Forschung

Plasma-Pflaster heilt Wunden

Die Greifswalder Leibniz-Physiker setzten kaltes Plasma ein, um Wunden zu heilen. Foto: Heiko Weckbrodt

Die Greifswalder Leibniz-Physiker setzten kaltes Plasma ein, um Wunden zu heilen. Foto: Heiko Weckbrodt

Greifswalder Physiker wollen damit Verletzungen schließen, die sonst nie verheilen

Greifswald, 20. August 2015. Leibniz-Physiker aus Greifswalder haben einen Plasma-Verband entwickelt, der selbst Wunden schließen soll, die sonst keine Salbe und kein Medikament zu heilen vermag.

Neue Methode hilft, wo andere Therapien versagen

Noch befinde sich die neue Plasma-Therapie in der Erprobung, sagte Prof. Klaus Dieter Weltmann, der Direktor des Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie (INP) Greifswald. Aber die ersten Ergebnisse seien vielversprechend. „Es zeigt sich bereits, dass der Plasma-Einsatz bei der Wundheilung in vielen Fällen eine Hilfe für Patienten ist, bei der andere Therapien erfolglos geblieben sind“, sagte er.

Was INP-Direktor Klaus Dieter Weltmann da in der Hand hält, ähnelt nicht zufällig einem Zahnarzt-Instrument: Neben Plasma-Verband und ähnlichen Erfindungen haben er und seine Kollegen auch ein Gerät entwickelt, das chronisch offene Wunden im Zahnapparat mit Plasma schließt. Den Plasma-Verband durften wir leider nicht ablichten. Foto: Heiko Weckbrodt

Was INP-Direktor Klaus Dieter Weltmann da in der Hand hält, ähnelt nicht zufällig einem Zahnarzt-Instrument: Neben Plasma-Verband und ähnlichen Erfindungen haben er und seine Kollegen auch ein Gerät entwickelt, das chronisch offene Wunden im Zahnapparat mit Plasma schließt. Den Plasma-Verband durften wir leider nicht ablichten. Foto: Heiko Weckbrodt

Erste Hilfe für Brandopfer per Plasma-Verband

Der Plasma-Verband biete sich auch als Notfallversorgung zum Beispiel für Brandopfer an, damit Sanitäter deren Verbrennungswunden noch am Unfallort schnell sterilisieren und einen Heilungsprozess starten können. Aber auch als Behandlungsmethode für Tumor-OP-Patienten oder Diabetiker, die oft Wunden haben, die sich ewig nicht verschließen wollen, komme die Plasma-Therapie in Frage.

Ionengemisch sterilisiert Wunde und regt Regeneration an

Wie genau diese Plasma-Verbände funktionieren, mochte Prof. Weltmann mit Blick auf eine Patentanmeldung nicht verraten, auch Fotos waren bei der Vorführung nicht zugelassen. Aber anscheinend haben die Physiker für ihre neue Wundtherapie in einen Verband entwickelt, der von leitfähigen Fäden durchzogen ist. Liegt ein Strom an, ionisiert die Elektrizität die Umgebungsluft und erzeugt ein Plasma-Gemisch aus Rumpfatomen (Ionen) und Elektronen, das dann über die Wunde fließt, um Keime zu töten und das Wachstum gesunder Zellen anzuregen. Mit Batterien funktioniert dies aber bisher noch nicht, die Verbände müssen bislang noch an eine Steckdose angeschlossen werden.

Verbände erzeugen kaltes statt Fusions-Plasma

Anders als die Kollegen vom nahen Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald setzen die Leibniz-Forscher dabei nicht ultraheißes Plasma ein, wie es für eine Kernfusion benötigt wird. Sie verwenden vielmehr ein „kaltes“ beziehungsweise „technisches“ Plasma, das im konkreten Falle etwa Körpertemperatur hat. Das besondere Know-How liegt dabei in der genauen Rezeptur des Plasmas, dessen dosierter Mix aus Ionen, Elektronen, moderater Ultraviolett-Strahlung und Radikalen (reaktionsfreudige Atome mit ungepaarten Elektronen) für Keimtötung und Regeneration sorgt.

Plasma-Stift bereits im Einsatz

Während der Plasma-Verband noch erprobt wird, haben die Greifswalder bereits Geräte für eine Plasma-Behandlung mit einem Stift fertig entwickelt. Diese Anlagen erzeugen anders als die Konkurrenzmodelle gleich von vornherein recht kühles Plasma und brauchen damit keine aufwendigen Kühlvorrichtungen. Das Institut hat ein Unternehmen „Neoplas tools“ ausgegründet, das diese Plasma-Stifte verkauft.

Plasmabehandlung bisher meist nur als IGeL-Leistung

Mit der Basistechnologie, der Plasmaheilung, experimentieren auch andere Institute und Medizinfirmen in Deutschland, zum Beispiel in München. Ein paar Anbieter haben auch ebenfalls  Geräte auf dem Markt, die mit einem Stift arbeiten, mit dem der Arzt kleine Plasma-Dosen über chronisch offene Wunden streicht, um sie binnen einiger Tage oder Wochen zu verschließen. Weil aber noch keine Langzeit-Studien über diese Methode vorliegen, bezahlen die Kassen diese Therapie bisher nur ausnahmensweise. In der Regel müssen die Patienten diese Methode aus eigener Tasche als sogenannte „IGeL“-Leistung („Individuelle Gesundheitsleistungen“) bezahlen. Es gebe aber inzwischen einige Kassen, die die Kosten auf Antrag übernehmen, betonte Cathleen Möbius vom INP.

Langzeit-Wirkungen werden noch untersucht

Eine Sorge, die die bei den Verhandlungen zwischen Kassen und Anbietern mitschwingt: Die Ionen-Energie und die freiwerdende Strahlung sind bei „kalten Plasmen“ zwar relativ schwach, es ist aber durchaus vorstellbar, dass sie Mutationen im Patientengewebe hervorrufen, anders gesagt: das Krebsrisiko erhöhen könnten. Bisher gebe es dafür allerdings keinerlei Anhaltspunkte, betonen die Leibniz-Forscher, die in der Biologieabteilung des INP. Sie untersuchen im Labor eben diese Zusammenhänge anhand von plasmabehandelten Gewebeproben. Bislang haben sie nach eigenem Bekunden keine bösartige Zellveränderungen nach der Plasmatherapie finden können. „Untersuchungen verschiedener Arbeitsgruppen zur Mutagenität kalter Atmosphärendruckplasmen, das heißt zur Veränderung des Erbgutes durch Plasmaeinwirkung, haben keine gesteigerte Mutationsrate bei plasmabehandelten Säugetierzellen ergeben“, erklärte Cathleen Möbius.

Wenn sich die Therapie auch am Patienten berwährt, erwägt die Institutsleitung, eine weitere Firma auszugründen, die dann auch die neuen Plasma-Verbände und -Pflaster herstellt, weiterentwickelt und vermarktet. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt