von Gleisen nur noch halb so lange der Witterung standhalten.
Kunststoff-Schwellen sollen 30 Jahre halten
Die im erzgebirgischen Großrückerswalde von der Firma RELUMA produzierte Kunststoffschwelle „Relumat 2000“ gilt als wartungs- und verrottungsfrei, ist ökologisch unbedenklich und beständig gegen Eis, Schnee, Öle, fette sowie Schädlinge. Sie besteht zu 100 Prozent aus aufbereiteten Kunststoff-Abfällen. Noch gibt es keine Erfahrungen bezüglich ihrer Liegedauer. Der Hersteller setzt auf mindestens 30 Jahre. Zum Vergleich: Holzschwellen, die einst mit dem gefährlichen Kreosot versiegelt wurden, hielten auch etwa 30 Jahre, je nach der typischen Witterung vor Ort. Die neueren Ersatz-Imprägniermittel schützen Holzschwellen dagegen nur noch für 10 bis 15 Jahre.
An November Recyclings-Schwellen für den Lößnitzdackel
Im November wird die „Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft“ (SDG) auf der Strecke der Lößnitzgrundbahn vorzugsweise im Radebeuler Lößnitzgrund, aber nicht ausschließlich dort, beachtliche 1000 Stück der neuen Schwellenart einbauen. „Wir setzen auf die guten Erfahrungen, die wir im November des Vorjahres mit dem Einsatz von 400 Stück ,Relumat 2000’ bei der Weißeritztalbahn im Rabenauer Grund gewonnen haben.“, erklärt Mirko Froß, der Eisenbahnbetriebsleiter der SDG. „Auch speziell zwischen Schmiedeberg und Kipsdorf werden beim Wiederaufbau des noch immer vom Jahrhunderthochwasser 2002 zerstörten Gleises oberhalb von Dippoldiswalde Kunststoffschwellen zur Anwendung kommen.“
Schon vor 12 Jahren Tests unter Straßenbahn-Gleisen in Dresden-Prohlis
Die SDG ist nicht der erste Bahnbetreiber, der die neue Schwellenart einsetzt. Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) haben in Dresden-Prohlis schon 2003 zunächst 20 Stück davon versuchsweise eingebaut. Derzeit werden weitere 400 Stück in die DVB-Gleise verlegt.
Auch Parkeisenbahn setzt auf Recycling-Schwellen
Selbst die Dresdner Parkeisenbahn folgt dem neuen Trend im Gleisbau. So kann der aufmerksame Besucher des Großen Gartens beiderseits des Bahnüberganges in der Hauptallee die neue Schwellenart aus nächster Nähe betrachten. Von deren betonähnlichen Aussehen sollte er sich allerdings nicht täuschen lassen.
Reine Recycling-Schwellen sind deutsche Spezialität
Entwickelt wurden Kunststoffschwellen ursprünglich vor etwa 20 Jahren in Japan. Dort sind inzwischen etwa 1200 Kilometer Bahngleise damit ausgestattet. Später begannen auch Unternehmen in den USA und Australien, solche Schwellen zu produzieren. Diese Anbieter verwenden für ihre Fabrikate allerdings nur zu 20 Prozent aufbereitete Abfälle, den größten Anteil haben dort neue Kunststoffe. Reine Recycling-Schwellen sind insofern eine deutsche Spezialität. In der Bundesrepublik produziert neben den Erzgebirglern auch das Unternehmen „Kailburg Strail“ aus Tittmoning ähnliche Recycling-Kunststoffschwellen, die bei den Bayern „STRAILway“ heißen. Autor: Peter Weckbrodt
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