Dresden-Lokales

Ex-Nagema-Hauptquartier verwildert vor sich hin

Das frühere Nagema-Hauptquartier, in dem einst die geschicke des DDR-Verpackungsmaschinenbaus dirigiert wurden, steht seit Jahrzehnten leer und verwildet. Als es errichtet wurde, galt die Bauweise des SchokopackHochhauses als innovativ. Foto: Heiko Weckbrodt

Das frühere Nagema-Hauptquartier, in dem einst die Geschicke des DDR-Verpackungsmaschinenbaus dirigiert wurden, steht seit Jahrzehnten leer und verwildert. Errichtet wurde das Schokopack-Hochhaus Ende der 1950er in einer damals innovativen Skelett-Bauweise. Foto: Heiko Weckbrodt

Stadt will auch kein Asylheim im Schokopack-Hochhaus

Dresden, 29. April 2015. Immerhin der Stahlzaun ist intakt, ein gelbes Schild warnt Eindringlinge, das zugewucherte Gelände im Dresdner Osten zu betreten. Doch weder Flora noch Abenteuerlustige scheren sich darum: Gestrüpp umrankt das denkmalgeschützte Schokopack-Hochhaus an der Ecke von Breitscheidstraße und Moränenende wie ein Dornröschenschloss. Entschlossenere ungebetene „Gäste“ haben im Entree eine Spur der Verwüstung hinterlassen. „Diese Vandalen“, knurrt Prokurist Andreas Wolf vom Dresdner Immobilien-Unternehmen „Meiag“. „Da stecken wir jedes Jahr ein paar Tausend Euro rein, das wieder zu reparieren.“

Einst Leitzentrale für DDR-Verpackungsmaschinenbau

Steigt man die düsteren Treppen nach oben und durchstreift die langen Flure, kann man sich zumindest noch vorstellen, dass hier einmal Hunderte Büromenschen gesessen haben, Verpackungsmaschinen „Made in GDR“ entworfen, beworben und weltweit verkauft haben, welch emsiges Gewimmel in dem einstigen Kombinats-Leitbetrieb geherrscht haben mag. Jetzt künden davon nur noch ergraute DDR-Gardinen, zerlegte Fertigteilmöbel und schön altmodisch stoffbespannte Lautsprecher, durch die schon längst keine Durchsage mehr geschallt ist.

Abgerissen und stumm: Lautsprecher aus Kombinats-Zeiten. Foto: Heiko Weckbrodt

Abgerissen und stumm: Lautsprecher aus Kombinats-Zeiten. Foto: Heiko Weckbrodt

Errichtet wurden das zwölfgeschossige Hochhaus und das niedrigere Nachbargebäude Ende der 1950er Jahre in einer damals innovativen Stahlbetonskelettmontage, der Komplex steht auch deshalb heute unter Denkmalschutz. Er gehörte zunächst dem VEB Schokopack Dresden und wurde im Zuge der DDR-Kombinatsreform Anfang der 1970er dem Verpackungsmaschinen-Kombinat Nagema zugeschlagen.

Industriebauten stehen seit Kombinats-Aus leer

Seit die Treuhand das DDR-Verpackungsmaschinen-Kombinat Nagema, dessen Leitbetrieb im Schokopack-Hochhaus residierte, 1990 abgewickelt hat, stehen die beiden Bauten leer und verwildern. Vor reichlich zwei Jahren übernahm die Meiag die Immobilie, wollte den Komplex sanieren und dort Seniorenwohnungen einbauen. Doch das Projekt scheiterte laut Wolf am Stadtplanungsamt. Denn im Rathaus sieht man die Zukunft des Areals ringsum eher in der gewerblichen Nutzung, da mit dem Nagema-Nachfolger „Theegarten-Pactec“ gleich nebenan ein Industriebetrieb wächst. Und wenn da in der Nachbarschaft neue Wohnnutzungen zugelassen würden, dürfte der Betriebslärm bald nur zu Zank und Streit führen, so die Überlegungen der städtischen Planer.

Das Schokopack-Hochhaus im Dresdner Osten von außen. Foto: Heiko Weckbrodt

Das Schokopack-Hochhaus im Dresdner Osten von außen. Foto: Heiko Weckbrodt

Sanierung als Flüchtlingsheim vorgeschlagen

Eben dieser Interessenkonflikt hat auch ein anderes Nutzungskonzept, das Wolf im Auge hatte, zumindest vorerst zum Scheitern gebracht: Weil immer mehr Flüchtlinge nach Dresden kommen und die Stadt ernste Probleme hat, diese Menschen vernünftig unterzubringen, hatte der Prokurist im Sinn, die Gebäude der Stadtverwaltung als Erstaufnahme-Heim für Asylbewerber anzubieten. Mit einem sechsstelligen Betrag, so schätzt er, könnte man das Schockpack-Hochhaus und das niedrigere Nachbargebäude innerhalb eines reichlichen Jahres so in Schuss bringen, dass sie als Asylheime nutzbar wären. Auch im Ortsbeirat Blasewitz war solch eine Asylheim-Nutzung für das Schokopack-Hochhaus bereits erörtert worden.

Stadt winkte ab: zu teuer, zu viel Konfliktpotenzial

Die Stadtverwaltung hat diese Option nach eigenem Bekunden zwar tatsächlich auch geprüft, aber dann verworfen: „Obgleich die Errichtung einer sozialen Einrichtung im Gewerbegebiet auf Grund der Befreiungsregelungen dem Grunde nach möglich wäre, musste für das konkrete Objekt die Ungeeignetheit festgestellt werden“, teilte Bernd Opitz, der Büroleiter von Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos) auf Oiger-Anfrage mit. Dagegen habe die „unmittelbaren Nähe zu einem im durchgängigen Dreischichtbetrieb produzierenden Gewerbe“ gesprochen, aber auch der schlechte bauliche Zustand der beiden Gebäude. „Die damit verbundenen hohen Sanierungskosten würden sich nachteilig auf den Kostensatz auswirken. Hinzu kommt, dass unsere Zielstellung lautet, möglichst kleine Einrichtungen zu etablieren“, betonte Opitz.

Dresden muss nun zusätzliche Unterkünfte 350 Flüchtlinge heranorganisieren

Allerdings ist es durchaus möglich, dass man im Rathaus bereits verworfene Standort-Unterlagen wieder aus den Schubladen ziehen muss. Denn obwohl die Stadt seit Jahresbeginn bereits eilends neue Unterkünfte für 315 Asylbewerber geschaffen hat, wird dies nicht reichen. „Laut Hochrechnungen des Sozialamtes werden in diesem Jahr noch zwischen 700 und 800 neue Unterbringungsplätze benötigt, um alle der Landeshauptstadt Dresden vom Land zugewiesenen Flüchtlinge aufnehmen zu können“, informierte das Sozialdezernat heute. Dies seien rund 350 Plätze mehr als bisher geplant. „Die Zahlen stellen uns vor eine immense Herausforderung“, räumte Seidel ein.

Das Sozialamt prüft inzwischen laut dem Bürgermeister bereits neue Standorte, wäre aber für weitere Angebote dankbar, wie es in einer Rathaus-Mitteilung heißt. Ob dies dazu führt, dass für das Schokopack-Hochhaus nun doch wieder eine Sanierung näher rückt, bleibt abzuwarten.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt